Gibt es das heute noch, dass Unternehmer keinen schriftlichen Vertrag abschließen? In Abtswind schon
Gunther Kramm ist zu Besuch bei einem Freund. Und zugleich einem Hauptgeschäftspartner. Allein das ist sicher schon ungewöhnlich. Doch der Landwirt mit dem breiten hessischen Dialekt berichtet noch viel Erstaunlicheres: Noch nie hat sein Betrieb mit dem Partner aus Abtswind einen schriftlichen Vertrag ausgehandelt. Die jahrzehntelange Zusammenarbeit basiert auf drei Säulen: „Ein Handschlag zählt, man hat Verständnis füreinander und ist absolut ehrlich zueinander.“
Gunther Kramm, Seniorchef des Nibelungenhofs im Kreis Groß-Gerau, ist nach Franken gereist, um den 100. Geburtstag des Abtswinder Unternehmens Kräuter Mix mitzufeiern. Den heutigen Seniorchef von Kräuter Mix, Christoph Mix, kannte er schon, als der noch „ein halbstarker Jugendlicher“ war, erzählt er.
„Der 16-jährige Christoph Mix saß ziemlich stumm auf der Couch. Überhaupt nicht vergleichbar mit heute“
Gunther Kramm, Seniorchef Nibelungenhof
Anfang der 70er Jahre hatten Christoph Mix' Eltern einen sogenannten Bandtrockner gekauft, eine Anlage, die den Wasseranteil von Kräutern und Gemüse verringert. „Um den Bandtrockner zu füttern, brauchten sie Material. Da kamen sie auf uns. Wir bauten damals schon Knollensellerie, Spinat und Küchenkräuter an“, erinnert sich Gunther Kramm. Bei einem Besuch von Familie Mix auf dem Hof der Kramms ahnte vor 50 Jahren noch niemand, dass dieses Treffen den Grundstein für eine lange und intensive Zusammenarbeit – und eine echte Firmenfreundschaft – legen würde.
„Damals hat Bernhard Mix ganz energisch das Wort geführt und sein 16-jähriger Sohn Christoph saß ziemlich stumm bei mir auf der Couch“, sagt Kramm und fügt mit einem leichten Grinsen hinzu: „Er war wirklich sehr ruhig – überhaupt nicht vergleichbar mit heute.“
Christoph Mix grinst ebenfalls. Auch wenn rund 200 Kilometer Distanz zwischen den beiden Betrieben liegen, sind sie einander doch immer nahe. „Der Gunther ist ein guter Zuhörer“, stellt Christoph Mix fest. Gunther Kramm sagt genau das Gleiche über Christoph Mix. Mit den Jahren habe man gelernt, sich in den anderen hineinzuversetzen. „Wenn das Wetter den Kramms einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und nur ein Teil der geplanten Menge geerntet werden konnte, dann war uns klar, dass wir für diese Lieferung erst recht anständig bezahlen mussten“, sagt Mix.
Kramm nennt ebenfalls ein Beispiel: „Und wenn der Markt mal leer gefegt war und wir uns eine Lieferung Schnittlauch hätten vergolden lassen können, haben wir das nicht gemacht und trotzdem für einen geringeren Preis an Mix geliefert, wie versprochen.“
Das Verständnis füreinander und für die jeweilige Situation am Markt sei immer mehr gewachsen.