Mit festen Unterkünften?
Knaus: Ja, wir mussten die Hütten ein Jahr im Voraus buchen.
Also keine Luxusunterkünfte?
Knaus: Nein, wir schlafen ausschließlich in einfachen Hütten auf Matratzen. Zweimal in den drei Wochen gibt es Duschen – ansonsten riechen wir (lacht). Jede Übernachtung ist in einer anderen Hütte.
Sie müssen also Ihr Tagesziel immer erreichen?
Knaus: Auf jeden Fall. Wenn wir das nicht schaffen, sind unsere Betten weg.
Was sind die besonderen Schwierigkeiten Ihrer Tour?
Knaus: Allein schon die insgesamt knapp 18.000 Höhenmeter Aufstieg. Nur dass man einen Vergleich hat: Das ist die Strecke von Kitzingen nach Wiesentheid, senkrecht rauf. Die An- und Aufstiege zu meistern ist schon eine Herausforderung. Und ins Tal geht es ja dann auch fast genauso viel wieder runter. Und dann die Hüttenabstände: Wir müssen weite Wegstrecken ohne große Pausen zurücklegen, sind sechseinhalb bis achteinhalb Stunden am Tag unterwegs. Bei schönem Wetter ist das wunderbar, bei Nebel grausam. Dazu kommen natürlich die technischen Herausforderungen...
Die da wären?
Knaus: Die Felswege sind teilweise schwierig zu begehen, man nutzt Leitern, braucht die Seilsicherung. Ausgesetzte Stellen sind zu überwinden, das sind Abschnitte, die an einer oder mehreren Seiten steil abfallen. Da wird es teilweise richtig gefährlich, wenn es neben einem 40 Zentimeter breiten Weg 500 Meter runtergeht.
Da braucht man Erfahrung – die Sie sicherlich haben?
Knaus: Meine Frau und ich sind schon seit über 40 Jahren immer wieder in Südtirol unterwegs, dort bin ich oft auch als Bergführer tätig.
Wie haben Sie sich auf die Tour vorbereitet?
Knaus: Wir beide stehen seit dem 1. Mai jeden früh um 4.30 Uhr auf und laufen. Vier mal die Woche sind wir mit dem 14 Kilogramm schweren Rucksack zwei Stunden am Schwanberg unterwegs, am Wochenende sechs Stunden in der Hochrhön, ebenfalls mit dem Rucksack. Meine Frau trainiert mit, auch wenn sie die Tour nicht mitläuft.
Ist der Rucksack für die Tour schon gepackt?
Knaus: Ich habe eine Woche vor dem Start gepackt. Dann hatte auch das Training Pause. Die braucht man zur Erholung für Körper und Seele.
Wie schwer ist der Rucksack und was ist alles drin?
Knaus: Er wiegt 12,3 Kilogramm. Das meiste Gewicht hat die Sicherheitsausrüstung, also die Seile und das Klettergeschirr. Dann habe ich eine Reiseapotheke und Winterkleidung dabei, wie Pulli, Mütze, Schal, lange Unterwäsche, dicke Handschuhe... Wir sind zwar im Sommer unterwegs, aber bei Nebel und nachts kann es sehr kalt werden. Beim Gewicht nimmt die Wäsche den geringsten Teil ein, gerade mal 915 Gramm, das Waschzeug wiegt 600 Gramm. Da muss man genau planen. Jedes Gramm zählt.
Wie viele Schuhe nehmen Sie mit?
Knaus: Nur die, die ich an den Füßen trage, und ein Paar Badeschuhe für die Hütten.
Und wenn Sie Blasen bekommen?
Knaus: Die hatte ich noch nie. Meine Frau hatte mal Blasen, nach 1000 Kilometern Wanderstrecke.
Und dann? Stehenbleiben?
Knaus: Sobald man merkt, dass eine Blase entsteht, sollte man ein Tape drauf tun – faltenfrei, als zweite Hautschicht. Dann weiterlaufen, was vor allem eine mentale Sache ist. Es tut weh, aber nach einer Stunde ist es vorbei. Wer aufhört zu laufen, kommt nie an.
Eine Blase ist wahrscheinlich das Harmloseste, was Ihnen auf Ihrer Tour passieren kann.
Knaus: Wir haben ja eine Krankenschwester im Team, Elke Cäsar, wir sind also zu Glück bestens versorgt.
Sie sprachen den mentalen Aspekt an. Wie wichtig ist der bei einer Alpenüberquerung?
Knaus: Sehr wichtig. Man muss das alles ja wollen, den Rucksack tragen zum Beispiel. Es gibt keinen Gepäcktransport. Und man muss jeden Tag die nächste Hütte erreichen. Bei Regen ist das kein Problem, bei Hitze schon. Wir gehen ganz früh los, denn man braucht einen zeitlichen Puffer, zum Beispiel wenn sich jemand vor uns an einer ausgesetzten Stelle nicht weiter traut. Dann muss man warten, bis derjenige von allein weitergeht. Man darf niemanden drängen, sonst wird es gefährlich. Aber indem wir früh losgehen, haben wir sowieso kaum Leute vor uns.
Wann haben Sie mit dem Bergwandern begonnen?
Knaus: Schon als Kind. Ich habe es von meinem Onkel gelernt, schon damals waren wir in Südtirol unterwegs. Das ist meine zweite Heimat geworden. Mein Onkel hat mir auch die Kunst des Bergwandern beigebracht?
Und die wäre?
Knaus: Den Berg ganz langsam hochzugehen. Der Puls muss immer gleich sein, 100 bis 120, nicht höher. Je steiler es ist, desto langsamer muss man laufen und desto kleinere Schritte machen. Mich hat schon oft jemand gefragt: „Was ist mit dir los? Schläfst du beim Laufen ein?“ Demjenigen biete ich an, zu überholen, was die Leute auch machen. Aber spätestens eine Stunde später habe ich sie wieder eingeholt. Langsam laufen, das ist die Kunst des Ankommens. Und das werden wir diesmal auch: am 19. August. Dann liegen die Wanderwege und die hochalpine Kletterei hinter uns – Zeit, zwei Kugeln Eis zu essen.