Richard Mergner: Angst kann einen auch retten. Vor allem solche Firmen, die global nicht konkurrenzfähig sind, würden durch TTIP Arbeitsplätze verlieren – zum Beispiel eben kleine und mittelständische Unternehmen, ebenso wie fränkische Bauern und Winzer. Wer Umwelt- und Sozialstandards ebenso wie den Schutz öffentlicher Dienstleistungen im Bereich von Bildung, Kultur, Gesundheit oder Trinkwasserversorgung als Handelshemmnisse betrachtet, will das Gemeinwohl den Gewinninteressen opfern.
Welche Gefahren sehen Sie, falls geltende Standards in Sachen Umwelt- und Verbraucherschutz, Arbeit und Soziales als „Handelshemmnisse“ eingestuft und heruntergefahren werden?
Richard Mergner: Nehmen wir als Beispiel Futtermittelkonzerne, Chemie- und Gentechnik-Riesen wie BASF, Bayer, Monsanto und viele andere: Ihnen sind die bisherigen Beschränkungen in Deutschland ein Dorn im Auge. Und sie haben eine enorme Lobby. Beispiel Hormonfleisch oder genmanipulierte Lebensmittel: Diese dürfen in den USA ohne Bedenken und Informationen verkauft werden. Wenn diese nicht gekennzeichnet werden müsste, hätten die Produzenten doch einen absoluten Vorteil gegenüber Landwirten, die tierfreundlich und naturnah arbeiten und dadurch höhere Kosten haben.
Kurt Treumann: Nach Meinung des IHK-Außenwirtschaftsausschusses sollen die hohen Standards innerhalb der EU im Bereich Verbraucher- und Umweltschutz sowie die Sozialstandards gesichert werden. Doch die USA sind ja auch nicht Uganda! Teilweise haben die Amerikaner sogar höhere Standards als wir. Außerdem: Nur wenn es in der Wirtschaft gut läuft und Wohlstand herrscht, kann man sich auch effektiv um Umweltschutz kümmern.
Warum diskutieren die Politiker überhaupt hinter verschlossenen Türen? Das trägt sicher nicht dazu bei, die Skepsis der Bürger zu verringern.
Richard Mergner: Die Skepsis der Bürger ist sehr berechtigt. Angesichts der jüngsten Ereignisse – Steuerdiebstahl großer Konzerne, Kleidung, die unter erbärmlichsten Bedingungen produziert und dann Zehntausende Kilometer durch die Welt transportiert wird – ist es klar, dass sie den Heilsversprechen nicht mehr glauben. TTIP würde in nahezu alle Lebensbereiche eingreifen. Die geplanten nicht-staatlichen Schiedsgerichte würden es zudem ermöglichen, dass Unternehmer den Staat auf Schadenersatz verklagen könnten. Die Leute haben recht, wenn sie fordern, dass der Verhandlungsprozess und die Strategie dahinter offen gelegt werden müssen.
Kurt Treumann: Auch ich finde die Geheimniskrämerei nicht gut. Kein Wunder, dass so mancher gleich an NSA-Überwachung denkt. Natürlich ist die Thematik aber auch so komplex und fachspezifisch, dass es schwierig ist, sie den Menschen in wenigen Sätzen zu vermitteln. Trotzdem: Die Politik hätte mehr Flagge zeigen können.
Sollte TTIP scheitern, was passiert dann?
Richard Mergner: Dann ist das ein großer Erfolg für die Demokratie und das Mitbestimmungsrecht der Bürger. Es würde den Weg frei machen für die Diskussion um einen gerechteren, fairen Welthandel, der Umwelt- und Menschenrechte beachtet und den Schutz der Lebensgrundlagen vor Profitinteressen stellt.
Kurt Treumann: In Asien bildet sich gerade mit ASEAN eine riesige Allianz. Auch die Volksrepublik China wird wirtschaftlich immer stärker. Wenn TTIP scheitert, ist langfristig davon auszugehen, dass sich das bisherige ökonomische Gleichgewicht global immer mehr in Richtung Asien verschiebt – mit allen dazugehörenden Folgen. Dann geben uns die Asiaten beispielsweise die Standards vor. Nicht umgekehrt.
Freihandelsabkommen – warum und wofür?
Einladung:„Freihandelsabkommen
– Information & Diskussion“ lautet der Titel des Informations- und Diskussionsabends, zu dem der Kreisverband Kitzingen des Bund Naturschutzes am Mittwoch, 4. Februar, um 19.30 Uhr in die Alte Synagoge Kitzingen einlädt. Themen sind drei umstrittene Abkommen zur transatlantischen Handels-und Investitionsgemeinschaft der EU mit der amerikanischen und kanadischen Regierung: TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft), CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) und TiSA (Abkommen über Handel mit Dienstleistungen).
Referenten: Zu Wort kommen neben den Bürgern und Hauptredner Richard Mergner (Landesbeauftragter des Bund Naturschutzes Bayern) unter anderem Hermann Schmitt (Fränkischer Weinbauverband), Walter Haefeker (Deutscher Berufsimkerverband), Adolf Wolz (Einzelhandel, Schöningh-Buchhandlungen), Marietta Eder (SPD), Hans Plate (Bündnis 90/Grüne) und Alois Kraus (Obmann Bauernverband).