Von Energy Labs bis Wasserstoff-Tankstellen: Stadtwerk Haßfurt kündigt neue Projekte an
Autor: Teresa Hirschberg
Haßfurt, Donnerstag, 01. Oktober 2020
Als Verfechter des Wasserstoffs tourt Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) aktuell durch Bayern, um die Energiewende voranzutreiben. Zuletzt machte er in Haßfurt Halt. Das Stadtwerk hat derweil schon eigene Projekte geplant.
Hubert Aiwanger appelliert an die Vernunft der Haßfurter - denn Energiegewinnung sei keine ideologische Frage. Der Bayerische Wirtschaftsminister ist derzeit mit seiner Roadshow unterwegs, um die Vorteile der Kraft-Wärme-Kopplung vorzustellen. Die ermöglicht die parallele Gewinnung von Wärme und Strom. Der Haßfurter Gastgeber hat in Sachen Energiewende aber bereits gut vorgelegt.
Wasserstoff als Kerosin-Alternative, als Turbinenantrieb für Flugzeuge und eine flächendeckende Versorgung mit Tankstellen für Fahrzeuge aller Art: So sieht Aiwangers Traum von einer -freien Zukunft aus. Wasserstoff könne direkt verbraucht oder durch Windräder erzeugt, gespeichert und später rückverstromt werden. "Lieber Energie zwischenspeichern als sie gar nicht erst zu erzeugen. Wasserstoff ist ganz klar ein Speichermedium", ist Aiwanger überzeugt.
Der Umstieg auf Wasserstoff biete mehrere Vorteile: Die Abhängigkeit von Ölmonopolen sowie der Ausstoß schädlicher Substanzen falle weg. Zudem könnte Wasserstoff bald von der EEG-Umlage befreit werden. "Aber scheinbar ist Wasserstoff zu gut, um bisher als Lösung akzeptiert zu werden."
Wie Aiwangers Visionen bereits in der Praxis umgesetzt werden, präsentiert Stadtwerk-Geschäftsführer Norbert Zösch: Das Stadtwerk habe bisher Photovoltaik- und Windkraft-Anlagen errichtet, Sonnenkollektoren angebracht und ein Nahwärmenetz in Baugebieten sowie einen Hybrid-Kompensator des Fraunhofer Instituts installiert. Der Energieverbrauch einzelner Haushalte wird anhand digitaler Stromzähler, der "Smart Meter", erfasst. Zudem ist das Unternehmen an der Biogas-Anlage beteiligt. Demnächst sollen es Gleitspeicher ermöglichen, aus einer Photovoltaik-Anlage gewonnenen Strom zuhause zu speichern.
Vorreiter-Projekt in Haßfurt
Im Mittelpunkt der Roadshow steht das Blockheizkraftwerk, das überschüssigen Windstrom in Wasserstoff umwandelt und so -freie Energie speichert. Die "Power-to-Gas-Anlage" wandelt den Wasserstoff wieder in Strom zurück, sobald dieser benötigt wird. Die Mälzerei am Hafen wird bereits über das Blockheizkraftwerk betrieben.
Finanziert wurde die Anlage über Crowdfunding: "Privatleute waren bereit, etwas mehr für ihr Erdgas zu zahlen. Über diese Mehreinnahmen haben wir die Anlage finanziert", erläutert Zösch. Aber: "Momentan ist Wasserstoff von einer wirtschaftlichen Nutzung noch weit entfernt."
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Der bei der Umwandlung entstehende Sauerstoff wird aktuell noch in die Atmosphäre freigegeben, doch Zösch möchte sich an einer Alternative der Sonneberger Stadtwerke orientieren: "Wir wollen eine Leitung zur Kläranlage legen, um den Sauerstoff dort in die Belebungsbecken zu bringen. Das ist unser nächster Schritt."
2 Millionen Euro hat die Power-to-Gas-Anlage des Haßfurter Stadtwerks gekostet, die neben der Waldorfschule errichtet wurde. Die Hälfte der Kosten konnte laut Geschäftsführer Norbert Zösch bereits abbezahlt werden.
225 Kubikmeter Wasserstoff kann das Blockheizkraftwerk pro Stunde bereitstellen. Die elektrische Leistungsaufnahme beträgt 1250 Kilowatt. 2016 wurde die Anlage am Haßfurter Hafen in Betrieb genommen.
Diese Projekte stehen als nächstes in Haßfurt an
Energy-Lab Das Stadtwerk Haßfurt unterzeichnete am Mittwoch eine Vereinbarung mit der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden für die Einrichtung eines "Energy Labs". "Diese Vereinbarung bedeutet, dass Studenten der Hochschule aus Amberg bei uns forschen können", erklärt Bürgermeister Günther Werner. "So langsam entwickeln wir uns damit zum Hochschulstandort." Ein weiteres Projekt, bei dem duale Studenten in Haßfurt Praxiserfahrung sammeln können, ist das geplante Technologietransferzentrum, das der Landkreis Haßberge sowie die Stadt Haßfurt in Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt auf dem Gelände der Heinrich-Thein-Berufsschule eröffnen wollen. "Für uns ist das eine ganz wichtige Partnerschaft, weil wir hier Themen erforschen dürfen, die wir im Labor in Amberg in der Form nicht abbilden könnten", betont Hochschulprofessor Markus Brautsch.
E-Fuels In Kooperation mit der Technischen Universität München plant das Stadtwerk für nächstes Jahr ein Forschungsprojekt zum Thema "E-Fuels": Dabei soll grünes Methan erzeugt werden, um Lkws und andere mit großen Motoren ausgestattete Fahrzeuge anzutreiben.
Waldorfschule Da sich die Power-to-Gas-Anlage direkt neben der Haßfurter Waldorfschule befindet, soll der Neubau der Schule komplett -frei mit Wärme versorgt werden. Der Wasserstoff soll laut Stadtwerk-Geschäftsführer Norbert Zösch entweder direkt über ein Blockheizkraftwerk, eine Brennstoffzelle oder über die Kraft-Wärme-Kopplung Energie erzeugen, so dass kein Kohlenstoffdioxid entsteht.
Pipeline Gemeinsam mit dem Königsberger Rohrwerke-Hersteller "Fränkische" will das Stadtwerk eine sieben Kilometer lange Wasserstoffleitung bauen, über die zunächst die Gabelstapler des Unternehmens und später Lkws und eine Wasserstoff-Tankstelle betrieben werden.
Heizungen Das Stadtwerk betreibt bereits verschiedene Brennstoffzellen und Heizungen, die aktuell aber noch umständlich aus Methan Wasserstoff erzeugen. "Der Wasserstoff ist schon in den Erdgasleitungen drin und müsste nur noch herausgenommen werden", schildert Norbert Zösch. Daher plant das Stadtwerk ein Forschungsprojekt, mit dessen Hilfe für Heizungen zukünftig reiner Wasserstoff verwendet werden kann.
Tankstelle Der Freistaat Bayern will den Bau von Wasserstofftankstellen mit 50 Millionen Euro fördern. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger eröffnete das Projekt in Nürnberg, in dessen Rahmen innerhalb der nächsten drei Jahre hundert neue Tankstellen entstehen sollen. Auch das Stadtwerk Haßfurt möchte sich nach Angaben von Geschäftsführer Zösch um eine solche Tankstelle bewerben.