Geht E-Mobilität nun „durch die Decke“? Wir haben den sogenannten „tipping point“ der Technologie Elektroauto erreicht. Das ist wie beim Popcorn machen, wenn es anfängt, stark zu ploppen. Mit etwa 15 Prozent Marktanteil in Deutschland im Dezember 2020 befinden wir uns an diesem Punkt. Norwegen und die Niederlande liegen bereits weit darüber. In Deutschland sprechen die Verdoppelung des Umweltbonus', der Steuervorteil für Dienstwagen, Zuschüsse bei der Lade-Infrastruktur und eine Fülle attraktiver neuer Modellen immer mehr Verbraucher an. Professor Doppelbauer prognostiziert die Verdoppelung der Ladungsdichte und Batterien-Reichweiten sowie eine Kosten-Halbierung.
Wie lautet die aktuelle Kostenrechnung? Rechnet man alle Kosten eines Autos zusammen, vom Kaufpreis über sämtliche Betriebs- und Wartungskosten bis zum Wertverlust, schneiden E-Autos immer häufiger besser ab als Verbrenner. Das sagt sogar der ADAC und das ist auch das Ergebnis einer aktuellen Vollkosten-Berechnung von nahezu allen auf dem deutschen Markt erhältlichen Elektroautos, Plug-in-Hybriden und Benzinern sowie Dieseln vergleichbarer Motorleistung und ähnlicher Ausstattung.
Wenn mehr E-Autos unterwegs sind, wird der Strombedarf größer. Professor Doppelbauer hat die Umwandlung von Braunkohle-Tagebaustätten in Solarfelder erwogen. Was sagen Sie dazu? Er hat dies provokant als These vorgestellt, um zu zeigen, dass die dort brachliegenden Flächen bei vollständiger Bestückung mit Photovoltaik etwa 580 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr erwirtschaften könnten. Das bedeutet: Der gesamte Strombedarf von 512 Milliarden KW/h – so viel wurde 2019 in Deutschland verbraucht – inklusive des Strombedarfs für 47 Millionen Pkw ließe sich kostengünstig über regenerativ erzeugten Strom aus Deutschland decken. Doppelbauer erteilt damit allen eine Absage, die die Zukunft in afrikanischem oder australischem Wasserstoff sehen, der mit deutschem PV-Strom niemals kostenmäßig konkurrieren kann.
Laut Doppelbauer hat sich die Batterietechnik enorm weiterentwickelt. Batterien würden immer umweltverträglicher, sagt er. Gibt es einen Haken? Ich persönlich sehe in der Batterietechnik keinen Haken, sondern große Chancen. Chancen, die allerdings in Europa in der Vergangenheit vernachlässigt wurden. Es fließt gerade viel Geld in die Forschung und Entwicklung neuer Batterietechnologie. Eine der größten Chancen liegt darin, dass durch hohe Umweltstandards diese Technologie gleich von Anfang an auf Umweltverträglichkeit und Kreisläufe ausgerichtet werden kann.
Hans-Josef Fell, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und langjähriger Klima-Aktivist, hat sein Energie-autarkes Haus gezeigt. Wohnen und leben zu 100 Prozent mit regenerativen Energien – ist das nur für Reiche möglich? Fell hat skizziert, dass er für sein Wohnhaus in Hammelburg und zwei Elektroautos bisher 2000 Euro Stromkosten und 2000 Euro für Pflanzenöl ausgegeben hat. Künftig rechnet er mit 1250 Euro für Pflanzenöl und 0 Euro für Strom. Mit einer jährlichen Ersparnis von 2750 Euro wird er die Investition in 13 Jahren amortisiert haben. Er sagt, jeder kann es machen. Man sieht daran, dass es intelligenter Lösungen bedarf, die den Energiebedarf ganzheitlich betrachten. Auf Basis niedriger Zinsen ist das ein Aufruf an alle, sich von der Regulierung im Energiebereich zu verabschieden. Autarkie ist selbst im Eigenheimbereich machbar und bereits heute auf lange Sicht wirtschaftlicher.
Welche bürokratischen Hürden müssen fallen, um die Energiewende wirklich gut zu schaffen? Das hat Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht erklärt. Die Energiewende muss vom Ende her gedacht werden, statt an einer Vielzahl von Regulierungen und Gesetzen herumzuschustern. Das neue Ziel der Politik, die Treibhausgasneutralität, die sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, dem deutschen und bayerischen Klimaschutzgesetz ergibt, muss konkretisiert werden. Es fehlt der große Wurf, das Ziel „Klimaneutralität“ in kürzester Zeit zu erreichen.
Was wäre für den „großen Wurf“ nötig? Aktuell sind die europäischen Ziele ambitionierter als die deutschen Ziele. Letztere müssen nachgeschärft werden. Die einzelnen Energiegesetze müssen an diesem höheren Ziel ausgerichtet werden. Das ist noch ein gigantischer Kraftakt. Aktuell sind wir verloren im Klein-Klein und gefangen in der Regelungskomplexität. Die Politik kann nicht durch Verbote eingreifen, sondern muss den Markt als Steuerungsgröße geschickt einsetzen.
ZUR PERSON: Lothar Pfeuffer ist Geschäftsführer der Kitzinger Firma Pfeuffer, die Produkte für die Qualitätskontrolle der getreide- & saatverarbeitenden Industrie herstellt. Zur Philosophie des Unternehmens gehören Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Privat ist Lothar Pfeuffer einer der E-Auto-Pioniere in Franken. Er hat die ABSI-Tagung mit moderiert.
ALLE INFOS: www.solarinitiativen.de