Der Deutsche Gewerkschaftsbund schlägt Alarm: Immer mehr Vollzeitbeschäftigte verdienen zu wenig. Eine Verkäuferin aus dem Landkreis Kitzingen hat besonders Übles erlebt. Jetzt will sie gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber klagen.
                           
          
           
   
          Der Tag, an dem Monika Hiller 
(Name von der Redaktion geändert) mit einem Bekannten vereinbarte, künftig in seinem Betrieb mitzuarbeiten, war kein guter Tag. Doch das ahnte die heute 61-Jährige aus dem Landkreis Kitzingen freilich nicht. Sie machte sich keine Vorstellung davon, dass sie in der Fachhandlung ihres Bekannten ausgebeutet werden sollte.
Im Mai 2007 begann die ausgebildete Einzelhandelskauffrau mit ihrer Tätigkeit als Verkäuferin in dem Geschäft. Sie hatte eine 40-Stunden-Woche und verdiente 1200 Euro brutto im Monat. Eine baldige Erhöhung war in Aussicht gestellt - doch die gab es nicht. "Als ich ihn darauf angesprochen und mal nachgefragt habe, wurde ich ganz brüsk abgewiesen", erzählt Monika Hiller, die ihren richtigen Namen nicht preisgeben möchte, weil sie gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber Klage einreichen wird.
Zu der mickrigen Entlohnung kamen Schikanen. 
Hiller sollte ihre Arbeitszeit um knapp zwei Stunden in den Abend verschieben, obwohl ihr Chef genau wusste, dass sie dann nicht mehr den letzten Bus nach Hause erwischen kann. Und Urlaubsgeld zahlte der Geschäftsinhaber gerade, wie er Lust hatte. 
  
  Immer mehr Aufgaben Im Laufe der vergangenen Jahre wurden Hiller immer weitere Aufgaben gestellt - aber sie dafür nicht entlohnt. "Ich habe den Posten einer Abteilungsleiterin ausgefüllt, bin aber nicht so bezahlt worden", sagt sie. Statt der 2505,04 Euro, die ihr als Abteilungsleiterin der Beschäftigungsgruppe III im neunten Berufsjahr zugestanden hätten, bekam Monika Hiller in den Jahren 2009 bis 2011 monatlich nur 1450 Euro Bruttogehalt überwiesen. 
Eine Differenz von insgesamt 37.562,51 Euro ist aufgelaufen zwischen dem Tarifgehalt und den Beträgen, die die 61-Jährige erhalten hat. 
Ausgerechnet hat dies die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, bei der Hiller im Herbst Mitglied wurde. Verdi hat eine Aufstellung angefertigt, die Hillers Rechtsanwalt als Basis für die Klage vor dem Arbeitsgericht braucht. 
Denn genau dort wird der Fall nun landen. "Mit fünf bis sechs Euro in der Stunde wurde Frau Hiller sittenwidrig entlohnt. Ihr Chef hat massiv gegen den gültigen Tarifvertrag im Bayerischen Einzelhandel verstoßen", sagt Peter König, Gewerkschaftssekretär Verdi Bezirk Würzburg/Aschaffenburg.
  
  Schon der vierte Fall "Sie ist schon die vierte Kollegin, die wir vertreten", sagt König. Der Handel sei eine umkämpfte Branche, deswegen gebe es auch dieses Lohndumping. Jahrzehntelang sei die Tarifbindung im Handel verbindlich gewesen, seit dem Jahr 2000 nicht mehr, bedauert König. 
"Deswegen brauchen wir den gesetzlichen Mindestlohn im Handel", fordert der Gewerkschaftssekretär.
Im Einzelhandel, aber auch im Dienstleistungsgewerbe ist die Gefahr einer schlechten Bezahlung groß. Das geht aus einer Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbunds hervor. Erstmals legt der DGB regionale Daten zum Niedriglohnsektor vor. Konkret lag die Schwelle 2010 in allen westdeutschen Ländern bei einem monatlichen Bruttogehalt von 1890 Euro.
Im Landkreis Kitzingen rutschen Vollzeitbeschäftigte noch weit häufiger in den Niedriglohnbereich ab als in den alten Bundesländern. Dies gilt für Erwerbstätige ohne Berufsabschluss ebenso wie für solche mit Ausbildung. 4748 Vollzeitkräfte in der Region Kitzingen verdienen laut Verdi miserabel. Im Jahr 2010 arbeiteten bereits 24,6
Prozent aller Vollzeitbeschäftigten lediglich für einen Niedriglohn, Auszubildende sind nicht einmal mitgezählt. 
Auch qualifizierte Arbeitskräfte schuften oftmals für nur ein mickriges Gehalt.
  
  Niedriglöhne gegen Fachkräftemangel "Dieses überdurchschnittlich hohe Niedriglohnrisiko von qualifizierten Arbeitskräften passt nicht zu den Klagen von Arbeitgebern über Fachkräftemangel", sagt Gerhard Heß, Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Kitzingen. Dies sei vielmehr ein Indiz dafür, dass Beschäftigte teils im erlernten Beruf keinen Job finden oder nicht qualifikationsgerecht vergütet werden. Je länger diese Situation andauere, desto weniger wert sei die erworbene Qualifikation.
Der hohe Niedriglohnsektor in der Region ist nach Einschätzung des DGB auch eine Zeitbombe für Altersarmut. Wer über einen längeren Zeitraum wenig verdient, wird künftig verstärkt von Geldmangel bedroht sein. 
Hinzu kommt, dass private Vorsorgerücklagen bei kleinen Einkommen so selten sind, dass das soziale Problem der Altersarmut dadurch kaum gemindert werden kann.
Volker Wedde, Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern, bedauert Monika Hillers Fall. Er vertritt zwar die Arbeitgeberseite, betont jedoch, dass in den Mitgliedsunternehmen maßvolle Abweichungen zum Tarifvertrag zugelassen werden, aber keine sittenwidrigen Löhne. Wenn der Handelsverband mit der Gewerkschaft Tarifverträge abgeschlossen hat, würden die Mitglieder beraten und dazu angehalten, die Vereinbarungen einzuhalten. "Wir können die Unternehmen aber nicht dazu zwingen", sagt Wedde. Um ein Basisentgelt habe der Verband kürzlich noch mit Verdi verhandelt. Leider sei die Zusammenarbeit auf Bundesebene von der Gewerkschaft beendet worden.
Monika Hiller verfolgt das alles nur am Rande. Sie hat inzwischen die Kündigung bekommen und ist krankgeschrieben. In ein oder zwei Wochen soll ihre Klage eingereicht werden. "Ich schluck' viel, aber irgendwann ist mal Schluss", sagt sie.    
 
Wieder wird sich nichts ändern! Ein seit Jahren bekanntes Problem. Da es um den kleinen Bürger geht wird sich da auch nichts ändern.