In Zeil regiert die Fantasie

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Im buten Bauwagen residieren die Naturkäfer in Zeil am Söhrlein.Brigitte Krause
Im buten Bauwagen residieren die Naturkäfer in Zeil am Söhrlein.Brigitte Krause

Im evangelischen Kindergarten in Zeil gibt es seit einem Jahr die Naturkäfer. Sie sind den ganzen Vormittag über und bei jedem Wetter draußen.

"Das war der schönste Tag in meinem Leben!!!" Freudestrahlend stürmt der Bub aufs Kindergartengelände. Als Naturkäfer durfte er den Berg ein paar mal runter auf dem Hosenboden! So müssten die Tage immer sein.

Für viele Kinder, selbst auf dem flachen Land, gehören Naturerlebnisse nicht zur Tagesordnung. Wie auch, wenn beide Eltern bis zum Abend arbeiten und die Familie noch dazu keinen Garten hat? Daher sieht der bayerische Bildungs- und Erziehungsplan Naturerkundungen vor. Über die Intensität, also, ob es einen Waldtag pro Woche gibt, eine Waldwoche oder mehr entscheiden die Einrichtungen selbst.

Impuls durch eine Spendenanfrage

Weihnachten 2017 stellte sich die Frage, wohin mit einer Spende. Ein Bauwagen für eine Draußengruppe bot sich an. Schon ewig ein Wunsch der Verantwortlichen um Einrichtungsleiterin Susanne Schmid. Damit nahmen die Erzieher den roten Faden auf, wie Pfarrer Hans-Christian Neiber für den Trägerverein findet. Einen roten Faden, den man mit der Neugestaltung des Gartens 2013 schon gefunden hatte. Damals sollten die Kinder im Garten Natur erfahren.

Dazu nutzt man etwa die benachbarte Altach, von der der Kindergarten nicht hermetisch abgeriegelt ist, sondern die eine kleine betreute Gruppe gesichert besuchen kann.

Die Eltern stehen hinter dem Konzept für mehr Natur. Neiber ist ausgesprochen erfreut darüber, dass die Initiative das pädagogische Profil der Einrichtung erweitert: "Es ist ein schönes Zeichen der Nachhaltigkeit".

Der Bauwagen inspirierte zu der Waldkindergruppe. Auf allen Seiten fanden sich ehrenamtliche Helfer. Ein Vater legte in ein paar Tagen einen neuen Boden in den Bauwagen, "aber mit Dämmung": bei einer Zeiler Firma fragte man nach Farben zum Bemalen des Bauwagens, "und am nächsten Tag stand ein Sprinter voll Farbe vor der Türe", berichtet Susanne Schmid.

Wechsel alle drei Wochen

Für die momentan 40, im Frühjahr 50, Kinder zwischen drei und sechs Jahren heißt es seit gut einem Jahr alle drei Wochen: Wer will in die Naturkäfergruppe? Einige Spezialisten wären gerne immer dabei. Den Kleineren reichen auch eineinhalb Wochen. Die Eltern ziehen mit und statten die Kinder aus mit Matschhose oder alter Jeans, die auch dreckig werden darf. Krank? Kein Thema bei den Naturkäfern.

Bei jedem Wetter draußen

Um 8.30 Uhr geht es los bis 12 Uhr, montags bis freitags. Da muss eine Erzieherin eine gute Konstitution haben und dahinterstehen. Trifft definitiv zu auf Christine Koch und Sabrina Thomann, die sich zu zweit um die jeweils zehn Kinder kümmern. "Ich hab mit viel Widerstand gerechnet, aber es war wenig", schildert Koch die Anfänge. Elternbriefe schufen größte Transparenz, und letztlich ist es die Begeisterung der Kinder, die alle überzeugt.

"Wir haben schon immer ein Ziel", erzählt Christine Koch und lacht über das ganze Gesicht, "aber ob wir das erreichen, ist ungewiss." So ist sie schon öfters bestens vorbereitet mit den Kindern losgezogen, um ihnen einen speziellen Käfer zu zeigen, hängengeblieben ist die Gruppe aber schon nach den ersten Metern wegen einer besonderen Beobachtung.

Christine Koch ist allerdings für alle Fälle bestens präpariert. In ihrem Rucksack ("ganz schön schwer", meint Sabrina) findet sich nicht nur die Erste Hilfe, sondern immer eine Flasche Wasser, Bestimmungsbücher, Handy, und, und und. Die Neugierde der Kinder bestimmt den Tag. Da wird erkundet, was das für ein Schmetterling ist oder wie man dieser verflixten Brennnesseln beikommt. Man kann sie tatsächlich anfassen, ohne sich weh zu tun! Käfer, Hummel, ein Stückchen Holz - alles faszinierend! Wenn man die Freiheit hat, sie in Ruhe zu erkunden. So kennen die Kinder bald die Baumarten.

