Echthaut in der Stratosphäre

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Sicher wieder gelandet
(len) So machen Naturwissenschaften Spaß: Zum zweiten Mal schickten Schüler der Realschule Dettelbach einen Wetterballon, bestückt mit Experimenten, in die Stratosphäre ...
Sicher wieder gelandet
Foto: Realschule Dettelbach/Wolbert → Lokales Seite 3
Der Ballon ist gefüllt, gleich geht es los: Gespannt verfolgen die anderen Schüler den Start auf dem Sportplatz.
Daniela Röllinger
Spannende Frage: Was passiert in 35.000 Metern Höhe mit der Haut in den Petrischalen?
Foto: RS/Wolbert
Wissenschaftsstudenten, Schüler und Lehrer bei den letzten Vorbereitungen für den Stratosphärenflug. Fotos: Daniela Röllinger
Daniela Röllinger
Die Menge an Helium für den Ballon hatten die Schüler im Vorfeld genau berechnet.
Foto: Daniela Röllinger
Oliver Koos und Paul Heinze mit dem Versuchsaufbau der Schüler. Dabei sollte erkundet werden, ob Kühlflüssigkeiten und Frostschutzmittel im Spritzwasser das halten, was die Hersteller versprechen ...
Foto: Daniela Röllinger
Nochmal kurz prüfen, ob die Schnüre die richtige Länge haben und alles hält, dann können Ballon und Sonde starten.
Foto: Daniela Röllinger
Der Wetterballon verschwindet innerhalb von Minuten aus dem Blickfeld.
Daniela Röllinger
Es muss schnell gehen, denn das Zeitfenster für den Start des Ballons ist klein.
Daniela Röllinger
Wertvolle Fracht: Die Sonde ist mit verschiedenen Experimenten bestückt.
Daniela Röllinger
Beim Start ging nicht alles glatt, bei der Landung schon – und so waren die Dettelbacher Realschüler und Projektleiter Roman Kruse mit dem zweiten Stratosphärenflug doch mehr als zufrieden.
Foto: Realschule Dettelbach/Wolbert
Mit Unterstützung von Studenten der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt bereiteten die Realschüler die Sonde vor.
Foto: Realschule Dettelbach/Wolbert
Sonde entwerfen und bauen, Heliummenge für den Ballon berechnen, Flugroute checken: Die Vorbereitung für den Flug in die Stratoshäre war nicht leicht für die Schüler.
Foto: Realschule Dettelbach/Wolbert
Kurz vor dem Start: Gleich geht es los in luftige Höhen. Der Wetterballon mit der Sonde stieg bis auf 35.000 Meter in die Stratosphäre.
Foto: Daniela Röllinger

Die Dettelbacher Realschüler lassen erneut einen Wetterballon in 35.000 Meter Höhe steigen. Er hat wertvolle Fracht dabei.

Was passiert mit menschlicher Haut in der Stratosphäre? Wenn das Fraunhofer Institut diese Frage demnächst beantworten kann, ist das auch den Dettelbacher Realschülern zu verdanken. Bei ihrem Stratosphärenflug 2.0 schickten sie einen mit Helium gefüllten Ballon in 35.000 Meter Höhe und nahmen „huckepack“ einen spektakulären Versuch mit.

Forschung ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden, zumal, wenn sie nicht auf der Erde stattfindet. Diese Erfahrung machten die Dettelbacher Schüler, als sie ihren Unterricht für ein paar Stunden an den Rand des Weltalls verlagerten. Da drohte ein zu heftiger Windstoß zum falschen Zeitpunkt ihre monatelangen Vorbereitungen zunichte zu machen. Ganz so schlimm kam es aber zum Glück nicht. Ein Großteil des spannenden Experiments gelang.

2021 Jahr hatten Schüler der Staatlichen Realschule Dettelbach zum ersten Mal einen Wetterballon in die Stratosphäre geschickt. Nun stand eine Neuauflage an und dabei konnten die Schüler auf Unterstützung von echten Wissenschaftlern bauen, denn sie arbeiteten mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt zusammen, und auch das Fraunhofer Institut war mit an Bord.

