Das große Herzensprojekt

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Welch herziges Team: Diese Mitglieder des Dettelbacher Frauenbundes zeigen mitsamt „ihrem“ Mann Friedemann Schilling einen Teil ihrer handgemachten, kunterbunten Mut- und Wärmespender ...
Diana Fuchs
Der Mann an der Waage: Friedemann Schilling ist DER Mann der Frauenbund-Damen. Er versorgt sie nicht nur mit frisch gebrühtem Kaffee und Cappuccino, sondern wiegt auch exakt 125 Gramm Füllwolle ...
Diana Fuchs
Elisabeth Rost und Marianne Schilling sind glücklich darüber, dass die Herz-Aktion beim Frauenbund, aber auch in den Kliniken große Freude ausgelöst hat.
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Mit ihren 86 Jahren ist Sieglinde Zehenter die älteste Näherin, aber ihrer Begeisterung und ihrem handwerklichen Können tut das Alter keinerlei Abbruch.
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Alle Finger ohne Stichwunden: Die Mitglieder des Frauenbunds Dettelbach haben durchaus Spaß bei ihrer Arbeit. FOTO Diana Fuchs
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Mit ihren 86 Jahren ist Sieglinde Zehenter (rechts) die älteste Näherin, aber ihrer Begeisterung und ihrem handwerklichen Können tut das Alter keinerlei Abbruch. FOTO Diana Fuchs
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In den Nähpausen wird auch mal diskutiert und erzählt. FOTO Diana Fuchs
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Aus je zwei herzigen Lagen Stoff werden die Kissen zusammengenäht. FOTO Diana Fuchs
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Gemeinsam wird beim Frauenbund Dettelbach getüftelt und ausprobiert. FOTO Diana Fuchs
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Gemeinsam wird beim Frauenbund Dettelbach getüftelt und ausprobiert. FOTO Diana Fuchs
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Hunderte Krebs- und Palliativ-Patienten bekommen Mutmacher und Wärmespender von den fleißigen Näherinnen des Dettelbacher Frauenbundes, der im Juli sein 100-jähriges Bestehen feiert.

Es gibt Treffen, die man nicht so schnell vergisst. Arbeit, die richtig Spaß macht. Das ist der Fall, wenn man als Redakteur den Dettelbacher Frauenbund besuchen will – und mitten in einer Wolke aus unzähligen weichen Stoffherzen landet.

Gelächter, Stimmengewirr und Kaffeeduft dringen aus dem Pfarrheim in der Dettelbacher Altstadt. Sobald man die Tür öffnet, blicken einem anderthalb Dutzend Gesichter entgegen, allesamt gut gelaunt oder gar lachend. Um einen langen Tisch herum sitzen die Frauen, jede hat Nähutensilien in der Hand. Zwischen ihnen auf dem Tisch türmt sich ein kunterbunter Berg aus lauter kuscheligen Stoffherzen. Manche gepunktet, manche geblümt, andere einfarbig oder mit geometrischen Mustern – jedes Kissen ist ein Unikat.

Für wen fertigt der Dettelbacher KDFB, der Katholische Deutsche Frauenbund, denn so viel Herziges an? Elisabeth Rost, die Vorsitzende, erklärt: „Wir nähen die Herzkissen für Menschen, die mit einer folgenschweren medizinischen Diagnose konfrontiert sind.“ Unter anderem Brustkrebspatientinnen und Patienten auf der Palliativstation der Uniklinik und des Juliusspitals in Würzburg erhalten die Handarbeit der Dettelbacher Frauen.

Die farbenfrohen Kissen sollen Freude und Hoffnung schenken. Dass das klappt, weiß Marianne Schilling aus Erfahrung. „Ich war selbst schon mal von Brustkrebs betroffen“, sagt die 70-Jährige, die leidenschaftlich gerne näht. „Da ist man sehr dankbar über jede liebevolle Geste und Unterstützung.“

Auf die Rechnung verzichtet

Im Januar las Marianne Schilling in der KDFB-Mitgliederzeitschrift „engagiert!“. Plötzlich fiel ihr ein Schnittmuster ins Auge für ein Herz aus reinem Baumwollstoff, das man als Nackenstütze oder zur Druckentlastung nach Operationen verwenden kann. Die Dettelbacherin war sogleich begeistert und probierte die Nähanleitung aus. Daraus entstand der Prototyp für eine wahre Serienproduktion: 450 Herzkissen haben die Dettelbacher Frauen mittlerweile fertiggestellt und für Patienten gespendet.

„Den Großteil hat Marianne Schilling genäht“, würdigt Frauenbund-Vorsitzende Elisabeth Rost ihre passionierteste Näherin. Doch auch die anderen Mitglieder packen mit Leidenschaft an. „Die Stoffe müssen waschbar und natürlich auch vorgewaschen sein“, erzählt Rost. Für jedes Herz braucht es Vorder- und Rückseite, die exakt zugeschnitten und dann miteinander vernäht werden. „Dann wird Füllwatte hineingegeben und das verbliebene Loch zugenäht.“ Ganz am Schluss wird noch ein Schildchen mit einem kleinen Gruß und dem Wunsch „Gute Besserung“ angeheftet. All diese Arbeitsschritte teilen sich die KDFB-Damen.

