Die letzten Tage in Uniform

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Polizei Abschied Pfaff und Klebrig (3)
Servus sagt Gerhard Klebrig heuer nicht nur dem altgedienten grünen Polizeibus, sondern auch dem neuen blau-gelben Streifenwagen. Fotos: Diana FUCHS
Polizei Abschied Pfaff und Klebrig (3)
Polizei Abschied Pfaff und Klebrig (7)
So kennen ihn viele Landkreisbürger: Helmut Pfaff hat ein ansteckendes Lachen. Dennoch kann seine Mimik nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihn ein „Cold Case” wurmt, dessen ...
Polizei Abschied Pfaff und Klebrig (7)
Foto: DiANA FUCHS
gerhard klebrig als junger polizist PI KT
März 1980: Gerhard Klebrig
gerhard klebrig als junger polizist PI KT
 
gerhard klebrig sauberkeit im Spind
Ordentlich: Jeden Freitag wurden die Schränke der Polizeischüler mit Argusaugen kontrolliert.
gerhard klebrig sauberkeit im Spind
Foto: Gerhard KLEBRIG
Polizeischüler Helmut Pfaff
Pfaff Helmut
Helmut Pfaff bei der Verabschiedung einer Kollegin. FOTO Pfaff Helmut
Pfaff Helmut

Ein „Cold Case“ ist noch ungelöst. Kurz vor der Pensionierung blicken Helmut Pfaff und Gerhard Klebrig zusammen auf gut 80 Jahre Polizeidienst.

Die Handschellen sowie Hemd und Hose in Blau haben bald ausgedient: Mit Gerhard Klebrig und Helmut Pfaff gehen heuer zwei Urgesteine der Kitzinger Polizei in Pension. Zuvor aber erinnern sich die beiden Hauptkommissare an früheren Drill im Tarnanzug und daran, wie man dem Putzdienst davonlaufen konnte. Sie erklären, was eine Geisterschicht ist und welche Gefühle einem am Seziertisch überkommen.

Was wollten Sie als kleine Buben werden?

Klebrig: Ich wollte eigentlich Sportlehrer werden. Aber ich war in der Schule nicht ganz so fleißig, deshalb hab' ich mich nach der Mittleren Reife nach anderen Berufszielen umgeschaut – und bin bei der Polizei gelandet.

Pfaff: Ich hatte schon einen Ausbildungsvertrag als Großhandelskaufmann bei der Firma Gauer in der Tasche. Aber ich musste bis zum Ausbildungsstart ein halbes Jahr überbrücken und hab' in der Zeit – ab 1. Oktober 1979 – ein Praktikum bei der PI Kitzingen gemacht. Danach wollte ich Polizist werden.

Ist die Ausbildung heute noch vergleichbar mit der zu Beginn der 80er-Jahre?

Klebrig: Helmut und ich haben beide am 3. März 1980 mit der Ausbildung begonnen und waren je zwei Jahre in Würzburg und ein Jahr in Nürnberg. Damals gab es noch keine Frauen bei der Bereitschaftspolizei und es herrschte ein ganz anderer Ton als heute. Wir sind am Würzburger Schenkenturm im Tarnanzug bäuchlings über den Flugplatz gerobbt, das Gewehr geschultert – und wehe, wenn du aufgestanden bist! Dann musste der ganze Zug wegen dir Liegestützen machen...

Pfaff: Ja, der Drill war ähnlich wie bei der Bundeswehr, wir mussten marschieren und strammstehen. Das wäre heute undenkbar. Aber ich finde schon, dass es eine gute Zeit war!

Klebrig: Wir haben zu sechst in einem Zimmer gewohnt, in Stockbetten geschlafen und wir hatten jeden Freitag von 12 bis 15 Uhr Putzdienst.

Pfaff: Aber davon war man befreit, wenn man besondere Leistungen in Sport brachte, denn zeitgleich war ein Spezialtraining angesetzt. Ich war mit 11,3 Sekunden auf 100 Meter der Drittschnellste der Abteilung (grinst)...

