Jetzt schenken die Vereine ein

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Wirt und doch kein Wirt: Stefan Stark ist verantwortlich für den Wirtschaftsbetrieb in der Kirchenburg Tiefenstockheim ...
Foto: Daniela Röllinger
Sie kommen gerne in den neuen Treffpunkt: Leo Bühringer aus Markt Herrnsheim und Hedwig und Herbert Siebert aus Obernbreit plaudern mit Rudolf Müller vom Kirchenburgverein.
Foto: Daniela Röllinger

Die Sieberts waren Stammgäste. Und sie sind es immer noch. Statt in die Gaststätte führt ihr Weg jetzt allerdings am Sonntagabend in die Kirchenburg Tiefenstockheim. Weil das letzte Gasthaus geschlossen hat, haben die Bürger die Initiative ergriffen und dort einen neuen Treffpunkt mit Bewirtung geschaffen. Bis zu 35 Gäste kommen regelmäßig vorbei.

Die Sieberts waren Stammgäste. Und sie sind es immer noch. Statt in die Gaststätte führt ihr Weg jetzt allerdings am Sonntagabend in die Kirchenburg Tiefenstockheim. Weil das letzte Gasthaus geschlossen hat, haben die Bürger die Initiative ergriffen und dort einen neuen Treffpunkt mit Bewirtung geschaffen. Bis zu 35 Gäste kommen regelmäßig vorbei.

Gemeindliche Gaststätten, Gaststätten, die von Vereinsmitgliedern betrieben werden – sie sind eine „Notlösung“ in immer mehr Orten, wenn das letzte Wirtshaus die Pforten schließt oder es seit Jahren keines mehr gibt. Einige Gemeinden im Landkreis Kitzingen sind diesen Weg schon vor Jahren gegangen – Martinsheim und Gnötzheim zum Beispiel, Markt Herrnsheim oder Possenheim. Und Anfang des Jahres eben auch Tiefenstockheim.

Kein Treffpunkt mehr im Ort

Im September hat die Familie Vollgärtner ihr Gasthaus geschlossen. „Wir haben das sehr bedauert“, sagt Rudolf Müller, Vorsitzender des Kirchenburgvereins. Einige Wochen lang gab es keinen Treffpunkt mehr im Dorf. Gefallen hat das den Bürgern nicht. „Die Leute haben gesagt, so ist das nichts“, erzählt Müller. Gemeinsam wurde nach einer Lösung gesucht, und so hat im Januar die „Kirchenburggaststätte“ geöffnet. Jeden Sonntag ab 18 Uhr gibt es Getränke und kalte Speisen.

Zuständig für den „Gaststättenbetrieb“ ist der Kirchenburgverein, der die Organisation übernimmt und die ehrenamtlichen Helfer einteilt. Viele machen mit, so dass jeder nur drei bis vier Mal im Jahr ran muss. „Gaststättenbetrieb“ ist für Müller aber eigentlich nicht das richtige Wort. „So kann man es gar nicht nennen. Man trifft sich, trinkt was und isst ein Würstchen.“ Kopf des Teams ist Stefan Stark, der Erfahrung in der Gastronomie hat und die Helfer unterweist.

Zu den Gästen, die regelmäßig in die Kirchenburg kommen, gehören Hedwig und Herbert Siebert aus Obernbreit. „Wir waren zweimal in der Woche beim Vollgärtner“, sagt Herbert Siebert, „mindestens 25 Jahre lang.“ Die Strecke dorthin legten sie stets zu Fuß zurück. Die lieb gewonnenen Touren aufzugeben, das hätte ihnen nicht gefallen und deshalb sind sie froh über das Angebot des Kirchenburgvereins. „Wir fühlen uns sehr wohl hier oben“, lobt Siebert die Verantwortlichen.

In vielen Regionen ist das Gaststättensterben zum Problem geworden. Michael Schwägerl, Bezirksvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes, nutzt das Wort „gravierend“. Wobei der Landkreis Kitzingen im Vergleich zu anderen Gebieten laut dem Dehoga-Kreisvorsitzenden Michael Seufert noch ganz gut dasteht. Das sei vor allem dem Tourismus zu verdanken. „Wir sind ganz gut aufgestellt. In anderen Kreisen sind viele Orte völlig verwaist.“ 35 ins Handelsregister eingetragene Firmen und 573 Kleingewerbe gab es laut IHK-Statistik 2014 im Gast- und Beherbergungsgewerbe im Landkreis Kitzingen. In diesen Bereich fallen auch die 327 „Restaurants mit herkömmlicher Bedienung“. Große Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren gibt es nicht.

