Wer den Verdacht hat, einem Kind könnte sexuelle Gewalt angetan werden, sollte nichts auf eigene Faust gegen den Täter unternehmen. Sabine Zehtmeier klärt in Kitzingen darüber auf, wie man helfen kann.
                           
          
           
   
          Broschüren gibt es viele, aber der Text auf dem Flyer des Vereins "gegen-missbrauch e.V." erschreckt: "Das Lesen dieses Flyers dauert zirka vier Minuten. In dieser Zeit wurden statistisch gesehen zwei Kinder missbraucht!", steht da. Sabine Zethmeier kennt die Wirkung. Sie teilt die Faltblätter in Schulen und Kindergärten bei Elternabenden und Info-Veranstaltungen aus. 
Die Kitzingerin ist im Führungsteam des Göttinger Vereins. In ihrer Heimatstadt kämpft die allein erziehende Mutter gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern.
Sie ist nicht Betroffene, musste in ihrer Kindheit und Jugend solche Schmerzen, Scham, Angst und Demütigungen nicht über sich ergehen lassen. Dennoch hat sie das Thema nicht mehr losgelassen, als sie vor vier Jahren zufällig auf die Homepage des Vereins stieß. 
Sie sei über die hohe Dunkelziffer schockiert gewesen, erzählt Zethmeier. 
300 000 Kinder sollen pro Jahr in Deutschland sexuell missbraucht werden. "Das hat mir sehr zugesetzt. Die Schicksale der Opfer verursachten mir Albträume", sagt sie. 2010 trat sie mit der Ausstellung von Postkarten, die Betroffene gemalt hatten, in die Kitzinger Öffentlichkeit. Seit 2012 macht sie bei Veranstaltungen für Lehrer, Erzieher und Eltern publik, wie die Täter ihre Machtmittel einsetzen und wie sie die Persönlichkeit ihrer jungen Opfer zerstören. 
  
  Oft sind Väter die Täter Oftmals sind es die Väter, die sich zu ihrem eigenen Kind nachts heimlich ins Zimmer schleichen, während die Mutter im Ehebett schläft. Diese Tatsache ist Vereinen wie dem von Zethmeier oder Wildwasser e.V. und der Polizei bekannt. 
Das Polizeipräsidium Unterfranken berichtet, sexueller Missbrauch finde häufig durch Personen statt, die dem Kind vertraut oder bekannt sind. Nur ein Bruchteil der Missbrauchsfälle kommt zur Anzeige. Bei zirka einem Drittel der Anzeigen kommt der Täter direkt aus der Familie des Opfers. 
Im Landkreis Kitzingen registrierte das Polizeipräsidium im Jahr 2010 neun angezeigte Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern unter 14 Jahren. Im Jahr 2011 waren es 17 Fälle. Dieser Anstieg der Anzeigen 2011 sei möglicherweise durch die erhöhte Sensibilisierung der Bevölkerung sowie die verstärkte Medienberichterstattung erklärbar, meint Kriminalhauptkommissarin Kathrin Reinhardt.
  
  Nur sehr wenige Anzeigen  Natürlich ist der Polizei bewusst, dass die Dunkelziffer bei dieser Straftat sehr hoch ist. 
Nach Angaben des Bundeskriminalamts kommen auf eine angezeigte Tat 20 Fälle, die nicht zur Anzeige gebracht werden. 
Was Sabine Zethmeier Antrieb für ihre Kampagne gegen Missbrauch gab, war der Kontakt mit einem Seelsorger. Er berichtete ihr von nicht wenigen Müttern, die sich ihm offenbart hatten, ihr Kind werde von ihrem Partner missbraucht. Aufgrund vieler Gespräche schätzt Zethmeier, dass es in jeder Schulklasse und Kindergartengruppe in Kitzingen wenigstens ein Kind gibt, das sexuell missbraucht wird.
  
