Peter Laumer: Bei mir war der Ostermarsch 1986 in Wackersdorf ein sehr einprägsames Erlebnis. Inmitten von Zehntausenden, die in kilometerlangen Kolonnen zur Anlage marschierten, wurde auf einmal deutlich, welche Massenbewegung da entstanden war. Am Zaun geriet ich das erste Mal persönlich in einen Angriff mit Wasserwerfern und Tränengas. Im Bus auf der Heimfahrt waren wir tatsächlich in der Stimmung, eine Schlacht überstanden zu haben. „No pasarán!“ – sie werden mit dieser Atomanlage nicht durchkommen! Und das hat sich ja auch bestätigt.
Frage: 30 Jahre nach der Anti-Atom-Bewegung ist der Atomenergie-Ausstieg beschlossene Sache. Hätten die etablierten Parteien eher auf die Grünen hören sollen? Christa Büttner:
Ja, denn dieser Fehler hat langfristige Folgen. Es dauert viel zu lange, bis leistungsfähige Speichermöglichkeiten entwickelt werden.
Peter Laumer: Auch bei den damaligen Altparteien gab es ja schon vor den Grünen kluge Köpfe, die die Sackgasse der Atomenergienutzung erkannt hatten – etwa Carl Amery bei der SPD oder in der CDU Herbert Gruhl. Allerdings hatten diese innerhalb ihrer eigenen Organisationen keine Chance, sich gegen die bestens vernetzten Stromkonzerne durchzusetzen.
Die Atomfrage war deshalb der entscheidende Treiber für die Grünen, den Sprung von der Bewegung zur Partei zu wagen. Dabei war uns immer klar, welch langen Atem eine Energiewende benötigen würde. Es ist kein Zufall, dass von den Ländern, die das technologische und wirtschaftliche Potenzial dafür haben, gerade Deutschland mit seiner inzwischen „etablierten“ Grünen Partei mit der Energiewende ernst macht.
Frage: Wie wird sich die Parteienlandschaft in Deutschland entwickeln und wo sehen Sie die Grünen in zehn Jahren?
Peter Laumer: Einige Politikwissenschaftler sehen eine fortschreitende Aufsplitterung voraus. Beim Blick auf Entwicklungen in Nachbarstaaten erscheint mir das durchaus plausibel. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass im übernächsten Bundestag sechs oder gar sieben Parteien sitzen. In zehn Jahren werden die Grünen in mindestens drei Bundesländern die Ministerpräsidentin stellen. Christa Büttner: Falls die AfD mehr Wähler gewinnen wird, denke ich trotzdem nicht, dass SPD oder CDU mit ihnen koalieren werden. Und deshalb werden für mich Koalitionen mit den Grünen wahrscheinlicher. Auch wenn diese mit unliebsamen Kompromissen verbunden sind, sehe ich es immer noch eher positiv für die Gesellschaft.
Die Kitzinger Grünen können ihren 35. Geburtstag feiern
Peter Laumer: Der 1960 geborene Wirtschaftsingenieur aus Schwarzach trat den Grünen 1985 bei, engagierte sich lange Zeit im Vorstand und im Kreistag. Der ÖPNV war eines der großen Themen, die der zweifache Vater immer wieder in die öffentliche Diskussion rückte.
Christa Büttner: Die 1953 geborene kaufmännische Angestellte aus Kitzingen ist schon seit zwei Jahrzehnten Vorstandsmitglied der Landkreisgrünen und heuer im 17. Jahr Kreisrätin. Die zweifache Mutter sagt: „Ich engagiere mich, weil ich auf die Fragen meiner Kinder mit gutem Gewissen antworten möchte, dass ich mich bemüht habe, etwas gegen die drohende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu tun.“
Bündnis 90/Die Grünen: Die bündnisgrüne Partei (auch Grüne, B’90/Grüne oder „Die Grünen“ genannt) hat sich speziell der Umweltpolitik, der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit verschrieben. Wie die Bundespartei wird heuer auch der Kreisverband Kitzingen 35 Jahre alt.
Entwicklung: Aus der Anti-Atomkraft-Bewegung, aus Umwelt- und sozialen Aktionen sowie der „Neuen Linken“ der 70er Jahre gründete sich in Westdeutschland am 12./13. Januar 1980 die Partei „Die Grünen“. Eine zweite Entwicklungslinie geht auf die Bürgerbewegung in der DDR zurück.
Die Grüne Partei der DDR fusionierte 1990 mit den westdeutschen Grünen. *LDK*