Tierquälerei? "Das Pferd hat zuerst getreten"

1 Min
Das Amtsgericht Haßfurt.
Das Amtsgericht Haßfurt.

Ein Fall von Tierquälerei hat den Bewohnern einer kleinen Gemeinde im Landkreis Haßberge keine Ruhe gelassen. Sie spielten der Polizei ein Video zu, auf dem zu sehen ist, wie eine Frau ihr Pferd attackiert. Verurteilt wurde sie trotzdem nicht.

Manchmal gehen Recht und Rechtsempfinden nicht zusammen. So auch bei der Verhandlung am Amtsgericht Haßfurt gegen eine Pferdehalterin aus dem Landkreis. Obwohl Richter Roland Wiltschka und Staatsanwalt Martin Dippold deren Tat missbilligten, fehlten für eine Verurteilung wegen Tierquälerei die juristischen Voraussetzungen. Deshalb stellte Richter Wiltschka das Verfahren gegen eine Geldauflage von 600 Euro ein.

Die 28-Jährige hatte am Nachmittag des 18. März 2012 ihren Wallach mit dem Fuß in den Bauch getreten und mit einem Seil sowie einem Ast auf ihn eingeschlagen. "Sie haben die Nerven verloren", hielt Richter Wiltschka der Angeklagten vor. Die Reiterin hatte jedoch eine komplett andere Sicht auf das Geschehen. Die Quintessenz ihrer Argumente lautete: Das Pferd war schuld.

Die Nerven verloren

Denn der Gaul weigerte sich strikt, einen Pferdeanhänger zu betreten. Er habe sogar zwei Mal ausgeschlagen und sie an den Beinen verletzt, erklärte die Besitzerin. "Das Pferd hat zuerst getreten. Da habe ich im Reflex zurückgetreten, um wieder die Chefposition einzunehmen."

Zuvor hatte die 28-Jährige eine Stunde lang mit dem Vierbeiner das Verladen geübt. Sie führte ihn immer wieder an der Leine zum Transporter hin und kehrte - wenn das Tier stockte - zum Ausgangspunkt der Übung zurück. Um dem Pferd die Richtung zu weisen, ließ sie nach eigener Aussage einen Strick kreisen.

Augenzeugen sahen das anders. Eine Familie hatte den Vorfall beim sonntäglichen Kaffeetrinken durch das Fenster beobachtet und eine kleine Sequenz gefilmt. Auf dem Video ist der Tritt zu sehen und auch, dass die Angeklagte mit einem Gegenstand ausholt. Ob sie das Pferd traf, ist nicht genau zu erkennen.

Aggressives Verhalten gegen das Tier

Amtsveterinär Markus Menn vom Landratsamt Haßberge warf der 28-Jährigen in seiner Stellungnahme vor allem die Vehemenz ihres aggressiven Verhaltens vor. "Das Tier versucht, Ihren Aggressionen auszuweichen, aber das kann es nicht, weil Sie es festhalten", hielt er der jungen Frau vor.

Ihn und seine Amtskollegen hätte bei der Sichtung des Videos vor allem irritiert, dass die Tierhalterin das Schlaginstrument wechselte. So hätte sie zuerst mit der Führleine und später mit einem Ast auf das Pferd eingeschlagen.

"Das ist kein tierhaltergerechtes Verhalten", schloss Menn. Richter Wiltschka und Staatsanwalt Martin Dippold gingen aufgrund dieser Einschätzung und den drei Augenzeugenberichten von einer gewissen "Rohheit" aus. Um den juristischen Tatbestand der Tierquälerei zu erfüllen, hätte der Halterin aber auch nachgewiesen werden müssen, dass sie ihrem Tier erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügte.

Doch Veterinär Markus Menn erreichte das Bildmaterial erst zwölf Tage nach dem Vorfall. So konnte er bei der Untersuchung des Tiers keine Verletzungen feststellen. Auch attestierte er der Halterin "einen guten Allgemein- und Pflegezustand ihrer insgesamt drei Pferde.

Das bestätigten auch die Zeugen. Die Halterin indes wollte ihr Fehlverhalten bis zum Ende nicht einsehen und stimmte der Einstellung nur widerwillig zu.