Hat Ihnen diese Schnelligkeit irgendwann mal geholfen?

Pfaff: Die Schnelligkeit und die Ausdauer, ja! In Würzburg hab' ich mal einen Handtaschendieb quer durch die Stadt verfolgt. Den hab' ich nur erwischt, weil ich so drahtig war.

Mussten Sie irgendwann einmal Ihre Schusswaffe auf einen Menschen richten?

Klebrig: Ich war nach meiner Ausbildung für sechseinhalb Jahre in München. Da hat es einige Raufereien und Gewaltexzesse gegeben, aber zum Glück reichten die gezückte Pistole oder Schüsse in die Luft, um brenzlige Situationen zu klären.

Pfaff: Ich musste Gott sei Dank auch nie auf einen Menschen schießen, sondern höchstens mal ein verletztes Wildtier erlösen.

Wurden Sie je im Dienst verletzt?

Pfaff: Einmal sollten wir eine Schlägerei auf der „Alten Liebe“ in Würzburg auflösen. Da hat mich ein Faustschlag ins Gesicht getroffen und ich bin erst im Krankenhaus wieder aufgewacht. Ein anderes Mal habe ich Pfefferspray abgekriegt. Aber so richtig ernsthaft verletzt wurde ich nie.

Klebrig: Ich auch nicht. Oft war ich froh, dass ich mit 1,92 Metern Größe einen guten Überblick über Situationen hatte...

Würden Sie, wenn Sie jetzt nochmals vor der Wahl stünden, erneut den Polizeidienst wählen?

Klebrig: Alles zusammengerechnet – nein. Die Situation heute ist ganz anders als vor 40 Jahren. Uns haben Handschellen und ein Schlagstock, versteckt im rechten Hosenbein, gereicht. Die heutigen jungen Polizisten ziehen mit schwerem Einsatzgürtel und Body-Cams los. Das ist nicht meine Welt.

Pfaff: Ich sehe das ähnlich: Streifenpolizist wollte ich heute nicht mehr werden. Aber wenn ich Jugend- und Umweltarbeit machen könnte, würde ich wieder zur Polizei gehen.

Werden Polizeibeamte heute anders wahrgenommen als früher?

Klebrig: Früher haben die Leute uns als Respektspersonen, aber auch als „Freund und Helfer“ gesehen. So um die Jahrtausendwende herum hat sich das geändert. Vor allem in den Städten sind viele Menschen militanter geworden. In Kitzingen herrscht dagegen noch weitestgehend heile Welt.

Wollten Sie auch deshalb hierher zurück?

Klebrig: Ja. Und wegen der Familie und dem Freundeskreis. Ich habe mich sehr gefreut, als ich im März 1990 nach Kitzingen kam.

Pfaff: Ich bin genau zwei Jahre nach dem Gerd zurückgekommen – zuvor war ich in Würzburg-Stadt und -Ost. Viele Jahre sind Gerd und ich dann erst mal in unterschiedlichen Dienstgruppen Streife gefahren und hatten Vier-Schicht-Dienst.

Klebrig: Bis man alle Kollegen kennengelernt hatte, dauerte es seine Zeit: Als Mitglied der ersten und dritten Schicht ist man denjenigen, die zweite und vierte Schicht hatten, nie begegnet. Wir haben das „die Geisterschicht“ genannt.

Apropos Geister: Gibt es Straftaten, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind? Opfer, die man lange nicht vergisst?

Klebrig: Natürlich. Bei mir sind es zum Beispiel drei tödlich verunglückte Kinder und viele Erwachsene, die bei Verkehrsunfällen ihr Leben lassen mussten. In den 90-ern gab es kein Jahr, in dem nicht mindestens 15 Menschen bei Unfällen gestorben sind; in einem Jahr waren es sogar 44. Das hat mich immer sehr mitgenommen. Als Sachbearbeiter wurde ich manchmal an den Seziertisch beordert – wenn dort ein Kind lag, war das das Schlimmste am Polizeidienst. Wir sind halt auch keine Roboter.

