Er trägt ein helles T-Shirt und eine Jogginghose. Mit langen, schnellen Schritten, eine Sporttasche geschultert, durchquert der junge Kerl den Raum. Er geht auf Sandra Lussert zu: „Is' frei?“, fragt er leise. „Gleich. Warte kurz“, antwortet sie und lächelt freundlich-aufmunternd. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass die Dusche im neuen Bürgertreffpunkt montags, mittwochs und freitags geöffnet ist. Viele „Notwohner“ nutzen das Angebot.
Es ist Mittwoch, kurz nach halb zwei. Eigentlich öffnet der Treff namens „Wegweiser“ im Erdgeschoss der Egerländer Straße 22 erst um 14 Uhr. Doch im Notwohngebiet schlägt die Uhr nicht immer im gleichen Takt wie im Rest der Welt. Während Sandra Lussert in der Küche gespendete Kuchen aufschneidet und auf einem Buffet schön anrichtet, wird im Nebenraum schon das erste Mal die Brause angestellt.
„Anfangs hat man deutlich eine Hemmschwelle gespürt. Die Leute sind nur zögerlich zum Duschen gekommen“, sagt die Stadträtin und engagierte Siedlerin Andrea Schmidt, die in der Küche Kaffee kocht und Brötchen schmiert. Sandra Lussert vom Verein „Siedler-Sonnenblumen“ ergänzt: „Aber jetzt wird das Angebot schon richtig gut angenommen.“ Viele Besucher greifen auch gerne in den offenen Schrank, in dem Handtücher und Bettwäsche, Spielsachen und Kleidung zum Mitnehmen liegen.
Der „Wegweiser“ hat im Notwohngebiet in der Egerländer Straße für Aufbruchsstimmung gesorgt. Das seit Jahren leer stehenden Caféstüble ist zu einer Begegnungsstätte umgebaut worden – inklusive Dusche und Waschmaschine. 30 000 Euro hat die Stadt für den Umbau der seit acht Jahren leer stehenden Räume bereitgestellt, die durch einen Wasserschaden schwer gelitten hatten. Zahlreiche Sponsoren – Privatleute und Firmen – sorgten mit Spenden für eine adäquate Ausstattung von Küche und Gemeinschaftsbad. Letzteres steht prinzipiell allen „Notwohnern“ offen, vor allem aber natürlich denen, die selbst kein Warmwasser in ihren Wohnungen haben.
Neben einer Dusche gibt es im „Wegweiser“ jeden Mittwoch auch Kaffee, Brötchen, Kuchen – und Hilfe in schwierigen Lebenssituationen.
Denn der Name soll Programm sein: Die Siedler-Sonnenblumen, der Bürgerverein Siedlung und zahlreiche Ehrenamtliche, darunter die frühere Soziale-Stadt-Referentin Andrea Schmidt, wollen Wegweiser für die „Notwohner“ sein. Sie haben die Verantwortung für den Betrieb des Treffpunkts in der Kitzinger Problemzone übernommen.
Erich Zink kommt herein. Wechselgeld in der einen, eine Tüte Zucker in der anderen Hand. Der 51-Jährige, der im AWO-Wohnheim am Klettenberg wohnt, hat für den Kaffeenachmittag eingekauft. Er, der früher einmal Mönch werden wollte, dann aber krank wurde, hilft regelmäßig ehrenamtlich im Notwohngebiet. „Für die Leute am Rand der Gesellschaft ist es ein Segen, dass es das hier gibt“, sagt er mit freundlichem Lächeln.
„Ich war hier in der Hölle“
Jetzt füllt sich der Raum innen ebenso schnell wie die Sitzgarnituren draußen auf der Grünfläche vor dem Haus. Anwohner jeden Alters kommen vorbei. „Bei so schönem Wetter kann man im Freien einen Kaffee trinken“, sagt Philipp Sell, der seit einigen Jahren im Notwohngebiet lebt. Er parkt seinen Rollator an einem der Tische und im Nu ist eine angeregte Unterhaltung im Gang. Eine junge Frau fragt nach Andrea Schmidt, weil sie Hilfe beim Ausfüllen eines Formulars braucht.
Am Kuchenbuffet führen derweil Sandra Lussert und die 23-jährige Lenuta, die aus Rumänien stammt und erst noch richtig Deutsch lernen muss, ein Gespräch mit Händen und Füßen. Lenutas vier Monate alte Tochter Julia kräht fröhlich mit.