Von Wind bis Wasserstoff: Kitzinger Unternehmer nimmt Politiker in die Pflicht.

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Sonne und Wind sind natürliche Energiequellen, mit deren Hilfe die Energiewende gelingen soll. Unser Bild von Windrädern im Sonnenuntergang entstand am Schwanberg oberhalb von Iphofen mit seinem ...
Foto: DIANA FUCHS
Sonne und Wind sind natürliche Energiequellen, mit deren Hilfe die Energiewende gelingen soll. Unser Bild von Windrädern im Sonnenuntergang entstand am Schwanberg oberhalb von Iphofen mit seinem ...
Diana Fuchs
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Lothar Pfeuffer war einer der Moderatoren der Online-Tagung.
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Foto: Knöchel
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Lothar Pfeuffer war einer der Moderatoren der Online-Tagung.
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Foto: Pfeuffer

Vorschlag: Statt Verbote auszusprechen, solle man den Markt „geschickt als Steuerungsgröße einsetzen“.

Sonne? Wind? Wasserstoff? Womit gelingt die nötige Energiewende in Franken, in Deutschland und auf der ganzen Welt? Um diese großen Fragen ging es zwei Tage lang bei einer Online-Konferenz. Das Treffen von Wissenschaftlern, Politikern, Verbands- und Vereinsvertretern mit Privatleuten hatte der Kitzinger Unternehmer Lothar Pfeuffer gemeinsam mit Manfred Röder (Agendagruppe Schweinfurt) im Namen der „Arbeitsgemeinschaft Bayerischer und Österreichischer Solarinitiativen“ (ABSI) organisiert. Dabei ging es längst nicht nur um Sonnenenergie, sondern um alle Prozesse umweltschonender Energiegewinnung. Pfeuffer erklärt nun, was effizient ist – und was Unsinn. Und was Popcorn mit all dem zu tun hat.

„Regenerative Energie ist auf der Erde im Überfluss vorhanden“, betonte Prof. Johannes Paulus, Dekan der Fachhochschule Würzburg–Schweinfurt. Wo sehen Sie die Knackpunkte?

Pfeuffer: Wir haben in Deutschland noch eine große Lücke zwischen erneuerbarer Produktion und Verbrauch. In der Stromerzeugung haben wir bereits 50 Prozent erneuerbare Energie. Aber im Primärenergieverbrauch sind es nur 18 Prozent, wenn man Wärme und Transport mitrechnet. Da liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Durch die Klimaänderung bleibt immer weniger Zeit. Ein Knackpunkt ist die Akzeptanz.

Wie meinen Sie das?

Die Energiewende lässt sich dezentral sehr gut organisieren. Wir brauchen keine großen zentralen „Sonnenkraftwerke“. Und wie auch bei der Ernährung muss das Land die Stadt mitversorgen. Ein weiterer Knackpunkt liegt im komplexen Recht in Deutschland. Das erschwert den Ausbau durch Abgaben und Ausschreibungen.

Was ist mit anderen „Regenerativen“, etwa der Windenergie-Nutzung? Ist die bei uns in Franken ausgereizt oder, salopp gefragt, geht da noch was?

Die regionalen Betreiber von Windkraftanlagen, etwa die ÜZ Lülsfeld oder das Stadtwerk Haßfurt, sprechen vom Rückgrat ihrer Energieproduktion. Nachts scheint eben keine Sonne. Da liefert der Wind einen wertvollen Beitrag. Staatsminister Thorsten Glauber hat darauf hingewiesen, dass die 10H-Regel – also dass der Abstand zur nächsten Bebauung das Zehnfache der Windrad-Höhe betragen soll – kein Muss ist; die Abstände können unterschritten werden. Es muss in Sachen Windenergie sogar noch viel mehr gehen, auch bei uns.

Wie wäre das zu schaffen?

Wichtig sind hier genossenschaftliche Strukturen und die Einbeziehung der Anlieger. Das schafft deutlich mehr Akzeptanz als Großprojekte von Finanzinvestoren. Auch der Artenschutz muss eingebunden werden.

Welches Potenzial hat Wasserstoff, zum Beispiel als Speichermedium?

Als Speichermedium für elektrische Energie hat Wasserstoff unbestritten eine große Zukunft. Die intelligente Nutzung muss natürlich vor der Umwandlung in Wasserstoff erfolgen. Umwandeln und speichern ist immer mit Verlusten verbunden.

Was ist mit Wasserstoff als Fahrzeugantrieb?

Im Fahrzeugantrieb waren sich die Referenten nicht so einig. Während die Referenten aus Schweinfurt noch immer auf eine Zukunft im Pkw-Bereich hoffen, hat Professor Doppelbauer vom Elektrotechnischen Institut Karlsruhe diese sehr klar und deutlich als Unsinn bezeichnet. Die hohe Effizienz und das Entwicklungspotenzial bei Batterien und E-Motoren lassen im Pkw die vergleichsweise aufwendige und ineffiziente Speichertechnik mit Wasserstoff schlecht aussehen.

Geht E-Mobilität nun „durch die Decke“?

