Pflege daheim: "Alleingelassen vom Staat" - Warum für eine Fränkin der Urlaub dieses Jahr ausfällt

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Pflege daheim ist ein Glücksfall. Doch nicht nur Gepflegte, auch Pflegende brauchen Unterstützung vom Staat. Foto: Brigitte Krause
Pflege daheim ist ein Glücksfall. Doch nicht nur Gepflegte, auch Pflegende brauchen Unterstützung vom Staat. Foto: Brigitte Krause

Wie Menschen im Landkreis Haßberge die Bürokratie und den Alltag mit der Pflege erleben, zeigt der Fall von Elke Ibel. Die Eltmannerin hat sich an Gesundheitsministerin Melanie Huml gewandt.

Zwei Operationen, künstliches Koma, Aufenthalt in der Akutgeriatrie, dann Reha. Elke Ibels Mama kam vor gut zweieinhalb Jahren nicht mehr als derselbe Mensch nach Hause zurück. Sie kann sich bei Weitem nicht mehr so bewegen wie früher, der Rollator ist ihr ständiger Begleiter.

Soll nicht heißen, dass sich die Seniorin dadurch entmutigen lässt. Sie hält sich tapfer und hat ihre gute Laune nicht verloren. Freilich hat sich ihr Leben geändert - und das ihrer Tochter. Massiv. Denn nicht nur, dass die Mama innerhalb weniger Wochen vom oberen Stock ins Erdgeschoss umziehen musste, die 86-Jährige braucht nun eben auch täglich Betreuung.

Für einen Angehörigen, der jeden Tag seinem Vollzeitjob nachgeht, kein leichtes Unterfangen. Elke Ibel macht den Job, weil sie ihre Mutter liebt. Sie ist sehr froh über ihr soziales Netzwerk, über Freunde, Bekannte, die gute Dorfgemeinschaft. Ihr Bruder lebt viele hundert Kilometer entfernt und kann schon auch mal ein Wochenende oder für die Zeit eines Kurzurlaubs vor Ort sein. Letztlich aber ruht die ganze Betreuungslast auf ihren Schultern.

Landespflegegeld zur Unterstützung

Elke Ibel nutzt die Möglichkeiten, die ihr als Pflegende geboten werden. So hat sie zuletzt auch gleich 2018 den Antrag auf Landespflegegeld gestellt, der jedem Senior ab Pflegestufe 2 seit Neuestem zusteht. Als Verwaltungsfachangestellter fällt es der 51-Jährigen leicht, mit der Bürokratie zurechtzukommen. Denn, um dieses Landespflegegeld zu beantragen, muss man digital sein.Online.

Es gibt im Landkreis Haßberge direkt keine Stelle: Die Formulare kann man nur über das Internet herunterladen und ausdrucken. Bürgerbüros oder Landratsamt helfen schon mal, doch richtig dafür zuständig ist hier niemand. Elke Ibel hat die Formulare heruntergeladen und ausgedruckt, hat alle Angaben gewissenhaft eingetragen und die Belege beigefügt. Mit der Post losgeschickt an das Landespflegeamt in Amberg.

Hilfe, die ankommt?

2018 durch Markus Söder aus der Taufe gehoben, verkündet es über sich (Internetseite): "Das Bayerische Landesamt für Pflege bündelt Aufgaben, die bisher auf verschiedene Stellen verteilt waren. Auch neue und wachsende Aufgaben werden zentral im Landesamt wahrgenommen. So kommt die Hilfe bei den zu pflegenden Menschen und ihren Angehörigen künftig besser an."

Angekommen ist bei Elke Ibel bis Februar 2019 erst einmal nicht viel.

Anfang August 2018 erhielt sie ein Schreiben der Landespflegekasse, dass ihr Antrag "Unstimmigkeiten" enthalte. Worin die bestünden, das wurde gar nicht erklärt. Elke Ibel schaute sich also die Unterlagen noch einmal besonders genau an - kam aber nicht drauf. Was, um Gotteswillen, meinen die? Alle Angaben nach ihrem Wissen korrekt, alle Anlagen tadellos. Sie rief also an und erfuhr, dass die IBAN-Nummer angeblich falsch sei. War nach ihren Unterlagen aber richtig.

