Calmus-Ensemble in Castell: Hochkultur auf feinstem Niveau

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Das Calmus-Ensemble sang bei den Gluck Festspielen in der Grafschaftskirche in Castell.
Jutta Schwegler

Erstmals erklang ein Beitrag zu den Nürnberger Gluck Festspielen in Castell. Der Auftritt des Gesangensembles begeisterte das Publikum. Zu recht, findet unsere Kritikerin.

Hochkultur? Hier, im Landkreis Kitzingen? Na ja, wir haben kein Opernhaus, kein eigenes großes Orchester, keine Hochschule. Aber wenn man sich im Landkreis umschaut, stößt man doch auf die allerfeinsten kulturellen Angebote, wie am Samstag in Castell: Im Rahmen der Gluck Festspiele Nürnberg trat eine der erfolgreichsten klassischen Vokalgruppen Deutschlands, das Calmus-Ensemble aus Leipzig, in der St.-Johannes-Kirche auf.

Die Gluck Festspiele, zum ersten Mal in Castell zu Gast, haben sich zum Ziel gesetzt, das Werk Christoph Willibald Glucks sowohl im Originalklang als auch in der heutigen Musizierpraxis zu präsentieren. Das Calmus-Ensemble bot eine vokale Zeitreise durch 1000 Jahre dar, nicht nur Werke aus Renaissance, Barock  und Romantik, sondern auch solche moderner Komponisten, wie Richard van Schoor, Wilhelm Weismann und Bernd Franke.

Im Zentrum stand ein Auftragswerk der Gluck Festspiele 2021, "Der Tod", erst am Vortag in einem Konzert uraufgeführt. Der zeitgenössische südafrikanische Komponist Richard van Schoor machte aus dem Stück Glucks eine Mischung aus Gesangs- und Sprechpassagen, mit sich reibenden Akkorden, Glissandi und Obertongesang. Sehr eindringlich verbreitete sich das geflüsterte „Was erschreckst du?“ im Kirchenraum.

Zeitgenössische Vertonung aus Südafrika

Van Schoor setzt sich intensiv mit existenziellen und zeitgeschichtlichen Fragen auseinander und arrangierte auch das vorherige Werk, Glucks de profundis, eine Vertonung des Psalms 130 : „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“, ergreifend in der Bitte um Gnade.

Recht ernst ging es auch bei den anderen Stücken zu. Das Ensemble zog mit einem gregorianischen Kyrie in die Kirche ein und sofort blühte der charakteristische, feine Klang der Gruppe auf. Fast unglaublich war das, was das Ensemble bot: ein Klang, der sich in der – sehr trockenen – Akustik der Kirche mühelos aufschwang, im äußersten Piano und starken Forte gleichmäßig homogen ist, feinste Ziselierungen durchsichtig macht und quasi aus dem Nichts entsteht. Grandios, wie das Ensemble Johann Sebastian Bachs Motette "Lobet den Herren" interpretierte, in schnellem Tempo, zum Großteil pianissimo und so klar und durchscheinend, wie man sie selten hört.

Fundament im Barockgesang

Man merkt, dass das Ensemble sein Fundament im Barockgesang hat; es fasziniert aber auch bei den modernen Werken mit absoluter Sauberkeit und Raffinesse auch im Forte. Hier auch mit einem leichten, natürlichen Vibrato, klug eingesetzt. Bei dem am Schluss stehenden Werk "And why?" des Komponisten Bernd Franke (geboren 1959), einem Dank für die Rettung aus Todesgefahr, wandelten die Sänger durch die Kirche, um sich an entscheidenden Stellen des Textes wieder zu treffen – eine unglaubliche Intensivierung  der Aussage durch die unterschiedliche Akustik.

Geriet die technisch absolut versierte Interpretation der alten Meister manchmal etwas kühl, konnte die Zugabe, eine Version des "Hallelujah" von Leonard Cohen, nicht nur durch seine Bekanntheit die Zuhörer erreichen, sondern ließ plötzlich weit mehr im Klang Gefühl und Wärme aufkommen.

Wunderbar der Abschluss in einer Dissonanz im Pianissimo bei „I’ve heard there was a secret chord". So gab es stehende Ovationen vom Publikum für einen Beitrag der Hochkultur, hier, bei uns.