Planlos auf Schatzsuche

4 Min
Irgendwo hier liegt er angeblich, der Cache „Kleines Paradies“.
Jann Weckel
Nur ungern ist man der Erste, der Abdrücke in der unberührten Landschaft hinterlässt.
Fotos: Jann Weckel

Ein Redaktionsvolontär auf Orientierungsmarsch durch den Landkreis.

Seit Anfang Januar bin ich nun schon hier, als Volontär in der Kitzinger Lokalredaktion. Lokal, das beinhaltet schon, dass man von der Örtlichkeit auch ein bisschen Ahnung haben sollte. Die habe ich bisher kaum. Darum war in der Redaktion schnell die Idee geboren, mich etwas durch den Landkreis zu schicken. Das Mittel zum Zweck? Geocaching!

Eine moderne Schatzsuche, mittlerweile ein weltweites Phänomen: Jemand versteckt eine kleine Kiste oder Ähnliches und teilt dann im Internet die genauen Koordinaten mit. So können andere Spieler auf die Suche gehen. Alles was man braucht: Ein GPS-fähiges Handy. Das habe ich, Erfahrung mit Geocaches leider nicht. Nach etwas Recherche finde ich den Cache meiner Wahl: Er nennt sich „Kleines Paradies“ und liegt zwischen Schnepfenbach und Neusetz. Es wäre aber nicht im Sinne der Redaktionskollegen, in einem der beiden Orte zu starten und dann nur ein paar Minuten zu Fuß zu gehen. Darum habe ich einen anderen Startpunkt: Köhler, direkt am Main unterhalb der Weinberge.

Als ich am frühen Nachmittag dort ankomme, werde ich direkt beobachtet. Nein, es ist nicht das Klischee der alten Dame am Fenster, sondern ein Hund in einem Hof. Köhler, Ortsteil von Volkach, ist wirklich faszinierend. In einer langen Reihe ziehen sich die Häuser einseitig an der Straße lang, eingepfercht zwischen dem Main vor der Tür und den Weinbergen im Rücken.

Durch die Weinberge

Es wird Zeit aufzubrechen. Etwas mehr als eine halbe Stunde Fußmarsch prophezeit mir mein Smartphone. Zuerst muss ich den Weinberg hoch. Am Ortsausgang führt eine lange Straße den steilen Hang hinter den Häusern hinauf. Der Boden ist stellenweise ziemlich rutschig, ich muss wirklich aufpassen, wo ich hintrete. Um meinen Hals baumelt die Kamera der Redaktion, nach vorne fallen wäre jetzt ganz schlecht.

Ich bin ein bisschen erleichtert, als ich unfallfrei oben ankomme. Und für den Ausblick hat es sich eigentlich schon gelohnt: In der einen Richtung Escherndorf und Nordheim (da war ich wenigstens schon einmal), mit der Vogelsburg hoch auf dem Weinberg. In die andere Richtung kann ich bis zur Abtei Münsterschwarzach schauen. Die war mir schon von der Autobahn aus häufiger in der Ferne aufgefallen.

Bald treffe ich einen Mann, der mich direkt als Pressevertreter enttarnt. Ich sage, ich müsse hier Fotos machen. Es muss ja nicht jeder wissen, dass ich gar keine Ahnung habe, wo ich gerade hinlaufe. Die Karte auf meinem Handy zeigt einen weiteren Weg weiter oben am Berg an. Aus dem Wald dort höre ich bis hierher auffallend viele Vögel zwitschern. Um mir etwas Weg zu sparen, steige ich zwischen zwei Reihen von Weinstöcken steil nach oben.

Vielleicht hat die Sonne die Tierwelt ein bisschen aus dem Winterschlaf geweckt. Trotz Minusgraden fühlt es sich an wie Frühling. Im Schnee sehe ich einige Spuren von Tieren. Ich habe zwar keine Ahnung vom Spurenlesen, aber ich kann Entwarnung geben: Ein Wolf war es nicht. Ich tippe auf Hase.

