Jahrtag des Pogroms: Hinsehen und einschreiten

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Oberbürgermeister Siegfried Müller legt an der Alten Synagoge einen Kranz nieder. Gut 70 Bürger, nicht nur aus Kitzingen, waren mit dabei. .
Foto: Robert Haass

Gut 70 Kitzinger haben an die Reichspogromnacht und damit an eine der dunkelsten Stunde in der Geschichte der Stadt erinnert.

Es war die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938: In Deutschland brennen die Synagogen. Auch in Kitzingen steht das jüdische Gotteshaus in Flammen: Es ist „eine der dunkelsten Stunden und Epochen unserer Geschichte“, sagt Oberbürgermeister Siegfried Müller am Donnerstagabend an der Gedenktafel an der Alten Synagoge mitten in der Stadt. Zum Gedenken an den Jahrestag legt er zusammen mit gut 70 Kitzingern einen Kranz nieder.

Synagoge in hellen Flammen

„In Kitzingen“, so Müller „stand die Synagoge in hellen Flammen, jüdische Geschäfte wurden zerstört und geplündert, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger drangsaliert, misshandelt und Inhaftiert.“ Eine Nacht voller Schrecken und Brutalität, die für die jüdischen Deutschen nicht enden wollte. Eine Nacht, die bereits auf den Holocaust hinwies „jenes unfassbare Verbrechen, das uns bis heute mit Trauer, Scham und Entsetzen erfüllt“.

Den Opfern Respekt erweisen

Warum nach 79 Jahren immer noch Erinnerung daran: „Wir möchten den Opfern unseren Respekt erweisen. Und wir möchten bekunden, dass wir nicht vergessen und verdrängen, welche Untaten von Deutschen und in deutschem Namen begangen wurden“, sagte Müller. Das seien wir den Opfern aber auch uns selbst schuldig. Denn auch heute gibt es nach wie vor Menschen, die „die Wahrheit leugnen und das Ausmaß der Verbrechen kleinreden wollen“. Aber: „Nur wer die Wahrheit und die Vergangenheit kennt, kann Schlüsse aus der Geschichte ziehen“, so der Oberbürgermeister.

Lernen aus der Geschichte heißt auch: Eine zu allem entschlossenen Minderheit reicht aus, um in die Barbarei abzugleiten. deshalb der Appell des OB: „Es ist wichtig, immer hinzusehen und einzuschreiten, wenn Menschen Beistand brauchen, wenn sie diffamiert, ausgegrenzt und an Leib und Leben bedroht werden.“ Gedenken verbindet Vergangenheit und Gegenwart, so Müller. Unsere Geschichte zeigt, wie schnell Werte gefährdet sein können. „Und damit ruft sie uns auf, immer genau hinzusehen und sofort einzuschreiten, wenn Menschen bedroht und Freiheit und Demokratie gefährdet sind.“

Die Gedenkstunde an die Pogromnacht ist auch ein Bekenntnis für die Errungenschaften der freien und demokratischen Gesellschaft. „Wir wollen alles dafür tun, damit Kitzingen, damit Deutschland ein Ort ist und bleibt, in dem alle Menschen ihre Religion praktizieren und ihre Überzeugung vertreten, in dem alle friedlich und sicher leben können“, so Müller.