Elende Entzugserscheinungen

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Riechen statt schmecken: Wenn Ralf Dieter an der Kaffeemaschine vorbeigeht, schnuppert er wehmütig am Pulver-Pad.
Foto: Diana Fuchs
Kinder schieben an den Tellerrand, was sie nicht mögen. Daniela Röllinger schiebt beiseite, was sie zwar ziemlich lecker findet, aber aufgrund des Fleisch-Fastens nicht essen soll – und ...
Foto: Daniela Röllinger
Aus dem Hahn statt aus der Flasche: Diana Fuchs hat entdeckt, dass Leitungswasser so manches „Plastikflaschenwässerchen“ in vielerlei Hinsicht übertrumpft.
Foto: J. FUCHS

Fastenaktion der Redaktion: Ralf Dieter spielt den blendend Gelaunten - Nina Grötsch verkriecht sich im Indianerzelt

Kitzingen

So langsam kommt die Ziellinie in Sichtweite. Manche freuen sich, wieder sündigen zu können, andere überlegen, ob sie die Zeit der Entbehrungen freiwillig verlängern.

Nina Grötsch

(steht täglich um 6 Uhr auf): Jetzt hat man mir also auch noch das letzte Stück Hoffnung genommen. Stockdunkel ist es wieder, wenn mich mein Wecker um 6 Uhr aus meinen tiefsten Träumen reißt. Ich schlüpfe in meinen wärmsten Pulli, der mir wenigstens ein bisschen das Gefühlt gibt, noch unter meiner Bettdecke zu liegen, und tappe schlaftrunken in die Küche. So leise wie zu der Uhrzeit ist es sonst nie unserem Haus. Irgendwie unheimlich. Dazu fühlt sich der Tag auch noch so kalt an. Die Gesamtsituation gefällt mir nicht. Ich entscheide mich für leise Aufgaben, da das Klappern der Spülmaschine oder das Brüllen des Staubsaugers mir „mitten in der Nacht“ falsch vorkommen. Eigentlich heißt es ja, man gewöhnt sich an alles. Daran glaube ich längst nicht mehr. Gleich zweimal bin ich diese Woche schwach geworden. Einmal habe ich mir einen 10 Minuten Timer gegönnt, das zweite Mal hat mich auf dem Weg nach unten die offen stehende Tür des Kinderzimmers meines Sohns angelacht. „Komm rein“, hat sie geflüstert… und das leer stehende Indianer-Tipi-Bett verführerisch gelächelt. So zumindest habe ich die verwühlten Kissen und Decken interpretiert, die mein Sohn irgendwann in der Nacht zurückgelassen hat, um zu uns ins große Bett zu wandern. Ich konnte nicht anders. Eine halbe Stunde habe ich gesündigt – und es war ein Traum. Seit diesem Tag laufe ich immer extra schnell an Henrys Zimmer vorbei. Der Dunkelheit entgegen

... Erfolg:

ausgebremst durch Zeitumstellung

Laune:

war schon besser

Ralf Dieter

(Fast-alles-Faster, Sportsmann): Es läuft wie am Schnürchen. Obwohl die Verlockungen nur so am Wegesrand liegen. Komisch, dass die meisten Geburtstage mitten in der Fastenzeit liegen. Kuchen und Süßigkeiten an beinahe jedem zweiten Tag. Um mich herum höre ich freudiges Schlabbern und eifriges Knabbern, während ich die Aufforderungen, Teil des Festgelages zu werden, eiskalt ignoriere. Ich gebe dem Süßen einfach Saures. Überhaupt kein Problem. Schon überlege ich, das Projekt um ein paar Wochen, Monate oder Jahre zu verlängern. Oder gar in alle Ewigkeit? Schwieriger fällt mir da der Kaffeeverzicht, auch wenn mein Körper mir in den letzten Tagen schwache Signale sendet, dass er auch ohne die täglichen Koffeinrationen auskommen kann. Die paar Tage bis zum Ostersonntag krieg' ich locker gebacken.

