Es gibt einen Tatverdächtigen

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Mit Warnschildern wie diesem wird auf eine Drückjagd aufmerksam gemacht. Am letzten Donnerstag kam ein 78-jähriger Jäger im Revier Strehlhof bei Volkach ums Leben ...
Thomas Obermeier
Vermutlich war es ein Querschläger, der den 78-Jährigen auf seinem Hochsitz tödlich verwundete.
THOMAS OBERMEIER

Im Fall des toten Jägers im Revier Strehlhof bei Volkach gibt es erste Ermittlungsergebnisse. Im Netz kursieren derweile hämische Bemerkungen

Der Schock sitzt tief. Die Ermittlungen dauern an. Einen Tatverdächtigen gibt es bereits. Bis Ende der Woche rechnet die Polizei mit belastbaren Ergebnissen.

Donnerstagvormittag: Etwa zehn Jäger treffen sich zur verabredeten Zeit im Revier Strehlhof zur Drückjagd. Wildschweine sollen im Wald zwischen Volkach und Eichfeld geschossen werden. Die Jagd endet tragisch. Als ein 78-jähriger Mann nach dem Ende der Drückjagd nicht am Treffpunkt erscheint, machen sich die Kollegen auf die Suche und finden ihn zusammengesackt in einem Hochsitz. Der sofort alarmierte Rettungsdienst und Notarzt können nur noch den Tod des Jägers aus Würzburg feststellen.

„Wir ermitteln wegen fahrlässiger Tötung“, bestätigt Enrico Ball von der Pressestelle der Polizei Unterfranken auf Nachfrage. Alle beteiligten Jäger sind befragt, alle benutzten Waffen sichergestellt worden. „Eine Theorie gibt es schon“, sagt Ball. Vor einer abschließenden Einschätzung müssten allerdings die Gutachten abgewartet werden.

Wahrscheinliches Szenario

Grundsätzlich lasse sich jedes Geschoss einer bestimmten Waffe zuordnen, die Tatwaffe könne also auch in diesem Fall nachverfolgt werden. Aufgrund der bisherigen Aussagen der beteiligten Jäger gebe es allerdings schon jetzt ein wahrscheinliches Szenario.

Von einem „tragischen Unfall“ spricht Norbert R. Heinz, Bezirksvorsitzender des Bundes Bayerischer Jagdaufseher für Unterfranken. Drückjagden seien grundsätzlich sehr gut gesichert, betont er. Es gebe klare Vorgaben, die die Sicherheit aller Beteiligten gewährleisten sollen. Etwaige Spaziergänger oder Radfahrer werden durch Absperrungen eindringlich vor dem Betreten des bejagten Gebietes gewarnt. Alle Teilnehmer an der Jagd erhalten grundsätzlich vor Jagdbeginn vom Jagdleiter eine Belehrung über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen. Die Schützen werden dann von den sogenannten „Anstellern“ an ihre Stände gebracht und dort noch einmal genau in die örtlichen Gegebenheiten eingewiesen, in welche Bereiche sie schießen dürfen und in welche Gefahrenbereiche keinesfalls geschossen werden darf.

Natürlicher Kugelfang muss sein

Erst nachdem alle Schützen ihre Plätze eingenommen haben, startet das Treiben. Das Wild wird von den Treibern in Bewegung gebracht. „Die Stände dürfen dann von den Schützen während des gesamten Treibens keinesfalls verlassen werden“, betont Norbert R. Heinz. Ganz wichtig sei es auch, dass der Schütze bei jeder Schussabgabe darauf achtet, dass im Zielbereich ein natürlicher Kugelfang gegeben ist. „Das ist grundsätzlich nur der natürlich gewachsene Boden“, erklärt Norbert R. Heinz und ergänzt: „Auf den Horizont zu schießen verbietet sich von selbst.“

Dennoch: Der 78-Jährige ist ein paar Meter über dem Waldboden getroffen worden. „Das war ein ziemlich geräumiger Hochsitz“, berichtet Moritz Hornung von der Volkacher Feuerwehr. Seine Kameraden mussten den Toten im Wald bergen und dafür die in Volkach stationierte Teleskoprettungsbühne einsetzen. „Der Mann saß in einer Höhe von etwa fünf Metern“, so Hornung. Wie er dort oben von einem tödlichen Geschoss überrascht werden konnte, ist die entscheidende Frage für die Ermittler.

Querschläger könnten nie zu 100 Prozent ausgeschlossen werden, gibt Norbert R. Heinz zu bedenken. Das Geschoss könne beispielsweise auf einen Stein treffen. Spekulationen würden sich derzeit allerdings verbieten. „Jetzt sollten unbedingt die Ermittlungsergebnisse abgewartet werden.“

Sicherheitsvorschriften

Auch der Bayerische Jagdverband will zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellungnahme zu dem Volkacher Fall abgeben. „Uns liegen keine Informationen über den Unfallhergang vor“, erklärt Pressesprecherin Isabel Koch. Sie betont, dass die Sicherheit bei der Planung, Organisation und Durchführung einer Drückjagd oberste Priorität habe. Unter anderem müsse dabei ein Sicherheitskonzept erstellt und kontrolliert werden. Dazu zählen die sorgfältige Auswahl und Abgrenzung des Jagdgebietes und der Schützenstände sowie die Auswahl der Schützen. Die erhalten vor der Jagd noch einmal eine Sicherheitsbelehrung und werden dabei über Beginn und Ende der Jagd informiert – sowie über mögliche Gefahrenbereiche. Die sicherheitsrelevante Ausrüstung wie Warnweste, Hut- und Halsband sowie der gültige Jagdschein müssen kontrolliert werden.

Hobbyjagd: PETA fordert Verbot

Andreas Grindel ist sich sicher, dass all diese Sicherheitsvorschriften eingehalten wurden. Der Vorsitzende der Hegegemeinschaft 5, innerhalb deren Grenzen das Unglück geschah, war zwar nicht selbst vor Ort, hat aber schon einige Jagden miterlebt. „Dass so etwas passiert, ist mehr als unwahrscheinlich“, sagt er. „Da kam eine ganze Kaskade von Zufällen zusammen.“

Während die Trauer bei den Jägern groß ist, kursieren in den so genannten sozialen Medien zum Teil hämische Bemerkungen. Von „Selbst schuld“ über „Jetzt weiß er, wie sich die Tiere fühlen“ bis hin zu „Ich habe kein Mitleid“ reichen die Kommentare.

Die Tierrechtsorganisation „PETA“ fordert angesichts des Volkacher Tragödie von der Bundesregierung ein Verbot der Hobbyjagd in Deutschland. Jedes Jahr würden Hobbyjäger Hunderttausenden Tieren erhebliches Leid durch Fehlschüsse zufügen und mehrere Dutzend Menschen töten oder verletzen, behauptet die Organisation in einer Pressemitteilung. Insbesondere Treib- und Drückjagden sollten in einem ersten Schritt sofort verboten werden, weil die flüchtenden Tiere oft nur angeschossen würden und häufig Menschen zu Schaden kämen.

Eine Aussage, die sich mit Zahlen nicht verifizieren lässt. Wie der Deutsche Jagdverband mitteilt, werden genaue Zahlen vom Bundeskriminalamt nicht veröffentlicht. Jagdunfälle sind nach Angaben der Pressesprecherin Isabel Koch in Deutschland höchst selten. Das Jahr 2022 begann jedenfalls mit einer Tragödie. Im Revier Strehlhof bei Volkach ist ein 78-jähriger Mann bei einer Drückjagd ums Leben gekommen – trotz aller Sicherheitsvorkehrungen.