Wörter im Buchstabensalat entdecken. Die 86 inmitten vieler winziger Zahlen finden. So schnell wie möglich auf einen kleinen blinkenden Punkt auf dem Bildschirm klicken. Was aussieht wie ein Zeitvertreib, ist für Anton Müller (Name geändert) weit mehr. Nach einem Schlaganfall ist sein Gesichtsfeld eingeschränkt. Er kann nicht sehen, was sich rechts befindet – obwohl seine Augen völlig gesund sind. Die Übungen helfen ihm, diesen Ausfall zu kompensieren.
„Man sieht in diesen Bereichen einfach gar nichts. So wie man nicht sehen kann, was hinter dem eigenen Kopf passiert.“ Katja Schmitt, Neurologischen Sehberatung
Hätte jemand Anton Müller vor einem Jahr gefragt, was eine homonyme Hemianopsie ist, er hätte verständnislos den Kopf geschüttelt. Kaum jemand kennt den Fachbegriff. Kaum einer kann sich etwas unter einem eingeschränkten Gesichtsfeld vorstellen. Kaum einer denkt, dass es ihn mal treffen könnte. Auch der Mann aus dem Landkreis Kitzingen nicht.
Neurologische Sehstörung: Was kann man dagegen tun?
Anton ist Anfang 40. Völlig gesund, schlank, keine Diabetes, kein Bluthochdruck. Kein Zeichen dafür, dass er einen Schlaganfall bekommen könnte. „Es ist einfach passiert“, sagt er über jenen verhängnisvollen Tag im Spätsommer 2019. Dass er ein Loch im Herzen hatte, durch das sich ein Gerinsel den Weg in den Kopf bahnte, wusste er nicht. „Ich war dagesessen und plötzlich war meine komplette rechte Seite gelähmt.“ Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Sprachverlust. „Ich konnte nur noch lallen.“ All das spürte er gleich. Dass auch mit dem Sehen etwas nicht mehr stimmte, wurde ihm erst im Krankenhaus bewusst.
Der Patient hatte Glück im Unglück: „Die Sprache und alles andere war nach einem Tag wieder zurück“, erzählt er. „Aber das Sehen nicht.“ Und während das Loch im Herzen noch Ende letzten Jahres bei einer Operation geflickt werden konnte, fehlt ein Dreivierteljahr nach dem Schlaganfall auch heute noch bei beiden Augen ein Teil des rechten Gesichtsfeldes. Das Gehirn kann die Informationen, die aus diesem Bereich kommen, nicht mehr verarbeiten.
Das Gesichtsfeld ist das, was man sieht, wenn man den Kopf gerade hält und einen Punkt fixiert. Es umfasst etwa 180 Grad. Ist dieser Bereich eingeschränkt, kann man einen Teil des Sehfeldes nicht erkennen. In der Regel sind beide Augen betroffen – in unterschiedlichen oder im gleichen Bereich. Wie bei Anton Müller, der mit beiden Augen rechts nichts erkennt, wofür das Wort homonym steht. „Man sieht in diesen Bereichen nicht schwarz“, erklärt Katja Schmitt von der neurologischen Sehberatung des Blindeninstituts Würzburg. „Man sieht in diesen Bereichen einfach gar nichts. So wie man nicht sehen kann, was hinter dem eigenen Kopf passiert.“
Blindeninstitut Würzburg: Vorreiter für Behandlung von Gesichtsfeldausfällen
Gesichtsfeldausfälle sind eine häufige Folge von Hirnschädigungen durch Schlaganfälle, Tumore oder Schädel-Hirn-Traumata nach Unfällen. 20 bis 50 Prozent der Patienten mit Hirnschädigung leiden unter Sehstörungen, darunter 77 Prozent unter Gesichtsfeldausfällen.