Immer mehr junge, gutausgebildete Menschen ziehen vom Land in die Ballungsräume – auch Ärzte. Verschiedene Unternehmen haben ein Konzept entwickelt, das dem entgegensteuern könnte. Das Pilotprojekt setzten sie in Sand um.
Der hausärztlich tätige Internist Dr. Michael Eis hat kürzlich einen mutigen Schritt gewagt: Mit über 60 Jahren machte er sich selbstständig und eröffnete seine eigene Praxis in Sand. Das wollte er jedoch ohne eine große Einmalinvestition und organisatorischen Aufwand tun – das Risiko keinen Nachfolger für seine Praxis zu finden, spielte ebenfalls eine Rolle.
Also griff er auf ein besonderes Konzept zurück: "Leasymed". Für mindestens 36 Monate mietet der Arzt nun eine bezugsfertige Praxis in dem Winzerort am Main. Auf 100 Quadratmetern findet er alle relevanten Bausteine und Funktionen, kann so seine Patienten behandeln und sofort mit seiner Arbeit beginnen. "Ich freue mich, dass wir dieses erste Projekt beispielgebend für alle, die an der regionalen hausärztlichen Versorgung interessiert sind, umsetzen konnten", sagt Thomas Neuendörfer, dessen Firma an der Idee beteiligt war.
Praxis zu verleihen: Pilotprojekt "Leasymed" aus Unterfranken soll mehr Ärzte aufs Land bringen
Derartige Mietpraxen können auch von Kommunen genutzt werden. Die Idee dazu kam von einigen Unternehmen, die sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen hatten. Diese besteht aus Anwalts- und Steuerberatungskanzleien sowie Unternehmensberatungen, die sich auf die Ärzteschaft spezialisiert haben, und aus einem Sachverständigenbüro. Beteiligt ist auch eine Expertin für Praxisorganisation und die Strätz Medizintechnik aus Estenfeld. Letztere ist ein Familienunternehmen, das 1993 gegründet wurde und derzeit 36 Mitarbeiter, darunter acht Teilzeitkräfte, beschäftigt. Neundörfer, Gründer und bis heute neben Sohn Adrian Geschäftsführer des Fachhandelsbetriebs, kaufte 1993 die Medizintechniksparte aus dem Sanitätshaus Strätz heraus.
Zum Produktangebot des Fachhändlers gehören unter anderem Medizintechnik-Geräte wie etwa EKG-, Ultraschall- sowie Chirurgie- und Sterilisationsgeräte. Daneben werden auch Verbrauchsmaterialien angeboten, wie etwa Einmalkanülen, Wundverband, Stethoskope und Desinfektionsmittel. Insgesamt sind etwa 50 000 Artikel im Sortiment.
Aber auch die Beratung und Betreuung hinsichtlich der Medizintechnik ist für die Neuendörfers ein wichtiger Aspekt: "Wir achten stark darauf, uns Experten ins Unternehmen zu holen, die mit Ärzten und medizinischen Fachangestellten auf Augenhöhe sprechen können", erklärt der 60-jährige Seniorchef aus Fatschenbrunn. "Angesichts des steigenden Bedarfs an medizinischen Leistungen und dem knapper werdenden Angebot an ärztlichen und generell medizinischen Leistungen kommt der Zeitersparnis eine hohe Bedeutung zu" , fügt er hinzu. So hätten die Ärzte, getreu dem Motto des Unternehmens, "mehr Zeit für Medizin".
Ärztemangel auf dem Land: Zu wenig Nachwuchs lässt Angebot schwinden
Das neue Konzept, an dem Neuendörfers Firma beteiligt ist, könnte sich vor allem auf dem Land etablieren. Von dort ziehen immer mehr junge Menschen, trotz vielfältiger Maßnahmen der Landkreise und Kommunen, fort und in die Städte. Viele nutzen die gute Infrastruktur und die Bildungsangebote in den Ballungsräumen. So kehren etwa Studenten nach ihrem Abschluss selten in ihre Heimat zurück. Dort verbleiben in der Regel die "älteren Semester" und Angehörige traditionellerer Berufsgruppen.
Die angesprochene Tendenz gilt ebenso für Mediziner. Das ärztliche Angebot wird in vielen ländlichen Regionen immer knapper. Jedes Jahr gehen mehr Landärzte in den Ruhestand als dort junge Mediziner nachrücken. Auch weil die Arbeit in einer klassischen Landarztpraxis oftmals mit den Vorstellungen junger Fachkräfte von einem Berufsleben mit Teamarbeit und ausgewogener Work-Life-Balance kollidiert.