  Zentral ist bei all diesen Taten die Verpflichtung des Opfers zur Geheimhaltung durch den Täter.  "Wenn du was erzählst, muss ich ins Gefängnis", droht der Vater. Dem Kind wird die Schuld zugeschoben. 
Es schämt sich und sagt auch deswegen nichts - der Strudel traumatischer Tage, Wochen und Jahre beginnt.
Beim Jugendamt des Landkreises Kitzingen gingen nach Angaben der Pressesprecherin Corinna Petzold im Jahr 2011 zehn Meldungen ein, bei denen Bürger den Verdacht äußerten, ein Kind könne missbraucht werden. 2010 waren es zwölf Hinweise, 2009 nur sechs. Die Zahl bewege sich in diesem Bereich, sagt Petzold.
Wildwasser hatte 2004/2005 aus dem Landkreis Kitzingen 16 Beratungswünsche. Im Jahr 2011 waren es 15 Anfragen aus dem Landkreis Kitzingen, vier Prozent aller Klientenkontakte. Den Jahresberichten von Wildwasser ist zu entnehmen, dass die Kontaktaufnahme mit der Beratungsstelle in vielen Fällen erst Jahre nach Beginn der Gewalterfahrung erfolgte und diese häufig schon im Vorschulalter begann. 
Die meisten Klientinnen berichten, dass ihnen der Täter sehr nahe gestanden hat oder aus dem unmittelbaren familiären Umfeld stammt. So sind zirka die Hälfte der Täter Väter, Stief- und Pflegeväter oder Partner der Mutter.
Zethmeiers Verein sieht sich als eine Plattform für Betroffene. Wer nicht weiter weiß, kann anrufen oder eine E-Mail schreiben. Man sollte sich unbedingt helfen lassen, rät die Kitzingerin. "Wenn zum Beispiel Lehrer auf eigene Faust vorgehen, ist das nicht gut", warnt Zethmeier. "Wenn der Täter spürt, man ist ihm auf der Spur, kann alles noch schlimmer werden." 
  
  Besonnen handeln Wenn Eltern oder Lehrer einen Verdacht haben, dass ein Kind missbraucht wird, sollten sie eine Liste führen, in der sie Auffälligkeiten notieren und alles dokumentieren, zum Beispiel auch Äußerungen des Kindes. 
Sollte sich der Verdacht erhärten, kann eine Beratungsstelle aufgesucht oder angerufen werden. Auch das Jugendamt ist eine mögliche Anlaufstelle. Wirklich helfen könne man, indem man sachlich bleibt. Zethmeier: "Man sollte nur Fakten weitergeben und seine eigene Meinung zurückhalten." 
 Viele Opfer müssten erst eine Therapie durchlaufen, damit sie ein Strafverfahren nach einer Anzeige überhaupt durchstehen könnten.
Zethmeier ist immer wieder unterwegs in Sachen Aufklärung und betreibt Öffentlichkeitsarbeit. Ende November zum Beispiel hielt sie einen Vortrag im Armin-Knab-Gymnasium. Rund 100 Eltern und Lehrkräfte waren gekommen. Sie wies immer wieder darauf hin, dass die Strafverfolgung nicht an erster Stelle stehe, sondern vorrangig den betroffenen Kindern zu helfen sei. 
Dies sei möglich, auch ohne dass die Kinder Einzelheiten erzählen müssen.
Oft arbeitet der Verein mit Dirk Bayer zusammen. Der Pädagoge und Lehrercoach thematisiert das Thema sexueller Missbrauch von Kindern in Form von Theaterstücken, die schon Kindergartenkindern präsentiert werden können. Zu jeder Aufklärungs- und Informationskampagne, die Sabine Zethmeier anstößt, gehören die drei Bausteine Theater, Elternabend und Fortbildung für das Kindergarten- bzw. Schulpersonal. Die Fortbildungstermine und anderen Angebote würden allmählich mehr in Anspruch genommen, berichtet Zethmeier. Sie ermutigt weitere Einrichtungen und Schulen, dies zu tun. 
Der Selbsthilfeverein gegen-missbrauch e.V. besteht fast ausschließlich aus ehrenamtlichen Kräften, die zum Teil auch selbst betroffen waren. Er arbeitet mit vielen Fachverbänden zusammen und kann auch Kontakte vermitteln. 
Seine Arbeit ist grundsätzlich kostenlos. Anfragen über die Internetseite  www.gegen-missbrauch.de  sind ausdrücklich erwünscht. Die Arbeit des gemeinnützigen Vereins, auch die Angebote in Kitzingen, finanzieren sich hauptsächlich über Spenden, die steuerlich absetzbar sind. 
Weitere Hilfen, Beratung und Adressen:
Bei der Polizei www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/sexualdelikte/sexueller-missbrauch-von-kindern.htmlVereine www.gegen-missbrauch.de (gibt man die beiden Worte 
in eine Suchmaschine ein, findet man weitere Angebote); 
www.wildwasserwuerzburg.deSeiten für Kinder www.time4teen.de