Schüler bauen die Sonde

Schon vor Monaten begannen die Schüler der neunten Klasse des naturwissenschaftlichen Zweigs und einige weitere Schulkollegen mit den Vorbereitungen. Sie bauten, unterstützt von Projektleiter Roman Kruse, nicht nur die Sonde, sondern rechneten auch aus, was gebraucht wird, damit diese erfolgreich an den Rand des Weltalls abheben kann. Die Größe des Ballons spielt da eine Rolle, die Menge an Helium, das hineingefüllt wird, die genaue Flugbahn. Zudem überlegten sich die jungen Forscher eigene Experimente und stellten dabei Flüssigkeiten aus dem Kfz-Bereich in den Fokus. Halten Kühlflüssigkeiten und Frostschutzmittel im Spritzwasser, was die Hersteller versprechen? Um zu erkunden, bei welchen Temperaturen die Flüssigkeiten gefrieren, stellten sie verschiedene Mischungen her und brachten sie kurz vor dem Start an der Sonde an. „Jeder hatte eine andere Aufgaben“, erklärten Oliver Koos und Paul Heinze, die wie alle anderen Beteiligten – ob Schüler, ob Lehrer, ob Wissenschaftler, ob die Sponsoren von Leoni und der Deutschen Bahn – natürlich aufgeregt waren, als es endlich daran ging, den Ballon mit der darunter angebrachten quaderförmigen Sonde starten zu lassen.

Was passiert mit den Zellen?

Durch ein kleines Fenster war von oben die wertvolle Fracht im Inneren der Sonde zu erkennen: Petrischalen mit mehreren Stücken Echthaut. Das Experiment soll Erkenntnisse darüber liefern, was im Weltall mit den menschlichen Zellen passiert, wie sie geschädigt werden und wie sich die UV-Strahlung auf die DNA auswirkt, erklärte Amelie Reigl vom Fraunhofer Institut. Dazu wurden Zellen menschlicher Haut isoliert und ein Epidermismodell neu aufgebaut. Die Studenten der FH waren dafür zuständig, die Haut während des Aufstiegs konstant auf 30 Grad zu halten – auch dann, wenn der Ballon und die Sonde die Kälteschicht mit Temperaturen von minus 50 Grad durchqueren. Dafür hatten die Studenten einen „Heater“ entwickelt. „Bisher war noch nie Echthaut in der Stratosphäre“, berichtet Schulleiter Stefan Wolbert – Astronauten schützen sich schließlich mit Anzügen.

Eine halbe Stunde vor dem Start zeigte sich der Himmel noch bedeckt, riss aber zum Glück rechtzeitig auf. Weil das von der deutschen Luftfahrtbehörde vorgegebene Zeitfenster klein war und sich zudem neue Wolkenbänke näherten, musste es schnell gehen – Lehrer Kruse, Schüler und Studenten hatten alle Hände voll zu tun. Leider spielte der Wind beim Start nicht ganz mit, eine Böe drückte den Ballon zur Seite, die Sonde touchierte den Boden und ein paar Äste am Rande des Sportplatzes. Einige Teile brachen dabei ab, darunter der Versuchsaufbau der Schüler – entsprechend enttäuscht waren sie zunächst. Die gute Nachricht aber war: „Alle anderen Experimente blieben unbeschädigt, die Daten konnten umfassend aufgezeichnet werden und das wertvolle Experiment mit der menschlichen Echthaut konnte nach der Landung geborgen werden“, berichtet der Schulleiter erleichtert. Er war gemeinsam mit Schülern und einer Delegation der Kooperationspartner losgefahren, um die Sonde zu bergen, die nach zweieinhalb Stunden Flug wieder auf der Erde landete.

In der Vorbereitung der Aktion hatten die Schüler errechnet, wo der Flug ursprünglich enden würde: Zwischen Ellwagen und Schwäbisch Hall. Durch den Crash beim Start hatten sich dann aber die Parameter der Sonde, wie Gewicht und Stabilisatoren, verändert. „Es war schnell klar, dass der Ballon deshalb nicht die vorausberechnete Flugbahn einhalten kann“, so Wolbert. Der neue Landepunkt wurde nachberechnet, und per eingebautem GPS-Tracker geortet. Der Landepunkt war jetzt bei Bad Boll, südlich von Göppingen in Baden-Württemberg, an einem Maisfeld. Die Wissenschaftler bargen die wertvolle Fracht und werten die aufgezeichneten Daten aus. Und wenn das Fraunhofer Institut demnächst die Ergebnisse seiner Haut-Forschung publiziert, können die Dettelbacher Schüler mit Stolz sagen: Wir waren dabei.