Sylvia Sauer bietet Kurse an. Ihre Erfahrung: Jeder Teilnehmer bringt seine eigene Geschichte mit.
Sylvia Sauer weiß um die Vorurteile. Sie sind ihr egal. Denn sie weiß noch viel mehr um die Vorteile des Waldbadens. Seit drei Jahren ist sie ausgebildete Kursleiterin.
Treffpunkt in Rimbach. Hier geht die studierte Kirchenmusikerin immer wieder mit Gruppen in den Wald. Eine kurze Einführungsphase, ein paar Verhaltensregeln und schon geht es los. Wie ein Torbogen gestaltet sich der Eingang in den Wald. Der Übergang von einer Welt in die andere ist spürbar. Ein anderes Licht, eine andere Temperatur. Vögel singen, eine Amsel zwitschert. „Im Wald öffnen sich unsere Sinne“, sagt Sauer und verlangsamt ihre Schritte.
Schon in Kindheitstagen übte der Wald eine Faszination auf Sylvia Sauer aus. Mit den Großeltern und mit Freunden hat sie sich oft dort aufgehalten. Als Erwachsene probierte sie zunächst andere Entspannungsmöglichkeiten aus: Autogenes Training, ZEN-Meditation. „Immer ging es um Achtsamkeit“, erinnert sie sich. Als sie zum ersten Mal vom „Waldbaden“ hörte, war sie neugierig und meldete sich an der „Deutschen Akademie für Waldbaden und Gesundheit“ im Taunus an. „Eine spannende Erfahrung“, sagt sie drei Jahre später.
„Beim Waldbaden dürfen wir frei sein und staunen wie ein Kind.“
Sylvia Sauer, Kursleiterin
Ein „Waldbad“ – der Begriff kommt aus dem japanischen und bedeutet wörtlich übersetzt „das Eintauchen in die Waldatmosphäre“ – hat sehr viele Facetten. Mit dem einfachen Wandern ist es nicht vergleichbar. Grundsätzlich gehe es darum, die Sinne zu öffnen, Körper, Seele und Geist in eine Einheit zu bringen. Klingt abgehoben, ist aber in der Praxis ganz bodenständig. „Wir legen unseren Fokus beispielsweise nur auf eine Sinneswahrnehmung“, erklärt Sauer. Will heißen: Stehen bleiben, Augen zu und nur hören. Wie klingt der Wald? Wie fühlt sich die Rinde eines Baumes an, das Moos auf einem Baumstumpf? Wie duftet eine Handvoll Erde? „Beim Waldbaden dürfen wir frei sein und staunen wie ein Kind. Barfuß über einen bemoosten Baumstamm zu laufen, ist eine herrliche Erfahrung“, versichert sie.
Über die Vhs oder auf Anfragen von Gruppen bietet Sauer ihre Kurse an. Es kommen junge Menschen und Rentner, Frauen und Männer. „Jeder Teilnehmer bringt seine eigene Einstellung und Geschichte mit“, weiß Sauer. Für manche liegt der Fokus auf dem medizinischen Aspekt. Der Blutdruck reguliert sich, die Sauerstoffversorgung wird angeregt. Andere konzentrieren sich auf den meditativen Aspekt, üben sich in der Kunst der Gedankenstille. „Beim Waldbaden muss ich nicht überlegen und nicht analysieren. Ich nehme Dinge wahr, ohne sie bewerten zu müssen“, erklärt Sauer. Auch das kann letztendlich einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben. Gerade für stressgeplagte Menschen kann diese neue Art der Achtsamkeit gesundheitsfördernd wirken.
Zwei Dinge sind Sauer wichtig, bevor es das erste Mal in den Wald geht: Handys im Auto lassen und alle Alltagsgespräche einstellen. „Die Teilnehmer sollen sich auf die besondere Atmosphäre einstellen und sich nicht über die letzten Bundesliga-Ergebnisse austauschen“, erklärt sie. Am Waldrand wird kurz Station gemacht. Der Blick schweift über die Weite der Landschaft, bleibt an einer Kirchturmspitze hängen, nimmt einen Bussard in den Fokus. Die Gedanken fahren herunter. „Und jetzt sind wir bereit, um in den Wald einzutauchen“, sagt Sauer.
Ein Waldaufenthalt kann auch eine spirituelle Dimension haben. „Man denke an die Tradition der buddhistischen Waldmönche und der christlichen Einsiedler. Auch die Zisterzienser bauten ihre Klöster immer in abgelegene, stille Täler inmitten waldreicher Hügel“, erinnert Sauer.