Die Viren melden sich zurück

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Dr. Stefanie Held (hier im Bild mit Dr. Wolfgang Karmann): „Der ideale Zeitpunkt für eine Grippe-Impfung ist jetzt gekommen.“ Archiv
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Grippeimpfung Jens Spahn
Prominentes Vorbild: Gesundheitsminister Jens Spahn ließ sich bereits Anfang Oktober von Arzt Christian Bohle gegen Grippe impfen.
Grippeimpfung Jens Spahn
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Nach eineinhalb Jahren ohne nennenswerte Infekte steigen die Krankmeldungen wieder an. Mediziner warnen auch vor einer Grippewelle. Oberärztin Dr. Stefanie Held von der Klinik Kitzinger Land erklärt, wer jetzt über eine Grippe-Impfung nachdenken sollte.

Landkreis Kitzingen Die Wartezimmer in den Hausarztpraxen sind voll, die Erkältungswelle rollt über Deutschland hinweg. Das Robert-Koch-Institut berichtet von einer besonders hohen Rate an Atemwegserkrankungen für diese Jahreszeit. Auch für die „echte Grippe“ (Influneza) wird ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr erwartet. Was diese Entwicklung mit Corona zu tun hat und wer sich jetzt über eine Grippe-Impfung Gedanken machen sollte, erklärt Oberärztin Dr. Stefanie Held von der Klinik Kitzinger Land.

Frage: Abstandsregeln und Maskenpflicht: Haben diese Corona-Maßnahmen unser Immunsystem geschwächt?

Stefanie Held: Geschwächt ist das falsche Wort, aber tatsächlich beobachten wir zurzeit eine Art Nachholeffekt. Nach eineinhalb Jahren ohne nennenswerte Infekte kommen die Viren jetzt wieder durch. Spürbar wird dies zum Beispiel in deutlich mehr saisonal bedingten Krankmeldungen als im Vorjahr.

Sind wir anfälliger für diese Viren geworden?

Held: Nein, Atemwegsinfekte kommen gerade in den Herbst-/Wintermonaten üblicherweise vermehrt vor. Eher gab es seit Einführung der Abstandsregeln und insbesondere des Mund-Nasenschutzes im Rahmen der Corona-Pandemie auffallend weniger virale Infekte.

Wie lässt sich das Risiko für Infekte reduzieren?

Held: Eine gesunde Lebensführung ist essenziell. Ausdauerbewegung an der frischen Luft, lüften, auf eine gesunde Ernährung achten: all das stärkt unser Immunsystem. Es hilft auch, einige Verhaltensweisen aus der Corona-Zeit zu übernehmen.

Welche?

Held: Abstand halten, beispielsweise beim Einkaufen im Supermarkt. Sich nicht so oft ins Gesicht fassen. Und am wichtigsten: Die regelmäßige Händehygiene. All das kann uns vor Viren schützen.

Sollten wir deshalb auch weiterhin eine Maske tragen?

Held: Der Mund-Nasenschutz schützt effektiv vor der Übertragung viraler Erreger. Momentan ist er in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens aufgrund der immer noch unsicheren Corona-Situation weiterhin sinnvoll, in sensiblen Bereichen wie der Pflege, Seniorenheimen und im Krankenhaus bis auf Weiteres unerlässlich. In manchen Kulturkreisen sind Mund- und Nasenschutz ein Teil des öffentlichen Lebens. Dass sich das auch bei uns dauerhaft so entwickeln wird, denke ich eher nicht.

Werden wir auch andere Verhaltensweisen auf Dauer übernehmen? Ein Handschlag ist in vielen Ländern Asiens verpönt.

Held: Für unsere Gesundheit wäre es tatsächlich besser, wenn wir uns nicht mehr per Handschlag begrüßen würden. Aber wir dürfen bei all dem nicht vergessen, dass es auch um unser psychisches Wohlergehen geht. Und dafür sind soziale Kontakte und Nähe ganz wichtig.

Im letzten Jahr ließen sich so viele Deutsche wie noch nie gegen die Grippe impfen. Wie sieht das in diesem Jahr aus?

Held: Schwer zu sagen, die Saison geht ja gerade erst los. Typischerweise erkranken wir Mitteleuropäer zwischen Ende Januar und Anfang März an der Grippe. Der ideale Zeitpunkt für eine Impfung ist deshalb jetzt gekommen.

Warum so früh?

Held: Weil es 10 bis 14 Tage dauert, bis sich eine Immunität aufgebaut hat. Man kann sich auch im Januar noch impfen lassen, aber das Risiko, sich zu infizieren, ist dann natürlich höher. Bis spätestens Weihnachten sollten sich alle, die zur Risikogruppe gehören, impfen lassen.

Wer fällt unter diese Kategorie?

Held: Empfohlen wird die Grippe-Impfung für Menschen über 60. Auch jüngere chronisch Kranke sollten sich impfen lassen. Auch bei Schwangeren empfiehlt die Ständige Impfkommission explizit eine Impfung

Warum?

Held: Weil bei Schwangeren ein schwerer Verlauf der Grippe überproportional möglich ist. Anders übrigens als bei Covid-19.

Das heißt: Wer jünger ist als 60 und gesund, der muss sich nicht um eine Grippe-Impfung kümmern?

Held: Als junger Mensch steht man eine Grippe in der Regel gut durch. Aber es gibt weitere Gruppen, für die eine Impfung unabhängig vom Alter und von Begleiterkrankungen empfohlen wird, zum Beispiel medizinisches Personal, Personen, die Umgang mit Risikopersonen haben oder beruflich mit vielen Menschen Kontakt haben.

Ist genug Impfstoff für alle Interessenten da?

Held: Gute Frage. Im letzten Jahr gab es aufgrund der großen Nachfrage tatsächlich einen Engpass. Mit größeren Engpässen wird derzeit nicht gerechnet. Der Impfstoff wird ja jedes Jahr aufs Neue hergestellt. Weltweit wird die Lage beobachtet und analysiert. Bereits im März eines Jahres legen sich die Virologen auf die Zusammensetzung unterschiedlichen Impfstoffe fest.

Bei Corona gibt es bekanntermaßen erklärte Impf-Verweigerer. Ist das bei der Grippe-Impfung ähnlich?

Held: Natürlich, auch hier gibt es Hardliner, die grundsätzlich dagegen sind und sich von Argumenten auch nicht überzeugen lassen.

Ein Argument lautet, dass eine Impfung die Grippe-Symptome erst auslöst.

Held: Tatsächlich kann es sein, dass man sich nach einer Grippe-Impfung für ein paar Tage abgeschlagen und müde fühlt. Das ist aber kein schlechtes Zeichen, im Gegenteil: Der Körper setzt sich mit den Viren auseinander. Eine echte Grippe-Erkrankung zieht ungleich schwerere Symptome nach sich.