Blick hinter die Kultur im Kitzinger Rathaus

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Albina Baumann ist interkulturelle Beraterin. Sie kam vor 37 Jahren aus Russland nach Deutschland und weiß, dass Integration nicht von heute auf morgen geschieht. Eine Ausstellung im Kitzinger Rathaus blickt hinter die Kultur.

Albina Baumann hat viel zurück gelassen, als sie 1976 von Russland nach Deutschland kam. Zurück gewünscht hat sie sich trotzdem nie. "Am Anfang denkt man, dass man nicht willkommen ist", erzählt die 51-Jährige. Das hört sie auch von ihren Kursteilnehmern oft. Albina Baumann ist interkulturelle Beraterin und Vorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Ortsgruppe Kitzingen. Sie leitet Seminare und Mitarbeitertrainings, in denen es um die Begegnung der russischen und der deutschen Kultur geht. Sie begleitet auch Geschäftsleute und hilft bei der Verständigung. Auch über die Sprache hinaus. "Das Kennenlernen funktioniert in den beiden Kulturen anders", sagt sie.

Eine Ausstellung über die Geschichte und die Integration der Deutschen aus Russland gibt jetzt einen Einblick in die Lebensart der Deutschen aus Russland in Russland und ihre Rückkehr nach Deutschland. Am Dienstagabend wurde die Wanderausstellung im Kitzinger Rathaus von Oberbürgermeister Siegfried Müller eröffnet. "Der rege Zuspruch schon zur Eröffnung beweist das große Interesse der Bevölkerung an der Geschichte und nach der Aussiedlung der Integration in Deutschland", betonte Müller.
Man könne sich nur in die Leute hineinversetzen, wenn man hinter die Kultur blickt, meint Albina Baumann. "Das sind Dinge, die man nicht in der Schule lernt. Man kann die Situation der Menschen eher nachvollziehen."

Aus Russland ins Heimatland

Anstelle des Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Waldemar Eisenbraun, führte sein Stellvertreter Jakob Fischer bei der Eröffnung in das Thema ein. Ewald Oster als Vertreter Bayerns im Bundesvorstand sagte, die Ausstellung sei seit 15 Jahren in Deutschland unterwegs und erfreue sich ungebrochenen Interesses in der breiten Bevölkerung. In der zweiten und dritten Generation sei die Integration der deutschen Aussiedler als Erfolgsgeschichte zu sehen. Oster nannte dazu Beispiele aus Musik, Sport und Wirtschaft, sie seien der Beweis für eine gelungene Integration bei hoher Eingliederungsbereitschaft. Bis November 2006 kamen 2,3 Millionen Menschen aus Russland nach Deutschland ins Heimatland ihrer Vorfahren zurück. Die Eröffnungsfeier wurde vom deutschrussischen Chor Drushba (Freundschaft) aus Kitzingen unter der Leitung von Helene Bausenwein und der Stubenmusik der Maintalsänger begleitet.

Integration dauert

Albina Baumann vergleicht Kultur mit einer Zwiebel: "Durch die äußere Schicht kommt man recht bald, so nach einem Jahr. Bis zum inneren Kern, wo Werte und Einstellungen der Menschen liegen, dauert es zwölf bis 18 Jahre." Integration funktioniere nicht von heute auf morgen. "Die Leute sollen Dinge ablegen und wegschieben, die sie schon seit vielen Jahren gewohnt sind. Das ist nicht einfach." Man versuche sich anzupassen und gleichzeitig sich selbst zu bewahren.

Albina Baumann war mit ihrer Familie unter den ersten, die nach Deutschland kamen. 14 Jahre war sie damals alt. In den ersten beiden Jahren hat sie außer "Ja" und "Nein" fast nichts auf Deutsch gesprochen. Auch aus Scham. "Immer wenn man mit seinem Akzent geredet hat, musste man sich erklären, das wollte ich vermeiden." Dass sie sich am Anfang nicht willkommen gefühlt hat, erklärt sie sich heute so: "Das hat nichts mit den Leuten zu tun, sondern einfach mit ihren Kulturen." Die Menschen reagieren unterschiedlich. "Wenn jemand in ein Haus einzieht, wird er in Russland von den anderen begrüßt. In Deutschland ist das anders herum. Hier stellt man sich den Nachbarn vor." Es komme schnell zu Missverständnissen, wenn man das nicht weiß, sagt sie. "Die Fronten kann man nur durch Kommunikation brechen."

Nationen sollen sich begegnen

Dazu soll auch das "Nachbarschaftsfest" beitragen, das mit der Ausstellung im Rathaus verknüpft ist. Das Fest findet am 13. Juli auf dem Marktplatz und in der Rathaushalle in Kitzingen zwischen 11 Uhr und 18 Uhr statt. "Wir versuchen, dass sich die Bürger öffnen, um sich zu begegnen", sagt Astrid Glos, Referentin für Integration. Für eine erfolgreiche Integration aller Kitzinger Mitbürger aus über 90 Nationen sei das enorm wichtig, meint sie. "Wir müssen vor allem Ängste und auch die Ignoranz abbauen", ist sich auch Margarete Roth vom Integrationsbeirat sicher. "Und man sollte sich schließlich für seine Mitmenschen interessieren", sagt Albina Baumann.

Info Die Wanderausstellung ist bis zum 13. Juli in der Kitzinger Rathaushalle zu sehen. Weitere Informationen und Anmeldungen für Führungen bei Astrid Glos, Tel: 09321/22239.

Hintergrund Die Geschichte der Deutschen aus Russland beginnt nicht erst mit deren Aussiedlung aus der ehemaligen Sowjetunion 1951. Zugrunde liegt das vor 250 Jahren verfasste Manifest von Zarin Katharina II., genannt die Große und geborene Prinzessin Sophie Friederike von Anhalt-Zerbst. Sie lud 1753 deutsche Bauern, Handwerker und andere Fachleute zur Besiedelung und Kultivierung Russlands in alle Gebiete ihres Riesenreiches ein. Die wechselvolle Geschichte der Deutschen in Russland von der Zarenzeit bis zum Niedergang der Sowjetunion greift eine Wanderausstellung auf.