Erfolg:

gigantisch

Laune:

blendend

Daniela Röllinger

(Fleisch- und Cappuccino-Fasterin): Auch wenn es mir schwer fällt, muss ich sagen: Hut ab vor dem Kollegen. Ohne Kaffee würde ich es wahrscheinlich weit schwerer aushalten als er. Aufgrund des Cappuccino-Fastens starte ich zwar nun seit vier Wochen mit einem Tee in den Tag, aber später koche ich mir dann doch ein Tässchen Kaffee und trinke ihn schwarz. Man gewöhnt sich dran. Am Montag aber war irgendwie alles hektisch, da habe ich den Kaffee tatsächlich vergessen. Und mich darüber gewundert, dass ich im Lauf des Tages immer mehr Kopfschmerzen bekam. Eine Tablette hat nicht geholfen und auch die Gläschen Sekt am Abend bei einer Geburtstagsfeier nicht. Am nächsten Tag hat der Schädel immer noch gebrummt. Das ging erst weg, als ich am Dienstag einen Kaffee getrunken habe. Erschreckend eigentlich, wie mein Körper sich an das Zeug gewöhnt hat.

Beim Fleisch sieht es glücklicherweise anders aus, da habe ich keine Entzugserscheinungen. Obwohl es mir schon schwer fällt, für meine Familie „normal“ zu kochen und für mich fleischlos. Besonders hart war diese Woche unser aller Lieblingseintopf, mit Reis, Karotten, Lauch, Champignons und aus Bratwurstfüllung geformten Hack-Kugeln. Ich liiiieebe diesen Eintopf! So eine Kugel hätte ich mir doch zu gerne gegeben. Aber nix da, an die Seite damit. Mein Teller sah aus wie der von kleinen Kindern, wobei die meist das Grünzeug an den Rand schieben und das essen, was sie mögen.

Bei mir kommt das Leckere auf die Seite. Zweieinhalb Wochen noch, dann ist es geschafft. Hackepeter, ich komme!

Erfolg:

kann sich sehen lassen

Laune:

wechselhaft wie das April-Wetter

Diana Fuchs

(Co2-Fasterin): Die Streber um mich herum regen mich auf. Kollegin Nina ist die Einzige, die zugibt, auch mal nicht ganz so stark gewesen zu sein. Man kann doch nicht immer alles schaffen, oder? Ich kriege diese Woche fast nichts auf die Reihe. Das Auto benutze ich jeden Tag, selbst wenn ich keine weit entfernten Zeitungstermine habe – lieber nehm' ich ein schlechtes Gewissen in Kauf als schon frühmorgens durch den halben Landkreis zu radeln und völlig fertig auf die Arbeit zu kommen. Am Fastentag 23 sollte man auf Butter verzichten, weil ausgerechnet Butter den größten CO2-Fußabdruck aller gängigen Lebensmittel hat – tja, leider hatte ich keine Margarine im Haus. So könnte ich weiter vom Versagen erzählen...

Das Einzige, was gut klappt: Leitungswasser statt abgepacktes Wasser trinken. Diese Challenge von Tag 15 finde ich gut umsetzbar und echt sinnvoll. Unser Leitungswasser wird so streng geprüft wie kein anderes Lebensmittel. Ich gebe ein paar Blätter Minze oder Melisse und ab und zu auch ein paar Scheiben Biozitrone (okay, die wird CO2-lastig transportiert, aber irgendwo muss man ja mal 'nen Punkt machen) ins Wasserglas. So schmeckt's. Und man spart Rohstoffe, Energie und CO2, das beim Transport entsteht. Und billiger ist es auch noch. Deshalb auch mein Appell an die Politik: Stellt an öffentlichen Plätzen Trinkwasser-Brunnen auf! In Italien und Frankreich gibt es solche seit Jahren, was nicht nur die Touristen sehr schätzen. Warum nicht auch bei uns ein bisschen umweltschonendes Urlaubsflair?

Erfolg:

Wie hieß es im Zeugnis? Hat sich bemüht...

Laune:

war schon sonniger