Nationalismus als Antwort auf die Globalisierung?
Müller-Kaler: Klingt schizophren, ist aber so. In den USA kommen auch noch kulturelle Gründe hinzu. Das Land hat seinen strukturellen Rassismus nie wirklich überwunden, Proteste und eine große gesellschaftliche Polarität hat es schon immer gegeben. Nach 9/11 und während diversen Kriegen gab es vielleicht so etwas wie eine gesellschaftliche Einheit, aber unter der Oberfläche hat es eigentlich schon immer gebrodelt. Die Finanzkrise 2008 und deren wirtschaftliche Folgen haben dann das letzte Vertrauen in die politischen Eliten zerstört.
Danach kam Obama.
Müller-Kaler: Auch Obama konnte die gespaltene Stimmung im Land nicht nachhaltig verändern, auch wenn er sozialpolitisch viel erreicht hat. Anschließend haben weite Teile der Amerikaner jedoch entschieden, dass sie es mit einem radikaleren Weg probieren möchten. Die Wahl Trumps war sozusagen ein Warnschuss der Bevölkerung an die Mächtigen.
Ist der Warnschuss gehört worden?
Müller-Kaler: Schwer zu sagen. Die Demokraten haben, meiner Meinung nach, jedenfalls von Anfang an den Fehler gemacht, dass sie die Wahl als einmaligen Unfall angesehen haben. Sie hätten jedoch lieber ihren ehemaligen Stammwählern zuhören sollen. Doch der Kontakt zu Gewerkschaften, der arbeitenden Mittelschicht und wirtschaftlich Abgehängten ist ihnen in Teilen des Landes deutlich abhandengekommen.
Dann hat Trump durchaus Chancen auf eine Wiederwahl?
Müller-Kaler: Es war vor vier Jahren schon sehr, sehr eng. Entscheidend sind wohl auch diesmal wieder die Bundesstaaten im so genannten „Rust Belt“. Also dort, wo früher in großem Stil industriell produziert wurde. Und natürlich die Wahlbeteiligung.
Die lag 2016 bei mickrigen 55 Prozent.
Müller-Kaler: Und genau da will sie Donald Trump auch in drei Monaten haben. Darauf zielt die gesamte Strategie der Republikaner ab. Trump weiß, dass seine Stammwähler kommen werden, die Anhänger der Demokraten sollten, seiner Ansicht nach, daheim bleiben. Er will sie demobilisieren, um zu gewinnen.
Wie soll das gehen?
Müller-Kaler (lacht): Das klingt in unseren Ohren unglaublich, aber es gibt Wahlbezirke, in denen die Bürger zehn Minuten warten müssen, bis sie in die Wahlkabine können, woanders bilden sich Schlangen, da steht man bis zu vier Stunden an. Sie dürfen raten, wo die Leute lange warten müssen und wo es schnell geht.
Ist Joe Biden der richtige Mann, um Donald Trump herauszufordern?
Müller-Kaler: Er repräsentiert jedenfalls nicht die Version eines neuen Amerikas, sondern eher einen Rückschritt in alte Zeiten. Dabei bräuchte das Land so etwas wie einen neuen „New Deal“. Investitionen in Infrastruktur, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und angepasste Sozialprogramme. Das alte Versprechen, dass jeder wirtschaftlich aufsteigen kann, müsste neu belebt werden. Nur wenn sich gesellschaftlich etwas verändert, fassen die Menschen auch wieder Vertrauen in die Politik.
In den Umfragen führt Biden teilweise klar vor Trump.
Müller-Kaler: Auf aktuelle Umfragen gebe ich nicht so viel, dafür ist die Wahl noch zu weit weg. Die Menschen werden am Ende für oder gegen Donald Trump stimmen. Er entscheidet die Wahl. Joe Biden selbst gibt wenig Angriffsfläche, was, anders als bei Clinton, durchaus von Vorteil sein kann. Dennoch wird es ein sehr schmutziger Wahlkampf mit zahlreichen Angriffen unter der Gürtellinie. Sei es mit fake news, manipulierten Videos oder ständig erzählten Lügen.
Wird es nach der Wahl wieder eine Annäherung zwischen Europa und den USA geben?
Müller-Kaler: Wenn Trump gewinnt, wird das Motto „America First“ sicher weiter bleiben. Aber auch in einer Biden-Präsidentschaft wird es wohl keine transatlantische Zusammenarbeit wie vor 20 Jahren geben. Für die Amerikaner läuft alles auf einen neuen Kalten Krieg mit China hinaus, gerade im Feld der modernen Technologien. Die Europäer müssen sich deshalb warm anziehen. Das ist tragisch, weil viele Probleme unserer Zeit eigentlich nur gemeinsam zu lösen sind, denken Sie an den Klimawandel, internationalen Terrorismus oder Migrationsfragen.
Was heißt das für Deutschland?
Müller-Kaler: Auf Deutschland könnte ein Horrorszenario zukommen. In letzter Konsequenz werden wir uns wohl früher oder später für einen Handelspartner entscheiden müssen: China oder die USA. Foto: Steffen Jakob
Moderiertes Gespräch
Der SPD-Ortsverein Volkach und Kreisverband Kitzingen laden am Sonntag, 23. August, zu einer politischen Veranstaltung mit Julian Müller-Kaler ein. Das moderierte Gespräch findet von 11 bis 12 Uhr am Weinfestplatz in Volkach statt. Es gelten die üblichen Sicherheits- und Hygienevorschriften mit Erfassungspflicht der Besucher/innen. Eine Bewirtung findet auf dem Platz während der Veranstaltung nicht statt.
Wir werden es erleben, wer Präsident wird. Dann wird geklärt, wie es weiter geht. Auch Biden hat es nicht leicht innerhalb der USA. Dafür ist die Nation jetzt schon zu sehr gespalten. Auch international müsste er dann erstmal viel aufräumen. Das wird dauern. Vielleicht findet sich ja in den nächsten Jahren mal ein jüngerer der es will und kann.
Einfach krank!
Wie fehlgeleitet muss man sein und wieviel Wut und Hass muss in einem offensichtlich noch sehr unreifen, jungen Mann brodeln, wenn er mit solchen Aussagen gegen Menschen wie den erfolgreichen US-Präsidenten, die politische, demokratisch gewählte Opposition in Deutschland als auch in Frankreich und sogar gegen den geglückten Brexit der Briten wettert? - Zum Glück bleibt es mir erspart, hier eine Antwort finden zu müssen. - Was ich aber als letztes tun werde, ist es, eine Veranstaltung zu besuchen, bei der solchen Menschen auch noch eine Bühne geboten wird, auf der sie solche oder ähnliche Reden schwingen können...!
MfG
@binbedient
Erfolgreicher Präsident der USA???
In welchem Paralleluniversum sind sie denn beheimatet?
@ PetSch
Das Problem scheint wohl eher bei Ihnen zu liegen, aber es ist nie zu spät, um aufzuwachen...!
MfG