Pflegeskandal Gleusdorf: Leichnam im Raum Bamberg exhumiert

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Ende November fuhren die Ermittler vor der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf zur Hausdurchsuchung vor (unser Bild). Am Freitag erfolgte die nächste Stufe der Spurensuche: Auf einem Friedhof im Raum Bamberg wurde die Leiche eines früheren Heimbewohners exhumiert. Foto: News5/Herse
Ende November fuhren die Ermittler vor der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf zur Hausdurchsuchung vor (unser Bild). Am Freitag erfolgte die nächste Stufe der Spurensuche: Auf einem Friedhof im Raum Bamberg wurde die Leiche eines früheren Heimbewohners exhumiert. Foto: News5/Herse

Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat die Obduktion eines exhumierten Opfers angeordnet. Ergebnisse werden am Montag erwartet.

Der Pflegeskandal rund um die Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf (Kreis Haßberge) zieht immer weitere Kreise. Eine Exhumierung erfolgte auf Anordnung der Staatsanwaltschaft am Freitag auf einem Friedhof im Raum Bamberg.

Pflegeskandal Gleusdorf: Über den Tod hinaus ausgeplündert?

Von der Obduktion erhoffen sich die Ermittler weitere Hinweise zur Wahrheitsfindung über den Tod eines Heimbewohners, dessen Zustand sich nach einem Treppensturz derart verschlechtert hatte, dass er wenige Tage später starb.

Den Pflegekräften soll von Seiten der Leitung des privat geführten Heimes verboten worden sein, einen Arzt zu konsultieren. Eine offizielle Bestätigung von Staatsanwaltschaft Bamberg und Polizeipräsidium Würzburg zur Exhumierung wird am Montag erwartet, die auch erste Ergebnisse zur Obduktion enthalten dürfte.

Damit kommt Licht in das Dunkel von mehreren mysteriösen Todesfällen in den zurückliegenden Jahren in dieser geschlossenen Einrichtung im Itzgrund. Zwischenzeitlich berichten Zeugen von acht solcher Sterbefälle, die unter den Straftatbestand des Totschlags durch Unterlassen (Verjährungsfrist: 15 Jahre) fallen könnten.

Klarer wird auch das Bild über die Arbeitsbedingungen im Skandal-Heim zwischen Busendorf und Ebern: Auf Nachfrage unserer Redaktion listete der Direktor des Arbeitsgerichtes Würzburg, Wolfgang Pohl, allein für die zurückliegenden zehn Jahre 42 (!) Verfahren auf, in die die Seniorenresidenz verwickelt gewesen war.


Psychisch fertig gemacht

Vom Vorbesitzer der Einrichtung, der im Jahr 2000 an die jetzige Betreibergemeinschaft verkauft hatte, ist inzwischen die Aussage bekannt, dass bereits zuvor "meine perfekt funktionierende Mannschaft nahezu komplett ausgetauscht" worden war, so der einstige Geschäftsführer, der aus dem Kreis Bamberg stammt.

Auch eine 52-jährige Mitarbeiterin, die 13 Jahre lang (bis 2015) in der Seniorenresidenz gearbeitet hat, brach ihr Schweigen: "Ich wurde psychisch fertig gemacht." Lange habe sie gebraucht, um sich den Enthüllungen ihrer Kollegen anzuschließen: "Jetzt muss es raus. Ich konnte nicht mehr schlafen."

Unter Tränen erzählt sie unserer Redaktion in Ebern vom "Kampf gegen Windmühlen", von Psycho-Terror, seelischen Grausamkeiten. "Die Chefin wollte mir wegen eines Plauschs mit einer Kollegin während der Dienstzeit ein Plakat mit der Aufschrift: ,Ich dumme, alkoholkranke Putzfrau‘ an den Rücken hängen." Die Chefin sitzt derzeit in Untersuchungshaft


Wegen Krankheit beschimpft

Als sie im Oktober 2015 wegen ihrer nervlichen Probleme von einem Arzt krankgeschrieben wurde, habe sie der Heimleiter in ihrer Wohnung im Landkreis Bamberg angerufen mit den Worten: "Wenn Du nicht sofort Deinen fettgefressenen Arsch auf die Arbeit bewegst, wirst Du mich noch kennenlernen." Eine ihrer Kolleginnen beschreibt das Betriebsklima so: "Wir wurden gehalten wie Sklaven." Ein neuer Mitarbeiter hat es ganz zwei Stunden an seinem Arbeitsplatz ausgehalten und ist angesichts der unerträglichen Situation gleich wieder gegangen.

Auch liegen unserer Redaktion in Ebern die Aufzeichnungen einer Tochter über die täglichen Klagen ihrer Mutter vor, die sich von 2010/2011 in der Seniorenresidenz befand, jetzt aber frohgemut in einem Heim im Kreis Coburg lebt. Die Tochter hatte sie nach vielen Beschwerden und Gerichtsterminen mitten in der Nacht "befreit". Diese Aufzeichnungen lesen sich absatzweise wie ein Protokoll aus der Folterkammer. "Bitte versucht mir zu helfen. Ich darf hier nicht raus."

Das Schlimme dabei: Die Schilderungen der Seniorin decken sich zum Teil mit Bemerkungen in den offiziellen Pflege-Protokollen des Heimes, die unserer Redaktion vorliegen. "Bewohnerin rüttelt ständig am Tor und weint."

Die Beschreibungen entspringen also nicht einer lebhaften Fantasie beziehungsweise dem dementen oder wirren Geist einer Heimbewohnerin. Es klingt pure Verzweiflung durch.

Eine frühere Pflegedienstleiterin aus Schweinfurt erzählt, dass sie immer wieder von Heimbewohnern gebeten wurde, solche schriftlichen Hilferufe "an der Obrigkeit vorbei zu schmuggeln", so die interne Sprachregelung des Personals.

Die Pflege-Protokolle werden auch bei Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) eingesehen, dessen Befugnisse nach eigenen Angaben eingeschränkt sind.

So blieben auch MDK-Einschätzungen zur Pflegekarte vom März 2011, die mit der schlechtesten Note 5,0 bewertet wurden, ohne Folgen. Die Frage, ob die behandlungspflegerischen Maßnahmen den ärztlichen Anordnungen entsprechen, wurde mit 4,1 bewertet. Beim Thema von Kooperationen mit behandelnden Ärzten von Schmerzpatienten gab's gar eine 5,0. Ebenso bei mehreren Punkten, die speziell auf Demenzkranke abzielen.