Es gibt bestimmte Regeln

Und sie wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Draußen sein, das funktioniert nur nach klaren Regeln. Den Berg hinaufkraxeln? Bube und Mädchen wissen, dass sie aufeinander achten müssen. Keiner tanzt aus der Reihe. Das gemeine dornige Himbeergestrüpp verliert alle Tücken für kleine Mädchen, wenn sie - ohne große Worte - rechts und links gleichaltrige Helfer finden. So klappt das mit der sozialen Gemeinschaft.

Wie viele Kindergärten und Betreuungsplätze gibt es im Landkreis Haßberge?

Es gibt im Landkreis Haßberge 64 Kindertageseinrichtungen. Davon sind drei reine Kinderkrippen für Kinder bis zu drei Jahren, zwei sind reine Horte für Kinder von der Einschulung bis zum Alter von 14 Jahren. In 41 der verbleibenden 59 Kindertageseinrichtungen bestehen Krippengruppen. Diese Zahlen teilt Katharina Tschischka von der Kindergarten-Fachaufsicht im Landkreis Haßberge mit.

Aus Behördensicht sind 3476 Betreuungsplätze nach dem Bayerischen Kindergarten- und Bildungsgesetz (BayKiBiG) genehmigt. Davon 734 Krippenplätze sowie 2907 Plätze für Kinder von drei Jahren bis zur Einschulung (Regelplätze). Und es gibt 105 Hortplätze.

Personal ist unterschiedlich

Zahlen über das benötigte Personal können nicht erhoben werden, so Tschischka, da sich der Personaleinsatz nach den gebuchten Betreuungsstunden der Kinder errechnet und ein gesetzlich vorgegebener Anstellungsschlüssel (Verhältnis gebuchte Stunden Kinder zu Personalstunden) einzuhalten ist. Dieser Anstellungsschlüssel (1:11) liegt im Landkreisdurchschnitt bei 1:9,8 also deutlich unter dem staatlichen Vorgaben.

Das Angebot der Naturkäfergruppe im evangelischen Kindergarten in Zeil ist ein Angebot, das von wechselnden Kindern wahrgenommen werden kann. Eine ausdrücklich als Waldkindergartengruppe benannte Gruppe würde sich aus festen Kindern zusammensetzen. Dies ist ein wichtiger Unterschied, da für eine Waldkindergartengruppe besondere Voraussetzungen erfüllt werden müssen. In dieser Art ist das Angebot im "Regenbogenhaus" Zeil wohl das einzige im Landkreis.

Was gibt es noch für Schwerpunkte an Kindergärten im Landkreis? Das ist vielfältig. Der Kindergarten in Pfarrweisach beteiligt sich regelmäßig am Wettbewerb Öko-Kids, der Kindergarten Prölsdorf ist als Haus der kleinen Forscher zertifiziert, zehn Einrichtungen nehmen am Förderprogramm des BMFSJ "Sprach-Kitas teil (Sprache als Schlüssel zur Welt).

Weiterhin setzen die Einrichtungen ihre Schwerpunkte im pädagogischen Bereich: etwa beim Waldorfkindergarten in Haßfurt, im Kinderhof Sonnenschein in Haßfurt (Waldorf orientierte Kinderkrippe) oder bei der Pädagogik nach Maria Montessori (Kindergarten Aidhausen, Happertshausen).

Die Fachaufsicht am Landratsamt begrüßt laut Tschischka eine Vielfalt von Angeboten zur Umsetzung des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans: "Gerne werden die Träger und Mitarbeiter bei der Planung beraten und begleitet."

Hoher Anspruch auf für das Personal

Die Naturkäfergruppe im evangelischen Kindergarten in Zeil hat sich aus der Umstellung der pädagogischen Arbeit vom gruppenbezogenen Arbeiten hin zum offenen Konzept entwickelt. Im offenen Konzept werden den Kindern unterschiedlichste Raum- und Spielangebote eröffnet in denen sie sich aufhalten und spielen können. Dem Kind stehen also nicht nur die Spielmaterialien in einem Gruppenraum zur Verfügung, sondern alle Räume im Kindergarten können zum Spielen genutzt werden.

So gibt es dann auch einen Raum mit Konstruktionsmaterial (also eine "große Bau- und Legoecke"), einen Raum für Rollenspiele ("große Puppenecke"), ein Atelier ("großer Bastel- und Maltisch") und anderes mehr. Die Ausgestaltung richtet sich nach den Möglichkeiten der Einrichtung, den Interessen der Kinder und berücksichtigt auch die Fähigkeiten der Mitarbeiter. So ist im Kindergarten Zeil eine Naturkäfergruppe entstanden, deren Schwerpunkt auf Naturerfahrung und -erlebnis liegt.