Die neuen Wege des Herrn

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Mit Gottvertrauen in die Zukunft: Schwester Ruth Meili macht sich keine Sorgen um ihren Orden, der seit 1957 auf dem Schwanberg lebt – und das auch weiterhin tun wird.
Foto: Ralf Dieter
Anziehungspunkt für Jung und Alt: die Kirche auf dem Schwanberg.
Foto: Heike Schneller-Schneider

Es ist ein besonderer Ort. Das spüren nicht nur diejenigen, die hier leben. Der Schwanberg zieht Jahr für Jahr zigtausend Menschen an. Zum Wandern und Aussicht genießen. Aber auch zum Nachdenken und zum Beten.

Es ist ein besonderer Ort. Das spüren nicht nur diejenigen, die hier leben. Der Schwanberg zieht Jahr für Jahr zigtausend Menschen an. Zum Wandern und Aussicht genießen. Aber auch zum Nachdenken und zum Beten.

„Die ständige Frage nach der Zukunft kostet viel Kraft.“
Schwester Ruth Meili, Schwanberg

Seit 1957 leben Schwestern der Communität Casteller Ring (CCR) auf dem Schwanberg. Ihre Zahl änderte sich immer wieder im Laufe der Jahre. Ruth Meili lebt seit 1971 auf dem „Heiligen Berg“. Sie war die 50. Schwester, die damals einzog. Seit den 80er Jahren nimmt die Zahl der Mitschwestern kontinuierlich ab. 32 sind es zurzeit, das Durchschnittsalter liegt bei rund 60 Jahren. Die meisten Schwestern sind über 70, aber es gibt auch jüngere Mitschwestern. Und immer wieder Anfragen von interessierten Frauen. Zwei Novizinnen sind im letzten Jahr gekommen, auch heuer wollen zwei junge Frauen ausprobieren, ob ein Leben im Kloster für sie das Richtige ist. Neben jungen Frauen um die 20 sind es Frauen ab 50, die sich für ein Noviziat bewerben. „Sie wollen den inneren Brunnen tiefer graben“, weiß Schwester Ruth.

Grundsätzlich werde jede Anfrage entgegen genommen, aber nicht jede Bewerberin genommen. Die Suche nach mehr Sinn und Tiefe im Leben müsse schon die Grundlage für ein Leben im Orden sein. Genauso wie die Bereitschaft, in einer Gemeinschaft zu leben. Wer lediglich einen Ausweg aus einer schwierigen Ehe oder Lebensphase suche, der bringe nicht die notwendigen Voraussetzungen für ein Leben im Kloster mit.

32 Schwestern leben derzeit auf dem Schwanberg. Vor 40 Jahren waren es fast doppelt so viele. Ein Grund zur Sorge? „Überhaupt nicht“, sagt sie. Bange ist ihr kein bisschen vor der Zukunft. Überhaupt: Dieses Sorge machen um die Zukunft ist nicht ihr Ding. Dieses ständige Überlegen und Abwägen, was wohl kommen mag. „Die Frage nach der Zukunft kostet viel Kraft“, sagt sie. Besser sei es, auf Gott zu vertrauen und in der Gegenwart zu leben – mit Herz, Seele und Verstand. „Gott wird uns schon mögliche Wege aufzeigen“, meint sie zuversichtlich. Diese Zuversicht nährt sich aus ihrem Glauben, aber auch aus der jüngeren Vergangenheit. Tatsächlich haben die Schwestern in den letzten Jahren erstaunlich neue Pfade beschritten.

Gemäß ihren Ordensregeln lebten die Schwestern von Anfang an in Klausur. Will heißen: Niemand außer ihnen selbst durfte die Klostermauern überschreiten. „Nicht mal die nächsten Verwandten durften bislang hinein“, erzählt die 77-Jährige. Binnen kürzester Zeit hat sich das geändert.

„Gott wird uns schon mögliche Wege aufzeigen.“
Schwester Ruth Meili, Schwanberg

Im letzten Jahr haben die Schwestern immer wieder für die vielen Asylsuchenden in unserem Land gebetet. Prompt kam eine Anfrage, ob sie nicht Frauen in großer Not aufnehmen könnten. Zunächst erhielten zwei Asylbewerberinnen aus Äthiopien Kirchenasyl. Insgesamt lebten mittlerweile schon fünf Frauen aus dem afrikanischen Land auf Zeit hinter den Klostermauern. „Das war so nicht geplant gewesen“, erzählt Schwester Ruth und schaut selbst ein wenig ungläubig. Aber Gott habe angeklopft und ihnen diesen einen, neuen Weg aufgezeigt. Nicht nur den.

Manchmal haben einschneidende Veränderungen auch ganz pragmatische Auslöser. Eine Mitschwester leidet an den Auswirkungen eines Schlaganfalls, muss täglich gepflegt werden. Eine Arbeit, die die Gemeinschaft so intensiv nicht mehr leisten konnte. „Wir haben den täglichen Pflegedienst und eine Frau aus Polen eingestellt, die sich um die Schwestern kümmern, die Hilfe brauchen“, erzählt Schwester Ruth. Auch die polnische Mitarbeiterin lebt mittlerweile hinter den Klostermauern.

Diese völlig neuen Erfahrungen bezeichnet Schwester Ruth als intensive Berührung mit der Realität und als Bereicherung für ihren Orden. Was sie daraus gelernt hat? Veränderungen sind ein Teil des Lebens. Auch des Ordenslebens. Andere Türen werden sich öffnen, davon ist Schwester Ruth überzeugt. Entscheidend sei, dass die Gedanken an die Zukunft nicht das Leben im Hier und Jetzt beeinflussen. „Wir müssen im Heute leben, denn Gott ist gegenwärtig“, fordert Schwester Ruth. „Das strahlt auf unsere Gemeinschaft und die Mitmenschen aus. Und dann bewegt sich auch etwas.“

In den letzten Jahren hat sich einiges bewegt auf dem Schwanberg. Der Friedwald hat sich zu einer Institution entwickelt. Menschen aus ganz Deutschland finden hier ihre letzte Ruhestätte – und erhalten Besuch von ihren Freunden und Verwandten. Viele von ihnen haben in ihrem Alltag kaum mehr Zugang zur Kirche, wie Schwester Ruth aus vielen Gesprächen weiß. „Bei den Gedenkgottesdiensten ist unsere Kirche zwei Mal im Jahr voll“, berichtet sie. Ihre Erklärung: Die Menschen sind nach wie vor auf der Suche nach dem Göttlichen, nach Sinn. Sie finden ihn an Orten wie dem Schwanberg.

Der hat eine lange Geschichte. Die Kelten besiedelten ihn bereits um 400 vor Christus und brachten ihre eigene Frömmigkeit mit. Gott war für sie der Schöpfer und jeder Mensch war mit dem Schöpfer verwandt, erklärt Schwester Ruth und bedauert, dass es heutzutage mehr so etwas wie eine gesetzliche Frömmigkeit gebe. Der Ursprung des Glaubens sei ein Stück weit verloren gegangen. Dabei trage jeder Mensch in sich einen göttlichen Kern. Es sei wichtig, den Menschen diese Botschaft zu verkünden und vorzuleben. Der Schwanberg ist dafür nach wie vor der richtige Ort.