Dies versteht auch Ingrid Reifenscheid-Eckert als Sieg. Die Bürgermeisterin von Willanzheim hatte, wie ihr Seinsheimer Kollege Heinz Dorsch, erst im Zuge einer Versammlung von Albrecht Hack von den Schließungsplänen erfahren. „Auf so eine Entscheidung haben wir wenig Einfluss“, erklärt die Bürgermeisterin. Man habe sich aber sehr für den Erhalt des Hüttenheimer Automaten eingesetzt. Immerhin das habe man geschafft.
Er habe zwar kein Verständnis für die Entscheidung der Bank, erklärt Heinz Dorsch. „Verstehen kann ich es aber trotzdem.“ Die Banken litten in Zeiten der Niedrigzinsen unter enormem Kostendruck. Insofern müsse man die Entwicklung andersherum sehen: Bisher sei es ein besonderer Service gewesen, dass man auch in kleinen Dörfern wie Tiefenstockheim seine Bankgeschäfte erledigen konnte. „Es wäre schön, wenn die Entwicklung anders wäre – aber nun müssen wir damit leben.“
Diese Einstellung würden auch die meisten Einwohner teilen, versichern die beiden Bürgermeister. „Viele finden es schade, aber können die Gründe nachvollziehen.“ Laut Bankvorstand Albrecht Hack hätten sich nur vereinzelt Kritiker gemeldet. Aber auch die hätten in einem Gespräch von den Notwendigkeiten überzeugt werden können. Außerdem seien ja nicht nur Schließungen geplant. Durch die Konzentration der Leistungen könnten unter anderem längere Öffnungszeiten eingerichtet werden. „Vielleicht gibt es jetzt sogar mehr Service“, meint Hack.
Ob und inwieweit dieser Service tatsächlich von Jedem genutzt werden kann, bleibt abzuwarten. Bürgermeister Dorsch verweist auf den Bürgerbus, den man vor drei Jahren eingeführt habe, um auch älteren Menschen ohne eigenes Auto Mobilität zu ermöglichen. Diese Maßnahme wird mit der Filialschließung noch einmal wichtiger. Bankvorstand Albrecht Hack vermutet derweil, dass bei vielen älteren Menschen die Kinder oder Enkel die Bankgeschäfte übernehmen werden.
„Die haben dafür Verständnis“, gibt er sich zuversichtlich.
„Wir mussten ja etwas tun“, betont Hack. Neben den Niedrigzinsen würden vor allem die neuen Regularien das Bankgeschäft belasten. „Das erzeugt einen riesigen bürokratischen Aufwand.“ Der Banker empfindet das als ungerecht. Schuld an den Krisen der letzten Jahren seien die großen Investmentbanken gewesen. Die verschärften Regularien gelten hingegen für alle Banken. Aber besonders die kleineren Geldhäuser litten darunter. „Die Politik sollte uns, die lokalen Banken, unterstützen. Schließlich fördern wir die Unternehmen und Menschen vor Ort.“
Vertrauen bleibt wichtig
Marianne Zeißner wird diese Menschen vor Ort vermissen. Obwohl sie hofft, dass sie die Meisten an ihrem neuen Arbeitsplatz in Obernbreit wiedersehen wird. „Bei uns gibt es noch eine ganz enge Kundenbindung.
“ Die Kunden wollten nicht zu Unbekannten, sie wollten die Gesichter hinter den Schaltern kennen. „Ich habe hier Kunden, die schon vor Jahrzehnten als Kinder ihr Sparkonto bei uns hatten“, erzählt Zeißner. „Die waren in ihrem ganzen Leben bei keiner anderen Bank.“ Selbst junge Menschen würden noch gerne direkt zu ihr kommen – trotz Onlinebanking.
Auch als die Finanzkrise dem Ansehen der Bankbranche erheblich geschadet hat und viele Menschen über „diese Banker“ geschimpft haben, sei der direkte Kontakt vor Ort noch sehr gut gewesen. „Das Vertrauen ist da sehr wichtig“, meint Zeißner. Um sich auch in Zukunft vom Banker ihres Vertrauens beraten zu lassen, müssen die Menschen aus Tiefenstockheim, Seinsheim, Herrnsheim und Hüttenheim ab sofort einen weiteren Weg auf sich nehmen.
Kommentar
Banker schaffen sich ab
Von unserem Redaktionsmitglied
Robert Wagner
Geschichte wiederholt sich. Denken wir ein paar Jahre zurück. An jene Zeit, als es in ganz Europa noch unterschiedliche Währungen gab und Schecks reguläres Zahlungsmittel und keine Marketingstrategie waren („Schexs in the City“). Damals haben in Banken noch richtige viele Menschen gearbeitet. Zu denen ging man, wenn man Geld überweisen, umbuchen oder abheben wollte. Banken hatten damals ein Gesicht.
Doch dann kam die Zeit der Automaten. Sie wurden eingeführt als zusätzlicher Service, als Entlastung für die Mitarbeiter und Kunden. Ein Ersatz für teure Arbeitskräfte? Nein, nein, ganz sicher nicht. Aber es dauerte nicht lange und die Banken bauten doch Personal ab.
Warum? Naja, es gebe eben einen Trend, dass die Menschen ihre Bankgeschäfte lieber am Automaten ausübten, sagten die Bankenvorstände.
Heute spielt sich Ähnliches ab. Da werden immer mehr Bankfilialen geschlossen. Die Kosten seien zu hoch. Die Verwaltung zu aufwendig. Gleichzeitig wird Geld in den Ausbau der digitalen Infrastruktur gesteckt. Nun raten Sie einmal, was passiert, wenn die Menschen immer weiter bis zur nächsten Bankfiliale fahren müssen und gleichzeitig die Möglichkeiten des Onlinebankings ausgebaut werden? Sie werden es nicht glauben: Onlinebanking wird noch mehr genutzt.
Die Banken verkaufen diese Entwicklung als allgemeinen Trend, als seien sie es nicht selbst, die diesen Trend erst erzeugten. Von Sachzwängen ist dann die Rede: Ja, nun, wenn immer mehr Menschen online ihre Bankgeschäfte abwickeln, dann müssen wir eben noch mehr Filialen schließen, sagen sie dann.
Was natürlich dazu führt, dass noch weniger Menschen den weiten Weg zur Bank in Kauf nehmen. Und so weiter und so fort. Bis wann? Bis auch die lokalen Genossenschaftsbanken und Sparkassen nur noch irgendwo, in 50 Kilometern Entfernung, ein Büro haben, in dem dann ein Angestellter sitzt.
Banken wird es auch in Zukunft geben. Vielleicht werden sie dann sogar wieder (noch) mehr Gewinne machen als heute. Einen wird man in Zukunft wohl aber nur noch selten zu Gesicht kriegen: den Banker – einen echten Menschen mit Gesicht und Stimme. Denn der Banker, der schafft sich selbst ab.
Genau, Herr Wagner, damit haben Sie vollkommen recht. Ich sehe das ganz genau so wie Sie. Aber was machen diejenigen, welche nicht die Möglichkeit, das Wissen ect. haben, Onlinebanking zu nutzen? => die sind allein gelassen mit Ihrem Problem....