Grundsicherung im Alter nimmt zu

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Stellencafe der Agentur für Arbeit
Das Kitzinger Jobcenter stellt sich auf steigende Zahlen ein: Aktuell gibt es 2350 Hartz-IV-Empfänger im Landkreis.
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Foto: Jens Büttner (DPA)
Toni Orth
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Das Jobcenter ist längst nicht nur für Hartz IV da. Altersarmut und zunehmend auch die Welle der anerkannten Asylbewerber stellen weitere Herausforderungen dar.

Das Jobcenter ist längst nicht nur für Hartz IV da. Altersarmut und zunehmend auch die Welle der anerkannten Asylbewerber stellen weitere Herausforderungen dar. Dazu Fragen an Toni Orth, Chef des Kitzinger Jobcenters.

Frage: Wie viele Hartz IV-Empfänger gibt es aktuell im Landkreis – und wie war der Wert im Vorjahr?

Toni Orth: Aktuell erhalten etwa 2350 Personen Leistungen nach dem SGB II. Im September des Vorjahres waren es 2294 Leistungsbezieher gewesen.

Welche Kosten schlagen dafür zu Buche?

Orth: Für die bundesfinanzierten Leistungen des Lebensunterhaltes sind 5,1 Millionen Euro in 2015 veranschlagt. Für die vom Landkreis zu tragenden Unterkunfts- und Heizungskosten sowie die Leistungen zur Bildung und Teilhabe sind in 2015 Ausgaben in Höhe von 4,4 Millionen Euro eingeplant. Weitere Kosten bilden das Verwaltungsbudget in Höhe von 1,4 Millionen Euro sowie das Eingliederungsbudget von einer Millionen Euro.

Wie sind derzeit die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Hartz-IV-Empfänger?

Orth: Der Arbeitsmarkt entwickelt sich auch für diesen Personenkreis bislang noch günstig. Heuer konnten wir bereits 380 Integrationen in den Arbeitsmarkt verbuchen, das sind 4,1 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass EU-Bürgern nicht automatisch Hartz IV zusteht. Wie viele zugewanderte EU-Bürger bekommen im Landkreis Sozialleistungen?

Orth: In unserem Landkreis stehen etwa 250 EU-Bürger im Leistungsbezug, vor allem Griechen, Polen und Bulgaren. Zu berücksichtigen ist, dass da auch Personen dabei sind, die seit vielen Jahren in Deutschland leben oder die länger als ein Jahr erwerbstätig waren und somit vom Urteil nicht erfasst werden.

Wie beurteilen Sie das Gerichtsurteil?

Orth: Das Urteil begrenzt die direkte Zuwanderung von EU-Bürgern in unser Sozialleistungssystem, vor allem aus Südosteuropa, und hat kostendämpfende Wirkung.

Thema Flüchtlinge: Ist es richtig, dass diese nach der Asylanerkennung im Jobcenter landen?

Orth: Bis auf wenige Ausnahmen übernehmen wir bislang alle Flüchtlinge nach deren Asylanerkennung in den Leistungsbezug durch das Jobcenter.

Von welchen Zahlen sprechen wir im Moment?

Orth: Aktuell erhalten 90 Flüchtlinge, vor allem Syrer, Leistungen nach dem SGB II durch unser Jobcenter. Weitere 50 Flüchtlinge sind nach ihrer Asylanerkennung und der Übernahme in den SGB II-Rechtskreis aus dem Landkreis verzogen, vornehmlich in Großstädte.

Welche Zahlen erwarten Sie bis Jahresende?

Orth: Die Flüchtlingszahlen wirken sich bei uns erst verzögert aus. Die Zugänge sind abhängig von der Dauer der Asylverfahren und der Anerkennungsquote. Insofern schätzen wir unter Berücksichtigung der wegziehenden Flüchtlinge bis Jahresende eine Flüchtlingsanzahl von 150 bis 180 im Leistungsbezug unseres Jobcenters als realistisch ein.

„Flüchtlingszahlen wirken sich bei uns verzögert aus.“
Toni Orth sieht derzeit keine größeren Probleme für das Jobcenter
Was bedeutet das für das Kitzinger Jobcenter mit Blick auf Personal und Geld?

Orth: Für das laufende Jahr stellt uns der Flüchtlingsandrang noch vor keine größeren Probleme, weder personell noch finanziell. Die volle Wirkung erwarten wir erst ab 2016, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine riesigen Rückstände abarbeitet. Bislang landen neun von zehn anerkannten Flüchtlingen im Jobcenter. Sie wickeln auch sehr rasch ihre Familiennachzüge ab, so dass die Zahl der Hilfebedürftigen zusätzlich stark ansteigen wird. Ich hoffe sehr, dass beim Bund so viel Realitätssinn vorhanden ist, dass die Jobcenter für die Verwaltung sowie den aktiven Einsatz der Förderinstrumente dringend entsprechende finanzielle Ausstattung brauchen.

Wie viele Mitarbeiter hat das Jobcenter derzeit?

Orth: 21 Beschäftige der Bundesagentur für Arbeit und 13 Beschäftigte des Landkreises Kitzingen.

Wie hoch ist die Quote der Sanktionen?

Orth: Jährlich werden an die 400 Sanktionen erteilt. Dabei entfallen alleine 300 Sanktionen auf Meldeversäumnisse sowie die Weigerung, eine Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme aufzunehmen oder fortzuführen.

Wann bekommt man Warengutscheine und wie viele werden pro Monat ausgegeben?

Orth: Ein Lebensmittelgutschein wird ausgestellt, wenn eine Person, deren Regelleistung um mehr als 30 Prozent abgesenkt worden ist, dies beantragt. Das trifft derzeit auf zehn Leistungsempfänger zu. Je nach gewährtem Zeitraum stellen wir monatlich etwa 25 Gutscheine aus.

Wie ist Ihr Eindruck: Nimmt die Armut auch im Landkreis Kitzingen zu?

Orth: Da muss man differenzieren. Die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften ist in den vergangenen Jahren in unserem Landkreis kontinuierlich zurückgegangen. Der Kinderarmut ist mit den Bundesleistungen des Bildungs- und Teilhabepakets sehr wirksam begegnet worden. Leider steigt – wie überall im Land – die Altersarmut.

Die Rentenentwicklung sowie prekäre und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sorgen dafür, dass zunehmend viele ältere Menschen die Grundsicherung im Alter beanspruchen müssen oder aus Scham darauf verzichten und dann sogar unterhalb des Existenzminimums leben.

Wenn Sie einen Ausblick auf 2016 wagen müssten . . .

Orth: . . . dann würde ich mich der Prognose der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles anschließen, die auf Grund der aktuellen Entwicklung mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen rechnet.