„Wir brauchen die Brückenbauer zur Basisarbeit“, hatte der Rektor gesagt. Viering kann das nachvollziehen. „Wir haben Klassen mit bis zu 28 Kindern. Wenn da zwei auffällige dabei sind, ist normaler Unterricht kaum möglich.“ Der Schulrat verweist darauf, dass die Schulen und Lehrer nicht allein gelassen werden. Es gebe Beratungslehrer, den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst und die Schulpsychologin, die unterstützen. „Gehen Sie bitte an die ran!“, riet er den Lehrkräften. Auch Jugendsozialarbeit gibt es an sieben Schulen im Landkreis, darunter zwei Grundschulen.
Viering geht davon aus, dass einige Erstklässler noch von der Schulpflicht zurückgestellt werden – bis zum 30. November ist das möglich, in der Regel im Einvernehmen mit den Eltern, notfalls ginge das aber auch ohne deren Einverständnis. Bei den meisten Kindern werden sich die Probleme aber noch geben. Davon ist auch Marcel Romanos überzeugt. Wie beispielsweise für Studienbeginner sei für die Erstklässler der Wechsel in der Pandemie besonders schwierig gewesen. „Das sind komplizierte Situationen für die Kinder.“ Es könne sein, dass manche nicht gelernt hätten, sich in größeren Gruppen zurechtzufinden. „Ich bin sicher, das haben die in ein paar Wochen drauf“, so Romanos. „Die brauchen nicht lange, die lernen schnell.“
Er rät dazu, in Gesprächen mit den Schülern und Eltern nicht nur die Probleme anzusprechen, sondern proaktiv zu formulieren: Es sei schön, dass man wieder beisammen sein könne und man habe ein paar Ideen, wie es noch besser klappen könnte...
Doch auch Kindern, die keinen Wechsel durchleben, macht die Pandemie Angst. Es kann jemand krank werden oder sterben. Ein Familienmitglied. Man selbst. Ein Elternteil kann arbeitslos werden, die Familie kann in finanzielle Schwierigkeiten kommen. „Alles das kriegen die Kinder mit“, betont Marcel Romanos. Und dann das Homeschooling: Mögen einen die Freunde noch, wenn man sich so lange nicht gesehen hat? Haben sie vielleicht andere Freundschaften geschlossen?
Besonders Kinder, die sowieso schon schüchtern und ängstlich sind, machen sich darüber Gedanken. Kinder, die während des Lockdowns viel allein waren, weil Mutter oder Vater alleinerziehend sind und arbeiten mussten. Kinder, die daheim unter Druck stehen, weil es Gewalt in der Familie gibt, Alkoholsucht oder Arbeitslosigkeit. „Es gibt klare Risikogruppen“, sagt Dr. Romanos.
Wenn Kinder unter Ängsten, eventuell sogar Depressionen leiden, ist das nicht leicht zu erkennen. Ruhige Kinder werden oft übersehen. Verhaltensänderungen fallen einem neuen Lehrer nicht auf. Das Fehlen im Unterricht, die Verweigerung von Hausaufgaben können als fehlende Motivation fehlinterpretiert werden. Ab einem bestimmten Grad der Ängstlichkeit gehe es nicht ohne Therapie, erklärt der Facharzt. Bei den anderen Kindern sei es wichtig, die Resilienz zu fördern, den Kindern den Glauben an sich selbst, Optimismus, Selbstwertgefühl zu vermitteln. Ein Beispiel für ein solches Präventionsprogramm ist DUDE, „Du und Deine Emotionen“, das derzeit mit 3500 Schülerinnen und Schülern in ganz Nordbayern durchgeführt wird. Auch das Armin-Knab-Gymnasium in Kitzingen nimmt daran teil.
Nicht vergessen werden dürfe laut Dr. Romanos, dass die Jugendlichen trotz aller Schwierigkeiten in der Pandemie auch positive Erfahrungen gemacht hätten. Der plötzlich stark eingeschränkte Flugverkehr habe deutlich gemacht, wie schnell Maßnahmen zu einer Besserung der Klimabedingungen führen können. Die Homeoffice-Regelung habe gezeigt, dass man sehr wohl digital aus der Ferne arbeiten kann. Die junge Leute hätten gemerkt, wie wichtig es sei, etwas Sinnvolles zu tun, hätten ihre Ansprüche verändert, auch ethisch. „Und wenn wir künftig behaupten, dass etwas nicht geht, werden sie uns das nicht mehr glauben. Weil sie gesehen haben: Es geht doch.“