„Die Frauen sind einfach unschlagbar!“, lobt Elisabeth Rost ihr Team und umschließt mit einer ausholenden Geste den ganzen langen Tisch. Die Frauen nicken lachend, einige rufen: „Aber unser Mann auch!“

„Unser Mann“, damit ist Friedemann Schilling gemeint, Marianne Schillings Ehegatte. Der steht hinter einem eigenen Pult, vor sich einen riesigen Berg weißer, fluffiger Füllwatte und eine Waage. Für jedes Herz wiegt er genau 125 Gramm der flauschigen Masse ab. „Der Friedemann ist nicht nur ein super Abwieger, er ist auch unser Cappuccino-Mann“, erzählt Elisabeth Rost lachend. Sie deutet auf eine Profi-Kaffeemaschine, die neben einem appetitlichen Kuchenbuffet steht. „Die bringt er extra zu unseren Nähnachmittagen mit.“

„Er hat mir schon ganz am Anfang beim Zuschneiden geholfen und dann auch eine stabile Schablone gebastelt“, ergänzt Marianne Schilling. Die Stoffe und sämtliche Materialien haben sie selbst und ihre KDFB-Kolleginnen privat zusammengetragen. Vieles wurde gespendet. „Man erlebt schon schöne Dinge, wenn man so eine Aktion macht“, resümiert Marianne Schilling. Gleich zu Beginn des Nähprojekts, im Januar, musste sie ihre Nähmaschine nach Haßfurt bringen, weil sie plötzlich nicht mehr funktionierte. Als der dortige Reparateur hörte, wofür die Maschine gebraucht wird, verzichtete er auf die Rechnung. „Er meinte zwar, das Ding habe ihm einige Nerven gekostet, aber er habe selbst eine Verwandte durch Krebs verloren und wolle unser Projekt unterstützen“, erinnert sich Marianne Schilling. „Was glauben Sie, wie sehr mich das gefreut hat!“

Jahrelang dafür gespart

Apropos Nähmaschine: Sieglinde Zehenter ist mit ihren 86 Jahren die älteste Herzkissen-Näherin – und ihre Nähmaschine begleitet sie seit sage und schreibe 68 Jahren durchs Leben. „Ich habe sie mir mit 18 Jahren gekauft“, erzählt die frühere Wirtin im „Grünen Baum“ und ihre glänzenden Augen verraten ihre Begeisterung für das Gerät. „Schon als sechsjähriges Kind habe ich an Mutters Nähmaschine genäht – im Stehen, weil ich im Sitzen nicht an die Pedale gekommen wäre. Als ich zwölf war, habe ich für meine kleine Schwester das Einschulungskleidle genäht, aus schwarz-weißem Pepita-Stoff, gesmoket mit gelbem Garn und mit einem weißen Krägele.“

In ihrer Jugendzeit hat Sieglinde dann alle Jobs angenommen, bei denen sie etwas verdienen konnte: „Ich bin zum Beispiel mit den Bauern raus zum Brachen gegangen.“ Für 800 Mark, „des weiß ich noch wie heut'“, hat sie sich dann mit 18 Jahren ganz stolz ihre eigene Nähmaschine gekauft. „Und die geht heut' noch!“

Gemeinsam mit den anderen Frauen sitzt Sieglinde Zehenter rund um den Tisch und vernäht die letzten Herzkissen-Fülllöcher für heute. „Aus den Stoffresten kann man Lavendel-Mäuse machen“, sagt Marianne Schilling, „die können wir dann an Maria Himmelfahrt beim Kräuterbüschelmarkt verkaufen.“

Vor dem Markt wird jedoch erst noch ein großes Fest stattfinden: das 100-jährige Bestehen des Dettelbacher Frauenbundes. Am 8. Juli wird im Kloster-Innenhof mit Live-Musik gefeiert. „Passend zu unserer Herzkissen-Aktion lautet unser Jubiläumsmotto: 'mit Herz'“, informiert Elisabeth Rost. „Wir werden am Skulpturenpark Bäume umhäkeln, eine Bankgruppe sponsern und ein Projekt mit Schulkindern verwirklichen. Wir wollen einfach, dass unser großes Herz auf die ganze Gemeinde übergeht.“

Der Frauenbund feiert

100 Jahr KDFB Dettelbach: Der Dettelbacher Frauenbund mit seinen rund 200 Mitgliedern kann heuer auf ein volles Jahrhundert seines Bestehens blicken.

Das wird natürlich auch gefeiert: Am Freitag, 8. Juli, laden die Frauen ab 19 Uhr zu einem launigen Abend im Kloster-Innenhof ein. Es spielt die bekannte Band „The Hemlocks“, die alle Liebhaber von Rock- und Beatmusik ins Schwelgen bringt – mit Hits der Beatles, Stones, Kinks, von Creedence Clarwater Revival und so weiter.

Der Eintritt ist frei, eine Spende für einen guten Zweck wird erbeten.

Kontakt/ Information: Elisabeth Rost, 0151/ 56080956, pension.rost@web.de