Vor 30 Jahren hat Karl-Josef Kieser erkannt: Gemeinsam geht's auch im Hotelfach besser als allein.
Er hat mehr erlebt als wir alle. Der dicke, dunkle, runde Holzbalken. Die Haussäule in der Münsterschwarzacher Gaststube "Zum Benediktiner" ist an manchen Stellen eingekerbt. Unter anderem sind die Hochwasser-Marken von 1771 und 1784 eingeritzt. Karl-Josef Kieser fährt mit der Hand über das Holz und klopft dann fast freundschaftlich darauf. Der Senior-Chef der Gaststätte nebst Hotel sagt: "Das hier ist der Niedrigste der Benediktiner." Warum? "Die Stube liegt zwölf Meter tiefer als die Abtei."
Ja, Humor hat er, der Herr Kieser. Und den hat er auch gebraucht, in 86 ereignisreichen Lebensjahren. Nachdem er Ende der 70er Jahre sein Hotel im Schatten der Abtei-Türme eröffnet hatte, merkte er schnell, dass ein solcher Betrieb auf dem Land einen starken Verbund brauchen kann, um zu überleben.
Zusammen mit Hotelier-Kollegen bildete er zunächst die Gruppe "Landflair", 1983 gründete der harte Kern im Frankenland dann die "Flair Hotel"-Gruppe. Dieser haben sich bis heute knapp 100 Betriebe aus Deutschland, Österreich und Italien angeschlossen. Sie ist damit eine der größten Hotelkooperationen im deutschsprachigen Raum.
Flair - der Name ist bis heute Programm. Mitglieder der Kooperation können familiengeführte Hotels der gehobenen Mittelklasse werden, die regionaltypisches Charisma haben und Wert auf entsprechende Angebote für den Gast legen.
"Es dürfen keine sterilen Hotels sein", erklärt Hubertus Kieser, einer von vier Söhnen des Seniorchefs. Hubertus leitet das Hotel sowie seit einem Jahr auch die Gaststätte.
"Jedes Haus soll seinen einzigartigen, heimatverbundenen Charakter haben und verlässlich Qualität bieten, auch kulinarisch." Die einzelnen "Flair Hotels" liegen mindestens 25 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt, um die Individualität zu schützen.
Warum aber braucht Familie Kieser überhaupt eine Kooperation, die sie ja auch mitfinanzieren muss? "Zusammen kann man besser werben und überregional eine starke Marke etablieren", erklärt Hubertus Kieser. "Und das ist in einem umkämpften Markt sehr wichtig." Ohne Kooperationspartner könnte man zum Beispiel die nötigen Spezialisten für alle Internet-Aktivitäten kaum bezahlen. "Im Bereich Online- und Internet-Marketing hat sich ganz, ganz viel getan.
Da ist es alleine kaum möglich, Schritt zu halten."
Basisdemokratie Anders als bei großen Hotelketten, wo von oben nach unten Dienstanweisungen gegeben werden, sind die Mitglieder der Flair-Kooperation gleichberechtigt. "Manchmal gibt es bei Sitzungen schon heiße Köpfe", erzählt Hubertus Kieser. "Aber das ist Basisdemokratie: Jeder wird gehört. Man tauscht sich aus. Und am Ende findet man den bestmöglichen Kompromiss."
Das Beste für alle herauszuholen, war schon immer die wichtigste Aufgabe des Flair-Verbundes. Karl-Josef Kieser war der erste geschäftsführende Präsident der Gruppe. Er hat am eigenen Leib erlebt, wie die Anforderungen stiegen - und damit auch der Arbeitsaufwand.
Während er die gesamte Administration für die Gruppe am Anfang nebenbei an seiner Rezeption in Münsterschwarzach erledigte, sind heute in der Zentrale in Ochsenfurt mehrere Mitarbeiter professionell damit beschäftigt.
Wenn Flair-Mitgründer Karl-Josef Kieser heute von all den Online-Aktivitäten, dem "Cross Selling" oder der innovativen Hotel-App hört, zieht er manchmal die Augenbrauen hoch. Die Zeiten haben sich geändert - so viel ist klar. "Aber eins ist gleich geblieben", meint der heutige Ehrenpräsident der Flair-Hotel-Kooperation mit Blick auf die grundsolide Haussäule in der Benediktiner-Gaststube: "Am Ende entscheidet immer die Qualität."