Zwei junge Friseurinnen und ihre schnittigen Besuche im Notwohngebiet.
Jeder kennt das Phänomen. Ein guter Friseur kann einen „schön machen“. Er kann einem innerhalb kürzester Zeit Selbstbewusstsein, Wohlgefühl und Lebensfreude geben. Mit einem tollen Haarschnitt geht man gleich viel beschwingter durchs Leben. Allerdings: So ein Friseurbesuch kostet Geld. Deshalb fällt er für diejenigen, die wenig Geld zur Verfügung haben, meist flach. Nicht allerdings im Kitzinger Notwohngebiet. Dorthin kommen etwa alle acht Wochen zwei Friseurinnen, um den Bewohnern kostenlos die Haare zu schneiden.
Wie in einem Salon
Montagnachmittag im „Wegweiser“, dem ehemaligen Caféstüble und jetzigen sozialen Treffpunkt im Notwohngebiet. Manuela Link, ehrenamtliche Helferin, schließt die Tür auf, vor der schon zahlreiche Männer und Frauen warten. Drinnen hat sie mit ihrem treuen Helfer Wolfgang Schermer, der seit Jahren in der Egerländer Straße lebt, schon alles vorbereitet: Zwei große Spiegel stehen auf Tischen an der Wand – Frisierplätze fast wie in einem Salon.
Einer der Plätze wird heute allerdings leer bleiben. „Jenny ist richtig krank“, sagt Lisa-Marie Funk bedauernd. Die 22-jährige Friseurin aus Kitzingen-Etwashausen und ihre Freundin Jenny Wieser bestreiten die Montagnachmittage im Wegweiser normalerweise gemeinsam. Doch heute muss Lisa-Marie alleine ran. Sie beruhigt die enttäuschten Gesichter, die befürchten, wieder weggeschickt zu werden: „Ich bleibe länger. Wir schaffen euch schon alle!“
Lisa-Marie breitet ihre Utensilien aus: verschiedene Kämme, Bürsten, Scheren. Und auch zwei Elektroschneider. „Den einen brauche ich fürs Grobe, den anderen, um auch die feineren Härchen zu trimmen, zum Beispiel am Hals oder an den Augenbrauen.“
Wer zuerst auf dem Stuhl vor der Etwashäuserin Platz nehmen darf und den Friseur-Umhang umgelegt bekommt, ist klar geregelt. Wolfgang „Silver“ Schermer hat im Vorfeld die Wohnblocks in der Egerländer Straße und am Tannenberg abgeklappert und gefragt, wer Bedarf hat. Fein säuberlich hat er die Namen in zwei Listen eingetragen, alle Viertelstunde einen. „Jetzt müssen wir halt schauen, wie wir die Listen zusammenlegen“, sagt er. „Aber das wird schon“, fügt er hinzu und verhandelt dann gleich mit den Wartenden die neue Reihenfolge.
Lisa-Marie hat unterdessen ihre erste „Kundin“, eine junge Frau, schon fast fertig. „Wie schneiden wir den Pony?“, fragt sie. „Wie immer ganz gerade?“ Schüchternes Nicken. Und zum Abschied wenig später ein leises „Vielen Dank!“.
Traumberuf seit Kindertagen
Die meisten kommen mit gewaschenen Haaren her. „Manche duschen auch vorher direkt hier im Wegweiser“, berichtet die Friseurin. Grundsätzlich sei es ihr egal, ob sie nass oder trocken schneidet, sagt Lisa-Marie. Friseurin zu werden, das war seit Kindertagen ihr Traumberuf. Vor einem Jahr hat sie ausgelernt und arbeitet nun im Salon „Haargenau“ in Volkach. Zuvor hat sie in Kitzingen bei Friseurmeisterin Astrid Lalomia gelernt. Lalomia war es auch, die vor gut zwei Jahren den Zeitungsaufruf las, dass die Ehrenamtlichen des Wegweisers sich über Friseurinnen für ihre Schützlinge freuen würden. „Sie hat Jenny und mir davon erzählt und wir waren uns gleich einig, dass wir das probieren wollen.“