Freude auf friedliche Spiele

3 Min
Alexander und Vitali Klein freuen sich auf den Start der Fußball-Weltmeisterschaft. Die Brüder sind in den 90er-Jahren aus Kasachstan in den Landkreis Kitzingen gezogen.
Foto: Ralf Dieter
Russia Soccer WCup FIFA Congress
Um diesen Pokal geht es in den nächsten viereinhalb Wochen. Am 15. Juli werden die Fußballfans wissen, welche Mannschaft ihn in den Moskauer Himmel stemmen darf.
Russia Soccer WCup FIFA Congress
Pavel Golovkin (AP)

Deutsche aus Russland und die Fußball-Weltmeisterschaft: Die Brüder Alexander und Vitali Klein werden die meisten Spiele der 21. Fußball-WM gemeinsam verfolgen. Und dabei für unterschiedliche Länder die Daumen drücken.

Alexander und Vitali Klein stehen Arm in Arm auf dem Bolzplatz in der Kitzinger Siedlung und lachen. Der eine im russischen und der andere im deutschen Fußballtrikot. Die Brüder werden die meisten Spiele der 21. Fußball-Weltmeisterschaft gemeinsam verfolgen. Und dabei für unterschiedliche Länder die Daumen drücken.

Etwa 2500 Deutsche aus Russland leben im Landkreis Kitzingen. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber die Vorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland im Kreis Kitzingen, Albina Baumann, geht in etwa von dieser Zahl aus. Rund 100 Personen sind in der Landsmannschaft organisiert. Gemeinsam Fußball schauen werden sie nicht. Albina Baumann muss bei der Vorstellung lachen. „Von Fußball bin ich ganz weit entfernt“, sagt die Frau, die einst aus Kasachstan nach Volkach kam. Immerhin: Sie freut sich, dass die größte Sportveranstaltung der Welt in Russland stattfinden wird. „Die Russen werden gute Gastgeber sein“, ist sie überzeugt. Dennoch sollten manche Fans vorsichtig sein. Homosexuelle, die sich auf offener Straße küssen, sind beispielsweise nicht gerne gesehen. „Diesbezüglich ist Russland so weit wie Deutschland vor 30 Jahren“, sagt Baumann.

Viele Russlanddeutsche sind in den 90er Jahren von Kasachstan nach Deutschland gekommen. Die Familie Klein gehörte dazu. Vitali war damals sieben Jahre jung. Integrationsprobleme? Keine Spur. „Ich habe die Sprache von Anfang an gelernt“, sagt er. „Und ich hatte von Anfang an deutsche Freunde.“ Im Sport hat sich Vitali Klein engagiert – nicht nur als Spieler. Beim TSV Hohenfeld hat er beinahe alle verfügbaren Posten schon einmal belegt: Trainer, Fußball-Abteilungsleiter, Stadionsprecher, Jugendleiter, Vorsitzender. Vor etwas mehr als einem Jahr ging der Verein auf sein Betreiben hin eine Fusion mit Rot-Weiß Kitzingen ein. Seither spielen etliche Nationen unter einem Dach. Deutsche, Türken, Russen, Afrikaner, Iraker. „Es klappt prima“, freut sich Vitali Klein. Die teilweise großen Bedenken im Vorfeld sind verflogen.

„Die Russen werden gute Gastgeber sein. Sie sind top vorbereitet.“
Alexander Kuleschow, in Moskau geboren

Jetzt sitzen Mannschaft und Zuschauer nach den Spielen zusammen, feiern und tauschen sich aus. Auch sportlich hat das Experiment Erfolg gezeitigt: Die Mannschaft ist aufgestiegen. Und sie bietet dazu ein Beispiel für eine gelungene Integration. Wie die funktionieren kann, weiß der selbstständige Handelsvertreter aus eigener Anschauung. „Der Wille ist entscheidend“, sagt er. Alle Russlanddeutschen, die er kennt, hätten diesen Willen. „Sie haben beispielsweise alle einen Job“, sagt er. Sein Bruder Alexander ist Maschinenbautechniker, seine Schwester Viktoria Fachwirtin. „Jeder versteht die Sprache und viele engagieren sich in Vereinen oder Verbänden“, sagt Alexander Klein.

Alexander Kuleschow ist kein Fußballer. Und er ist auch in keinem Verein engagiert. Der 27-Jährige ist vor 23 Jahren mit seiner Mutter aus Moskau nach Lichtenfels und dann über Coburg nach Würzburg gezogen. Heute studiert er an der FH Wirtschaftsinformatik, steht kurz vor dem Master. Dass er ursprünglich aus Russland kommt, merken die Menschen erst, wenn sie nach seinem Namen fragen. Alexander spricht akzentfrei deutsch, seine Mutter hat direkt nach der Ankunft in Deutschland mit den Sprachkursen begonnen. Warum die Integration der Russlanddeutschen so gut geklappt hat? Alexander Kuleschow muss nicht lange überlegen. Die Mentalität sei ein Grund, der gleiche Glaube und die festen Familienstrukturen.

Vor drei Jahren ist Alexander Kuleschow das erste Mal wieder nach Moskau geflogen. Verwandte besuchen. Sein Eindruck: Zufriedene und entspannte Menschen. Der 27-Jährige geht auch deshalb fest davon aus, dass die Stimmung während der WM gut sein wird. „Die Russen werden gute Gastgeber sein“, versichert er. „Sie sind top vorbereitet.“ Die gleiche Ausgelassenheit und Stimmung wie bei der WM in Deutschland dürfe man allerdings nicht erwarten. „Die Deutschen sind halt eher eine Fußballnation als die Russen.“

Vitali und Alexander Klein können das nur bestätigen. Eishockey sei mindestens so wichtig wie Fußball, meint Alexander Klein, der den Gastgebern immerhin das Vorstoßen ins Achtelfinale zutraut. Ein frühes Ausscheiden wäre für Alexander Klein kein großes Problem. Scheitern die Russen früh, drückt er halt den Deutschen die Daumen. Und die sieht er – wie sein Bruder Vitali – im Finale. „Sie sind zwar nicht so stark wie vor vier Jahren“, meint der. „Aber wir wissen ja alle, dass sie sich im Laufe eines Turniers steigern können.“

Wie die meisten Russen aus Deutschland werden die Kleins die Spiele gemeinsam verfolgen, im Familienkreis. Albina Baumann, die Vorsitzende der Landsmannschaft, wird die nächsten vier Wochen dagegen fußballfrei angehen. Nur einmal will sie den Fernseher einschalten: Wenn sich Russland und Deutschland im Finale gegenüberstehen sollten.