Seufert weiß, dass es gerade die kleinen Gaststätten auf dem Land nicht leicht haben. „Es ist nicht mehr wie früher, als Tante und Oma immer mithalfen.“ Wenn aber externes Personal gebraucht werde, sei es schwierig, die kleinen Gaststätten wirtschaftlich zu führen. Kritisch wird es spätestens, wenn ein Nachfolger gesucht wird. Aus der Familie wolle sich das oft keiner mehr antun.

Auflagen und Vorschriften

Die vielen Auflagen und Vorschriften erschweren den Gastwirten das Leben enorm, moniert der Kreisvorsitzende. „Als kleiner Wirt bist du fast nur noch am Schreiben.“ Die Dokumentationspflichten brächten einen „Riesenaufwand“ mit sich. Als einen von vielen Punkten nennt Seufert die Kennzeichnung der Allergene in den Gerichten, die erst kürzlich Thema in der Mitgliederversammlung des Dehoga-Kreisverbandes war. Die Einhaltung von Vorschriften kostet aber nicht nur Zeit, sondern auch Geld, denn es gibt technische Vorgaben zu beachten. Den Einbau von Fettabscheidern nennt Michael Schwägerl als Beispiel, oder den Brandschutz. Hier muss der Wirt investieren, ohne dass der Gast etwas mitbekommt.

Gerade in Unterfranken gibt es ein weiteres Problem, das den Gaststätten das Leben erschwert: Es wird viel und gerne gefeiert. Schwägerl nennt Unterfranken nach Oberbayern den feierfreudigsten Bezirk in Bayern. Von April bis in den Herbst gibt es viele Feste und Veranstaltungen. „Dort sind die Vorschriften anders, steuerlich zum Beispiel. Und auch beim Mindestlohn.“ Wer auf einem Fest isst und trinkt, geht nicht ins Wirtshaus. „Das schmerzt uns, weil den Betrieben die Umsätze fehlen.“

Weil es immer schwieriger wird, von kleinen Gaststätten zu leben, gehen manche Wirte hauptberuflich einer anderen Arbeit nach. Das Gasthaus ist dann nur noch an wenigen Abenden oder am Wochenende geöffnet. „Auslaufmodelle“ nennt Seufert diese Lösung. „Die Wirte können davon nicht leben und irgendwann wird es dann gut sein.“ Und dann fehlt eben der gesellige Treffpunkt.

Aus der Not geboren

„Gemeindegaststätten entstehen aus der Not heraus, weil es keine Gaststätten mehr gibt“, sagt Michael Seufert. Eigentlich also ein positiver Ansatz. Doch ein Weg nicht ohne Schattenseite für die Wirte. Schwierig wird es für Seufert dort, wo die Gemeinden Veranstaltungsorte – wie Bürgerhäuser, Feuerwehrhäuser und Sportheime – finanziell unterstützen und so ausstatten, dass sie den herkömmlichen Wirten Einnahmen streitig machen. Wenn in solchen Häusern Familienfeiern durchgeführt werden, bleiben Gasthäuser zwangsläufig auf der Strecke. „Das ist schwierig für uns zu akzeptieren.“

Auch Schwägerl spricht von zwei Seelen in seiner Brust, was die Gemeindegasthäuser angeht. Dass die Gemeinde Rödelsee vor Jahren den Löwenhof gekauft, saniert und dann verpachtet hat, nennt er ein Vorzeigeobjekt, eine Bereicherung für die Bürger auf der einen Seite. Auf der anderen Seite aber eine Bezuschussung der Gastronomie, während ein inhabergeführtes Gasthaus leer ausgehe. Die Unterstützung reiner Veranstaltungsorte für private Feiern sieht der Bezirksgeschäftsführer dagegen äußerst kritisch. „Hier wird nicht die Gaststättenkultur gefördert, sondern nur die Möglichkeit, kostengünstig feiern zu können.“