Sie kam auf die Idee, bei der Bank anzurufen und erfuhr erst da, dass die beiden ersten IBAN-Ziffern anders lauten. Die Korrektur war schnell gemeldet und erledigt. - Woraufhin wieder Zeit ins Land ging.

Zeit vergeht, nichts passiert

Das neue Jahr zog ins Land. Am 8. Januar schickte Elke Ibel eine Mail an die Landespflegekasse - keine Rückantwort. Auch die Erinnerung am 16. Februar verhallte ungehört. Am 10. März sandte sie ein ausführliches Schreiben mit ihren ganzen Kritikpunkten zum Thema Pflege an Gesundheitsministerin Melanie Hummel. - Und erhielt umgehend einen Anruf aus der Landespflegegeldstelle, dass ihr Antrag nun bearbeitet werde.

Inzwischen war es Ende März geworden, der Bescheid kam - und auch das Landespflegegeld. Übrigens: Für das Landespflegegeld braucht es jährlich nicht immer einen neuen Antrag. Aber: Im Herbst wird überprüft, ob die Betreuung noch gegeben ist.

Die 1000 Euro sind, das weiß jeder, der einen Pflegebedürftigen zu Hause hat, durchaus für manches eine Hilfe, aber unterm Strich ein Tropfen auf dem heißen Stein. Pflegebedürftigkeit ist nämlich am Anfang immer ein kurzfristig eintretendes Ereignis, es ist erst nicht planbar - und damit kommen immer besondere Kosten auf den Haushalt zu. Abgesehen von der persönlichen Belastung durch die Auseinandersetzung mit Bürokratie, mit Vorsorgebestimmungen, medizinischen Notwendigkeiten und der ganz individuellen psychischen Befindlichkeit bei demjenigen der gepflegt werden muss, wie dem, der pflegt, kommen nun auch äußere Faktoren dazu.

Und die ärgern Elke Ibel, weshalb sie eigentlich den Kontakt zur Gesundheitsministerin gesucht hatte: "Ich fühle mich als Angehörige alleingelassen vom Staat", sagt sie. Es ist für sie besonders ärgerlich, weil "Wahlkampfversprechen propagiert werden, aber es tut sich nichts".

Mangelware Kurzzeitpflege

Damit meint sie nicht nur die Pflegeheime, die überquellen, sondern vor allem die Kurzzeitpflege. Die hat im Landkreis Haßberge aufgehört zu existieren. Heime nehmen mit viel Glück jemanden in den paar Tagen auf, in denen ein neuer nachfolgender Heimbewohner sein Zimmer noch nicht bezogen hat.

2018 ließ sich Urlaub für die Dippacherin noch organisieren: "Mein Bruder war da." 2019 telefonierte Elke Ibel einige Heime durch. "Da haben wir Anfang des Jahres erfahren, dass die Plätze für die Kurzzeitpflege abgebaut werden." Die Pflege von alten Menschen, die nur eine kurze Zeit betreut werden sollen, rechnet sich für die Heime nicht. Sie müssen eine Infrastruktur bereithalten, die nur innerhalb einer bestimmten Zeit im Jahr intensiv nachgefragt wird. Das lässt der knappe Etat nicht zu.

Zeitweise hat ein Pflegeheim wie das in Knetzgau mit seinen etwas über 80 Plätzen eine Warteliste von über 50 Interessenten. "Kurzzeitpflege sollte doch vom Staat gegenfinanziert werden", betont Elke Ibel und verweist auf das sechsseitige Antwortschreiben, das sie von Melanie Huml bekommen hat.

Es ist ausgesprochen ausführlich und nimmt genau auf ihren Fall Bezug. Doch der Beschluss der Landespflegesatzkommission und auch der Landtagsbeschluss zur selben Sache, die Huml beide aufführt, sind - 2018 gefasst - nach wie vor einfach nicht umgesetzt. Danach sollten Pflegeheime, die sich verpflichten, eine bestimmte Zahl an Kurzzeitpflegeplätzen bereit zu halten, finanziell besser gestellt werden. Eine Nullnummer. Urlaub? Für Elke Ibel heißt es erst mal, entweder daheimbleiben, oder die Mama mitnehmen...

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