Erste Hilfe: Leben retten kann man lernen!

2 Min
Plötzlicher Herzstillstand: Zeugen können den Kollabierten retten. So wie Amina Schmitt und Karolin Leipold es an Tobias Bauer demonstrieren. Foto: Diana Fuchs
Plötzlicher Herzstillstand: Zeugen können den Kollabierten retten. So wie Amina Schmitt und Karolin Leipold es an Tobias Bauer demonstrieren. Foto: Diana Fuchs
Karolin Leipolds Hände drücken fest auf den Brustkorb. Foto: Diana Fuchs
Karolin Leipolds Hände drücken fest auf den Brustkorb. Foto: Diana Fuchs
 
Dr. Stephan Rapp zeigt: Mund-zu-Nase-Beatmung ist nicht schwer. Foto: Diana Fuchs
Dr. Stephan Rapp zeigt: Mund-zu-Nase-Beatmung ist nicht schwer. Foto: Diana Fuchs
 
Foto: Diana Fuchs
Foto: Diana Fuchs
 
Foto: Diana Fuchs
Foto: Diana Fuchs
 
Sven Appold. Foto: Diana Fuchs
Sven Appold. Foto: Diana Fuchs
 

Die ersten Minuten entscheiden über Leben und Tod. Beim plötzlichen Herzstillstand ist der Laie das erste Glied in der Rettungskette.

Kurz vor Feierabend war es. Urplötzlich kippte Hugo S. aus Kitzingen von seinem Bürostuhl. Er fasste sich noch an die Brust, gab einen seltsamen Laut von sich - und schon lag er auf dem Boden. Seine beiden Kollegen liefen herbei, knieten sich neben ihn und registrierten, dass Hugo nicht mehr atmete. Sie zauderten nicht. Einer rief die 112 an, der andere begann mit einer Herzdruckmassage. "Zum Glück waren sie da. Sonst hätte er das nicht überlebt", stellt Notarzt Dr. Stephan Rapp fest.

Jedem kann es passieren, dass plötzlich "das Herz stehen bleibt" - durch Krankheit, Unfall, Schrecken. Der Betroffene wird sofort bewusstlos, atmet nicht mehr normal oder gar nicht mehr. Mindestens einmal pro Woche bricht ein Mensch im Landkreis Kitzingen ähnlich wie Hugo W. zusammen. 80 Mal wird der Notdienst hier jährlich zu einem Herz-Kreislauf-Kollaps gerufen.

"Nach wenigen Minuten ohne Sauerstoff wird das Gehirn bleibend geschädigt", erklärt Dr. Rapp, Chefarzt der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin der Klinik Kitzinger Land. Deshalb ist es ganz falsch, einfach auf den Rettungsdienst zu warten, der manchmal viele Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt ist. Wenn nach einem Herzstillstand nicht innerhalb kürzester Zeit Erste-Hilfe-Maßnahmen beginnen, ist der Patient dem Tode geweiht. Mit einer einfachen Herzdruckmassage - 100 mal pro Minute auf den Brustkorb drücken - wird seine Überlebens-Chance verdreifacht. "Der Laie hat es in der Hand, den Menschen vor sich zu retten." Der Laie ist das erste Glied in der Rettungskette.

Aber was, wenn der Unfallzeuge unsicher ist? Wenn sein Erste-Hilfe-Kurs Jahrzehnte zurückliegt und er Angst hat, etwas falsch zu machen? Dr. Rapp kennt diese Fragen. Er stellt klipp und klar fest: "Man kann nichts falsch machen! Das Falscheste, was man tun kann, ist nichts zu tun." Am besten ist eine Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung in Verbindung mit der Herzdruckmassage: 30 Mal drücken, zwei Beatmungen, dann das Ganze von vorn. Wer partout nicht beatmen möchte, weil er zu viel Angst vor dem körperlichen Kontakt hat, konzentriert sich auf die bloße Herzdruckmassage. "Damit ist schon viel gewonnen!"

Um das allen Menschen klar zu machen, haben die deutschen Anästhesisten unter der Schirmherrschaft des Gesundheitsministeriums die "Woche der Reanimation" ins Leben gerufen. Denn im europäischen Vergleich ist Deutschland in Sachen Wiederbelebung ein Entwicklungsland. Nur in 17 Prozent der Fälle eines plötzlichen Herzstillstandes ergreifen Laien wiederbelebende Maßnahmen; in Holland sind es 70 Prozent. Dadurch, dass sich nur wenige Deutsche trauen zu helfen, sterben jährlich etwa 6000 Menschen.


Prüfen. Rufen. Drücken.

Dabei ist es eigentlich ganz leicht, Lebensretter zu werden. Sven Appold, Leiter des BRK-Rettungdienstes Kitzingen, benennt die drei Säulen für jeden Notfall: "1. Prüfen. 2. Rufen. 3. Drücken." Im Klartext: Als Erstes prüft man, ob der kollabierte Mensch bei Bewusstsein ist und ob er atmet. Ist dies nicht der Fall, wählt man die 112 - den Notruf. Als Drittes legt man beide Hände übereinander, sucht den Punkt zwischen den Brustwarzen und drückt mit durchgestreckten Armen das Brustbein des Kollabierten nach unten - fünf bis sechs Zentimeter -, und zwar gut 100 Mal pro Minute. "Hören Sie nicht auf, bevor Hilfe eintrifft!", schärft Appold den Ersthelfern ein.

Wenn Letztere doch der Mut verlässt, bekommen sie über die Rettungsleitstelle des Notrufs 112 telefonische Unterstützung. "Der Mitarbeiter dort gibt Hilfestellung und erklärt im Zweifel, was zu tun ist", berichtet Dr. Rapp. Der Notarzt und der Rettungsdienst des BRK sowie dessen neun ehrenamtliche Ersthelfer im Landkreis ("Helfer vor Ort") hoffen, dass durch die "Woche der Reanimation" künftig auch im Kreis Kitzingen mehr Menschen mutig mit der Reanimation beginnen - und dadurch Leben retten. So wie das von Hugo S. aus Kitzingen.


"Auf ewig dankbar"

Bei ihm diagnostizierte Dr. Rapp einen massiven Herzinfarkt als Auslöser des Kreislaufstillstandes. Er zollt den beiden Laien-Ersthelfern Respekt. "Das haben sie perfekt gemacht." Ohne ihre spontane Hilfe hätten die besten Rettungsprofis Hugo S. nicht mehr helfen können. So aber erfreut der 61-Jährige sich heute wieder bester Gesundheit. Und wird seinen Kollegen "auf ewig dankbar sein".