Ich gehe zwischen Waldrand und Weinstöcken entlang und stoße auf eine kleine Kreuzung mit einer Bank. Dort steht auch ein Wegweiser, der zurück auf die Aussicht ins Maintal verweist. Zurecht. Nach einer kleinen Kurve durch das Waldstück stehe ich auf einem Feldweg, in der Ferne eine Ortschaft. Neusetz, sagt Google. Auf halbem Weg dorthin muss ich links abbiegen. Hier war heute definitiv noch niemand. Keine Reifen- oder Fußspuren im Schnee, auch keine tierischen.

Endspurt zum Schatz

Auf einer kleinen Anhöhe stehe ich kurz vor dem Ziel. Jetzt bin ich doch sehr gespannt, was mich eigentlich erwartet. Der Feldweg bringt mich nicht mehr weiter, ich muss querfeldein. Ich stapfe über einen gefrorenen Acker und hohes, platt gedrücktes Gras ins Tal und lande auf einer gepflasterten Straße. Links sehe ich die ersten Häuser eines Ortes. Das muss Schnepfenbach sein. Ich muss nach rechts. Mein Handy zeigt den Punkt auf der Karte nun in unmittelbarer Nähe. Keine 50 Meter weiter habe ich die Stelle erreicht. Ich lasse allerdings erst noch einen Hund samt Herrchen passieren. Irgendwie möchte ich bei der planlosen Schatzsuche, die jetzt ansteht, nicht unbedingt beobachtet werden.

Der Cache liegt laut Karte direkt am Dettelbach, der hier fließt. Eine kleine Treppe führt von der Straße hinunter ans Ufer des Bachs. „Kleines Paradies?“ Im Sommer vielleicht. Aktuell schlängelt sich der Bach an altem Laub, ein bisschen Schnee und kahlen Bäumen vorbei.

Mein erster Suchansatz: Nach offensichtlichen Versteckmöglichkeiten Ausschau halten. Vergraben wird er nicht sein, im Bach wird er auch nicht liegen. Mein erster Verdacht fällt auf ein Rohr, aus dem ein kleiner Zulauf des Bachs entspringt. Vielleicht ist das Objekt der Begierde irgendwie hier reingeklemmt. Ich versuche hineinzusehen, ohne in den Bach zu fallen. Entdecken kann ich aber nichts. Ein hohler Baumstamm ist mein nächstes Ziel, und kurz denke ich tatsächlich, dass ich erfolgreich war. Zwei Glasflaschen und eine Getränkedose sind allerdings alles, was ich darin finde.

Einige Minuten und potenzielle Verstecke später, bin ich ratlos. Ich setze mich auf die steinernen Stufen, zücke mein Smartphone und rufe im Internet die Seite des Caches auf. Schwierigkeitsstufe drei von fünf. Klingt eigentlich machbar. In den Kommentaren von Nutzern, die erfolgreicher waren, ist oft von nassen Füßen die Rede. Muss ich doch in den Bach? Oder ist der Cache weg? Sind die Koordinaten falsch? Hier liegt auch eine Hälfte eines Baumes, die andere steht noch. Er scheint in der Mitte umgeknickt und gebrochen zu sein, wie ein Streichholz. Hat Sturmtief Egon irgendwie das Versteck ruiniert?

Zu hohe Ambitionen

Es hilft alles nichts, ich gebe auf. Es wird langsam dunkel, und ich muss den ganzen Weg ja auch wieder zurück. Es ärgert mich schon sehr, unverrichteter Dinge wieder abziehen zu müssen, aber vielleicht hätte ich mir für den Einstieg einen einfacheren Cache aussuchen sollen. Letztendlich hat sich die Aufgabe aber doch gelohnt: Ich war eine ganze Weile an der frischen Luft und habe eine wirklich schöne Ecke des Landkreises gesehen.

Wer es besser machen möchte, findet hier die Koordinaten des Caches „Kleines Paradies“:

N 49° 50.140 E 010° 08.866