Von Krise keine Spur: Alle Welt fährt auf Leoni ab. Der Personalverantwortliche Michael Brych und Geschäftsführer Jürgen Linhard kennen das globale Spiel der Kräfte in der Automobilbranche gut. Sie ziehen an den richtigen Fäden - oder besser: Kabeln.
Er ist ein echter Hingucker. Trotzdem ist das Wichtigste an ihm unsichtbar. Damit der Porsche 911 Carrera elegant über den Asphalt fliegt, muss das, was er "drunter" trägt, möglichst leicht und effizient sein, zugleich aber hochwertig und nicht störanfällig. Ein Fall für die Bordnetzsystem-Spezialisten in Kitzingen.
Nicht nur das neue Porsche-Cabrio, auch Landrover, BMW, Opel oder VW bewegen sich nicht, ohne von Leoni verkabelt worden zu sein. Bis zu 60 Kilo ummanteltes Aluminium und Kupfer durchziehen im Verborgenen die Karosserien.
Alle Welt fährt auf Leoni ab. Während andere Automobil-Zulieferer - etwa Fehrer - derzeit schwer in den Seilen hängen, geben die Bordnetz-Bauer richtig Gas. Das Krisenjahr 2009 ist längst kein Thema mehr.
"Wir haben die Probleme im Wesentlichen durch Kurzarbeit abgefangen, Entlassungen gab es in Kitzingen nur punktuell", betont Jürgen Linhard, Geschäftsführer der Leoni Bordnetz-Systeme GmbH, der Dachgesellschaft der "Wiring Systems Division". Schon 2010 wuchs das Kitzinger Unternehmen wieder um 30 Prozent, in den beiden Folgejahren im zweistelligen Bereich.
Bis zu 200 neue Mitarbeiter In naher Zukunft will Leoni weitere 100 bis 200 Mitarbeiter ins Kitzinger Team holen. Das sei eine logische Folge des globalen Wachstums, meint Linhard. "Unsere 31 Produktionsstandorte weltweit werden von Kitzingen aus gesteuert. Wir sind hier quasi der Entwicklungs- und Innovationsstandort." Deshalb habe man auch die große Krise vor vier Jahren so gut meistern können.
"Projektmanagemant ist in unserer Branche der Schlüssel zum Erfolg."
Diesen Erfolg will Leoni bald auch äußerlich zeigen. Hinter den in die Jahre gekommenen Gebäudeteilen lässt sich nämlich nicht unbedingt ein innovatives, attraktives Unternehmen vermuten. Deshalb sollen die Immobilien saniert und mit modernen Glasfassaden versehen werden. Um genügend Platz zu bekommen, will das Unternehmen sogar 2,5 Hektar der angrenzenden früheren US-Kaserne "Harvey-Barracks" dazukaufen.
Das Raumkonzept erinnert ein bisschen an Google- und Facebook-Offices: "Es soll alles offen und hell werden, aber mit vielen Rückzugsmöglichkeiten zum Kommunizieren und für Team-Treffen", berichtet Michael Brych, Werkleiter und Personalverantwortlicher.
Er zeigt Bilder von coolen Couchs, Sesseln mit hohen Lehnen und Laptop-Ablage...
Wer kreativ sein soll, braucht auch eine kreative Umgebung, eine flache Hierarchie beziehungsweise eine neue Art von Mitarbeiterführung - dieser Gedanke steht hinter den Umbauplänen. Die Verantwortlichen wollen eine Wohlfühlatmosphäre für alle Mitarbeiter schaffen. Diese haben internationale Ansprüche. Die aktuell 830 Kitzinger Leoni er kommen immerhin aus 18 verschiedenen Ländern. "Die Zahl der Nationalitäten ist noch höher", weiß Brych. "Wir sind mit 51 651 Mitarbeitern im WSD-Bereich eben ein Welt-Unternehmen. Das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen ist unser Alltag."
"Man bekommt Verantwortung" Der "internationale Aspekt" war es auch, der Michael Brych an Leoni besonders interessiert hat.
Wie Jürgen Linhard wurde er "im Auftrag von Leoni angesprochen", ob er nicht den Arbeitgeber wechseln wolle. Beide sagten ja: Linhard, der bei einem anderen Automobilzulieferer gearbeitet hatte, vor 13 Jahren, Brych ließ seine Selbstständigkeit vor zwei Jahren sausen. Und Leonie Hagen, Volontärin in der Unternehmenskommunikation, betont: "Auch ich bin längst nicht nur wegen meines Namens zu Leoni gekommen." Wer es möchte, bekomme schnell Eigenverantwortung, könne Projekte selbstständig in Angriff nehmen.
Linhard war von Anfang an vom Erfolg des Unternehmens überzeugt. "Aber dass er so rasant kommen würde, davon bin ich rückblickend schon überrascht", betont der Geschäftsführer. Die Kitzinger Bordnetz-Systeme GmbH ist eines von zwei Unternehmensbereichen, macht aber mit 60 Prozent den größten Umsatz der Leoni-Gruppe. Die frühe Globalisierung sei der Hauptgrund für den Erfolg.
Dass Leoni, wie alle Zulieferer, am Haken der Automobilindustrie hängt und abhängig von seinen großen Kunden ist, bestreitet niemand. Linhard stellt klar, wie Leoni seine Zukunft sichert: "Wir müssen in der Produktion weltweit sehr flexibel agieren können - auch durch den Einsatz von Leiharbeitern und temporären Angestellten - , um im Fall der Fälle Schaden vom Unternehmen abzuwenden." Außerdem müsse man innovativer und kostengünstiger sein als der Markt. "Wir brauchen ein ausgewogenes Produkt-Portfolio - und wir müssen immer wieder die richtigen Marktbereiche treffen."
Geringeres Gewicht Die richtigen Marktbereiche - das seien aktuell die Hybrid- und Elektromobilbranche sowie der Leichtbau. Aluminiumkabel wiegen weniger als Kupferkabel. Geringeres Gewicht bedeutet weniger CO2 -Ausstoß, also mehr Umweltfreundlichkeit.
Leoni-Entwickler haben deshalb stets die Hand an der (Kabel-)Wiege. Und an der Waage.
Strippenzieher:1960: Produktionsstart
mit 20 Mitarbeitern in einer gemieteten Bonbonfabrik
(Glauberstraße)
1967: Umzug in die Flugplatzstraße (100 Mitarbeiter).
1996: Umbau von Fertigungshallen zu Büros.
2003: Die Leoni Bordnetz-Systeme GmbH & Co. KG hat in Kitzingen 230 Mitarbeiter.
2011: Das F&E-Chemielabor wird in Kitzingen aufgebaut.
2013: 830 Mitarbeiter bilden in Kitzingen das Leoni-"Gehirn", das weltweit 31 Produktionsstandorte befehligt. Leoni ist Europas größter und weltweit einer der führenden Anbieter von kompletten Bordnetzsystemen sowie kundenspezifischen Kabelsätzen und beliefert fast alle Fahrzeughersteller.