Pfaff: Ich musste mal einen jungen Kerl bergen, mit dem ich am Sonntag zuvor noch Fußball gespielt hatte. Das war furchtbar.

Mussten Sie auch Todesnachrichten an die Familien überbringen?

Klebrig: Ja, und nicht nur deswegen war ich heilfroh, als Hanjo von Wietersheim die Notfallseelsorge ins Leben gerufen hat. Die geschulten Frauen und Männer sind Gold wert.

Gibt es „Cold Cases“, die Sie vor dem Ruhestand gerne aufgeklärt hätten?

Pfaff: Ich würde was drum geben, wenn der Nordheimer Fall von 2007 doch noch aufgeklärt würde. Warum musste der 18-Jährige auf dem Heimweg von einer Fete sterben? Ich habe der SOKO Nordheim angehört, wir haben unzählige Spuren verfolgt. Was bleibt, ist die Annahme, dass es fahrlässige Tötung war. Ich habe da so meine Zweifel.

Gibt es eigentlich auch „Hot Cases“ – Fälle, die durch beharrliche Recherche doch noch gelöst werden konnten?

Pfaff: Aber sicher. Bei mir daheim in Sommerach hatte 2019 ein Unbekannter mit einem Fahrzeug seine Kreise auf dem Sportplatz gedreht und Sachschaden von 2.500 Euro verursacht. Es gab keinerlei Hinweise auf den Täter. Wir haben aber nicht locker gelassen. Der TSV hat eine Belohnung ausgelobt, wir haben Vernehmungen durchgeführt und auch auf Facebook nach dem Täter gesucht. Schließlich kam eine Mail auf Englisch von einem Kneipenwirt aus Holland: Er hatte gehört, wie ein junger Mann mit der Tat geprahlt hat.

Klebrig: So ein Erfolg schreckt bestimmt Nachahmungstäter ab.

Statt auf Verbrecher und Verschmutzer werden Sie den Fokus bald auf andere Menschen und Dinge richten...

Klebrig: Ich bin seit kurzem zweifacher Opa und freue mich auf die Zeit mit meinen Enkeln, mit der Familie und Freunden. Ich bin sehr naturverbunden und wandere gern, werde außerdem meinem Schwager ein bisschen im Weinberg helfen und daheim gärtnern...

Pfaff: Ich habe auch zwei Enkel, außerdem kann ich jetzt mehr Zeit mit meinen pflegebedürftigen Eltern verbringen. Und ich habe seit kurzem einen eigenen kleinen Weinberg! Ich freu' mich auch auf meine Stammtische, speziell auf den Polizei-Pensionisten-Stammtisch „Spitzfuchs grün-blau“, den wir vor kurzem gegründet haben. So ganz ohne Polizei geht's halt doch nicht. Fotos: Pfaff Helmut, Gerhard Klebrig

ZUR PERSON:

Gerhard „Gerd“ Klebrig, gebürtiger Gerolzhöfer, lebt mit seiner Familie in Astheim. Nach 25 Jahren Schichtdienst im Streifenwagen wechselte er bei der Polizeiinspektion (PI) Kitzingen in den Innendienst, wo er unter anderem für Qualitätskontrolle, die polizeiliche Kriminalstatistik und die Pressearbeit zuständig ist. Sein offiziell letzter Arbeitstag wird der 30. Juni 2020 sein.

Helmut Pfaff: Der Sommeracher war neun Jahre lang Jugendbeamter der PI, initiierte die Sicherheitspartnerschaft mit den Gemeinden und kümmerte sich mit um die Jugendverkehrsschule. 2013 quittierte er den Schichtdienst, wurde Umwelt-Sachbearbeiter sowie Ansprechpartner für die Presse. Ein wichtiger Aufgabenbereich in den letzten Jahren war auch die Dienstplangestaltung und die Vorgangsverwaltung der 20-köpfigen Verfügungsgruppe. Am 24. Februar – dem Tag vor seinem 60. Geburtstag – geht Pfaff in Pension.