Wir haben den sogenannten „tipping point“ der Technologie Elektroauto erreicht. Das ist wie beim Popcorn machen, wenn es anfängt, stark zu ploppen. Mit etwa 15 Prozent Marktanteil in Deutschland im Dezember 2020 befinden wir uns an diesem Punkt. Norwegen und die Niederlande liegen bereits weit darüber. In Deutschland sprechen die Verdoppelung des Umweltbonus', der Steuervorteil für Dienstwagen, Zuschüsse bei der Lade-Infrastruktur und eine Fülle attraktiver neuer Modellen immer mehr Verbraucher an. Professor Doppelbauer prognostiziert die Verdoppelung der Ladungsdichte und Batterien-Reichweiten sowie eine Kosten-Halbierung.

Wie lautet die aktuelle Kostenrechnung?

Rechnet man alle Kosten eines Autos zusammen, vom Kaufpreis über sämtliche Betriebs- und Wartungskosten bis zum Wertverlust, schneiden E-Autos immer häufiger besser ab als Verbrenner. Das sagt sogar der ADAC und das ist auch das Ergebnis einer aktuellen Vollkosten-Berechnung von nahezu allen auf dem deutschen Markt erhältlichen Elektroautos, Plug-in-Hybriden und Benzinern sowie Dieseln vergleichbarer Motorleistung und ähnlicher Ausstattung.

Wenn mehr E-Autos unterwegs sind, wird der Strombedarf größer. Professor Doppelbauer hat die Umwandlung von Braunkohle-Tagebaustätten in Solarfelder erwogen. Was sagen Sie dazu?

Er hat dies provokant als These vorgestellt, um zu zeigen, dass die dort brachliegenden Flächen bei vollständiger Bestückung mit Photovoltaik etwa 580 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr erwirtschaften könnten. Das bedeutet: Der gesamte Strombedarf von 512 Milliarden KW/h – so viel wurde 2019 in Deutschland verbraucht – inklusive des Strombedarfs für 47 Millionen Pkw ließe sich kostengünstig über regenerativ erzeugten Strom aus Deutschland decken. Doppelbauer erteilt damit allen eine Absage, die die Zukunft in afrikanischem oder australischem Wasserstoff sehen, der mit deutschem PV-Strom niemals kostenmäßig konkurrieren kann.

Laut Doppelbauer hat sich die Batterietechnik enorm weiterentwickelt. Batterien würden immer umweltverträglicher, sagt er. Gibt es einen Haken?

Ich persönlich sehe in der Batterietechnik keinen Haken, sondern große Chancen. Chancen, die allerdings in Europa in der Vergangenheit vernachlässigt wurden. Es fließt gerade viel Geld in die Forschung und Entwicklung neuer Batterietechnologie. Eine der größten Chancen liegt darin, dass durch hohe Umweltstandards diese Technologie gleich von Anfang an auf Umweltverträglichkeit und Kreisläufe ausgerichtet werden kann.

Hans-Josef Fell, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und langjähriger Klima-Aktivist, hat sein Energie-autarkes Haus gezeigt. Wohnen und leben zu 100 Prozent mit regenerativen Energien – ist das nur für Reiche möglich?

Fell hat skizziert, dass er für sein Wohnhaus in Hammelburg und zwei Elektroautos bisher 2000 Euro Stromkosten und 2000 Euro für Pflanzenöl ausgegeben hat. Künftig rechnet er mit 1250 Euro für Pflanzenöl und 0 Euro für Strom. Mit einer jährlichen Ersparnis von 2750 Euro wird er die Investition in 13 Jahren amortisiert haben. Er sagt, jeder kann es machen. Man sieht daran, dass es intelligenter Lösungen bedarf, die den Energiebedarf ganzheitlich betrachten. Auf Basis niedriger Zinsen ist das ein Aufruf an alle, sich von der Regulierung im Energiebereich zu verabschieden. Autarkie ist selbst im Eigenheimbereich machbar und bereits heute auf lange Sicht wirtschaftlicher.

Welche bürokratischen Hürden müssen fallen, um die Energiewende wirklich gut zu schaffen?

Das hat Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht erklärt. Die Energiewende muss vom Ende her gedacht werden, statt an einer Vielzahl von Regulierungen und Gesetzen herumzuschustern. Das neue Ziel der Politik, die Treibhausgasneutralität, die sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, dem deutschen und bayerischen Klimaschutzgesetz ergibt, muss konkretisiert werden. Es fehlt der große Wurf, das Ziel „Klimaneutralität“ in kürzester Zeit zu erreichen.

Was wäre für den „großen Wurf“ nötig?

Aktuell sind die europäischen Ziele ambitionierter als die deutschen Ziele. Letztere müssen nachgeschärft werden. Die einzelnen Energiegesetze müssen an diesem höheren Ziel ausgerichtet werden. Das ist noch ein gigantischer Kraftakt. Aktuell sind wir verloren im Klein-Klein und gefangen in der Regelungskomplexität. Die Politik kann nicht durch Verbote eingreifen, sondern muss den Markt als Steuerungsgröße geschickt einsetzen.

ZUR PERSON: Lothar Pfeuffer ist Geschäftsführer der Kitzinger Firma Pfeuffer, die Produkte für die Qualitätskontrolle der getreide- & saatverarbeitenden Industrie herstellt. Zur Philosophie des Unternehmens gehören Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Privat ist Lothar Pfeuffer einer der E-Auto-Pioniere in Franken. Er hat die ABSI-Tagung mit moderiert.

ALLE INFOS: www.solarinitiativen.de