Wie sieht dieser Weg aus?
Kolesch: Zunächst einmal ist es ganz wichtig, dass nicht mehr der Ertrag, sondern die Qualität im Mittelpunkt des Strebens unserer Winzer steht. Und das seit vielen Jahren. Dadurch hat sich schon einmal eine Veränderung im Denken etabliert.
Zu sichtbaren Veränderungen in den Weinbergen hat das aber noch nicht überall geführt.
Kolesch: Wir arbeiten daran. In unserer zehn Hektar großen Versuchsfläche am Thüngersheimer Scharlachberg forschen wir seit zehn Jahren an diesem Thema. Wir haben Blühstreifen und Steinriegel angelegt. Letztere bieten Heimat für Reptilien wie Eidechsen und Schlingnattern, Erstere für alle möglichen Insekten. Wir belassen Totholz ganz bewusst in den Flächen, wollen in den Weinbergshütten wieder Unterschlupf für Fledermäuse oder Schleiereulen bieten. Und wir lassen Teile der Flächen brach liegen, um Bruträume für Vogelarten wie den Fink oder den Wiedehopf zu schaffen.
Da werden viele Winzer aber staunen. Sie müssen mit ihren Flächen schließlich Geld verdienen und wollen die Tierwelt nicht alleine retten.
Kolesch: Das müssen sie auch gar nicht. Unser Ansatz geht dahin, dass wir in Strukturen denken, das Ganze sehen, nicht nur den einzelnen Weinberg. Auch das Umfeld, die Weg- und die Waldränder, die Hecken: All das muss in die Überlegungen und Veränderungen mit einfließen. Blühstreifen zwischen den Zeilen sehen gut aus, aber einen höheren Effekt auf die Biodiversität bringen die Randstrukturen. Dort müssen wir vor allem ansetzen. Dort finden Insekten und Vögel Nahrung.
Die Randstrukturen und die Wegränder sind oftmals gar nicht im Besitz der Winzer.
Kolesch: Und deshalb müssen wir die Kommunen mit ins Boot holen. Die müssen schließlich diese Flächen mähen und dafür auch Personal abstellen. Wir bieten Bürgermeistern und Winzern an, sich bei uns im Versuchsweinberg zu informieren. Wir kommen auch gerne mit unseren Experten vor Ort, um gemeinsam ein Konzept aufzustellen.
Klingt nach viel Arbeit.
Kolesch: Die Biodiversität ist das wichtigste Thema für das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in diesem Jahr. Das geht nun mal nicht ohne Arbeit.
So wie Sie den Versuchsweinberg in Thüngersheim beschreiben, wird sich das Bild der fränkischen Weinlandschaft verändern.
Kolesch: Darauf müssen sich die Menschen natürlich einstellen. Die Landschaft wird nicht mehr so sauber aussehen wie bisher. Falls sauber überhaupt das richtige Wort ist. Wir profitieren doch alle von der Vielfalt.
Gehen die fränkischen Winzer bei Ihren Überlegungen und Plänen mit?
Kolesch: Wir haben bei der ersten Weinbaugebietsversammlung am Dienstagabend in Frickenhausen ein starkes Verständnis bei den anwesenden Winzern für die Thematik gespürt. Gerade die junge Generation ist offen dafür. Ich denke, als Winzer haben wir auch eine gewisse Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft.
Die hat kein Verständnis mehr für den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln wie Glyphosat. Wird es in den fränkischen Weinbergen nach wie vor eingesetzt?
Kolesch: In absoluten Steillagen schon. Aber grundsätzlich lässt sich gut ohne Glyphosat arbeiten. In unserem Versuchsweinberg gelingt uns das seit drei Jahren. Es gibt verschiedene neue Ansätze, Bioherbizide oder biologische abbaubare Folien. Die Forschung ist schon sehr weit. Aber eines muss auch klar sein: Das alles ist mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden.
Und damit mit steigenden Preisen?
Kolesch: Klar. Das muss allen Verbrauchen schon bewusst sein: Man kann hunderte Volksbegehren unterschreiben, aber entscheidend für eine grundlegende Veränderung im landwirtschaftlichen Anbau ist das Verkaufsverhalten der Verbraucher. Sie müssen bereit sein, den Wert für ökologisch nachhaltig erzeugte Nahrungsmittel auch zu bezahlen. Wenn sie da nicht mitgehen – und das gilt für die gesamte Landwirtschaft – dann wird alles scheitern.
Gebietsversammlungen
Die Termine: Donnerstag, 7. Februar, in Nordheim/Main. Beginn um 19 Uhr in der Turnhalle.
Donnerstag, 14. Februar, in Iphofen. Beginn um 19 Uhr in der Karl-Knauf-Halle.