Diesen Winter gibt es bislang kein Gedränge an den Vogelhäuschen. Das milde Wetter bietet den Tieren viel Futter. Naturschützer graut jedoch vor der Entwicklung.
                           
          
           
   
          Klaus Petter schaut durch sein Fernglas. Er steht im Wohnzimmer seines Hauses und blickt über den Fahrradweg in Richtung seines Gartens in der Mainaue. 24 verschiedene Arten von Wildvögeln hat er insgesamt in diesem Grundstück beobachtet. Früher, jetzt nicht mehr so oft. 
  
  Heuer hatten Klaus und Elke Petter im Gegensatz zu anderen Jahren keine Lust mehr, bei der Zählung der Wintervögel mitzumachen. "Es ist einfach zu lau", lautet ihre Begründung. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) hatte vom 4. bis 6. Januar dazu aufgerufen. Die Mitmachaktion gibt es jedes Jahr. Dabei kann jeder Interessierte die gefiederten Tiere in seinem Garten, Balkon oder am Futterplatz eine Stunde lang beobachten, zählen und das Ergebnis melden. Im Mittelpunkt der Aktion stehen vertraute und oft weit verbreitete Vogelarten wie Meisen, Finken, Rotkehlchen und Spatzen. 
Durch die Dokumentation der Bevölkerung verspricht sich der LBV Auskunft darüber, wo genau und wie häufig die Vogelarten vorkommen.
Klaus Petter ist der Vorsitzende der Mainstockheimer Ortsgruppe des Bund Naturschutz in Bayern e.V. Er hat sein Grundstück naturnah gestaltet. "Es gibt hier keinen Golfrasen", sagt er. 
  
  Petter ist beunruhigt. Der bislang äußerst mild verlaufene Winter ist für ihn ein Indiz des Klimawandels. Ringeltauben, Stare und Kiebitze hat er schon gesehen, es sind eigentlich Zugvögel.  Sie haben sich aber nicht auf die Reise in den warmen Süden gemacht. Exemplare, die in der Gegend bleiben, nehmen im Frühjahr ihren Artgenossen Nistgelegenheiten weg, indem sie sie vor deren Ankunft besetzen. Und sie konkurrieren mit ihnen um Nahrung für die Jungen. 
Auf Petters Futterhäuschen sind die Tiere heuer nicht angewiesen. 
Weil kein Schnee liegt, ist der Tisch in der Natur reich gedeckt. Die Amseln drehen das Laub unter den Sträuchern um und finden Regenwürmer. "Der Klimawandel macht sich an der Futterstelle bemerkbar", sagt Klaus Petter.
  
  Wer dennoch planlos Körner und Samen auslegt, tut den Vögeln nichts Gutes.  Denn sie verlieren dadurch ihren natürlichen Drang zur Futtersuche. "Auch wo im harten Winter nicht gefüttert wird, überleben die Vögel", betont Klaus Petter. Nur bei Schnee und Eis funktioniere die natürliche Auslese. Wenn das Wetter zu warm ist und der Mensch sich falsch verhält, könnten sich krankmachende Einflüsse in der gefiederten Tierwelt ausbreiten. 
Bei den Zählungen werden die Nord-Süd und Ost-West-Wanderungen dokumentiert. 
Liegt eine geschlossene Schneedecke, zieht zum Beispiel der Eisvogel so weit nach Süden, bis er Bachläufe gefunden hat, die nicht zugefroren sind und an denen er jagen kann.
Robert Endres, der Kitzinger Kreisgruppenvorsitzende des LBV, hat den Klimawandel drastisch vor Augen geführt bekommen, als die Meisen an den milden Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr anfingen, zu balzen und Nester zu bauen. An Heiligabend flogen die Stechmücken durch die Luft, Palmkätzchen sind aufgebrochen.
"Noch deute ich das milde Wetter als eine Laune der Natur", sagt Endres. Auffällig sei es aber schon, dass die vergangenen Winter nicht mehr kalt waren und es Frostperioden nur für eine oder zwei Wochen gab.
Weil die Kälteperioden zu kurz sind, können Schädlinge den Winter überleben. Auch Parasiten, die im Gefieder der Vögel leben. 
  
  Viele Vögel ziehen gar nicht mehr in den Süden. Sie bekommen es dann manchmal sogar mit Exoten zu tun, die wegen der milden Witterung vermehrt in nördliche Gefilde wandern, zum Beispiel die Nilgänse, deren Ankunft im vergangenen Jahr noch eine Sensation war.  Die fressen den heimischen Vögeln das Futter weg und stecken sie mit Krankheiten an, gegen die die heimische Fauna keine Abwehrkräfte hat.
Wie sollte sich der Vogelfreund verhalten? Das übliche Futter, das es beim Discounter säckeweise gibt, können die meisten Vögel gar nicht fressen. Teilweise enthalten die Mischungen Körner von exotischen Pflanzen oder giftigen Saaten, die dadurch eingeschleppt werden. 
Der LBV hat nach dem Zähl-Wochenende ein erstes Zwischenergebnis der Aktion übermittelt. Bis zum 14. 
Januar können die Daten vom Aktionswochenende noch unter   www.stunde-der-wintervoegel.de   gemeldet werden. Das Endergebnis wird Ende Januar bekannt gegeben.
Große Überraschungen sind bisher das gute Abschneiden der Kohlmeise (1. Platz) und des Feldsperlings (2. Platz), während Spatz (nur noch 3.) und Amsel zum Teil noch schlechter dastehen als 2012. Dazu halten sich laut Pressemitteilung derzeit einige Seidenschwänze in Bayern auf.
Noch könnten die Zahlen stark schwanken, so der LBV. Bei Grünfink, Amsel und Buchfink werde ein Rückgang deutlich. Hier seien die genauen Gründe im Einzelnen noch unklar.
Ein Highlight der Zählung war die Erkenntnis, dass Bayern derzeit eine kleine Invasion des Seidenschwanzes erlebt. Dieser Wintergast kommt aus Sibirien.
  
  Klaus Petter hat für seinen Bereich festgestellt, dass die Artenvielfalt der Wintervögel zurückgegangen ist. Seiner Meinung nach geht der Klimawandel zu schnell, er lasse den Tieren zu wenig Zeit sich umzustellen.  Wer wie er derzeit wenige Vögel am Futterhäuschen sehe, brauche sich nicht zu wundern. Petter: "Das ist der Klimawandel; schuld an diesem Phänomen ist der Mensch."