Vielen ist bewusst, wie hart die Arbeit als Pflegekraft ist, wertgeschätzt wird der Beruf aber kaum. Winfried Wiendl aus Untertheres will den Ruf der Branche ändern und gegen den Pflegenotstand kämpfen - mit einer eigenen Stiftung.
Sich über den Pflegenotstand beklagen und nur zu hoffen, später trotzdem gut versorgt zu werden - für Winfried Wiendl aus Untertheres ist das keine Option. Der 69-Jährige geht aktiv gegen den Pflegenotstand vor und hat kurzerhand seine eigene Pflegedank-Stiftung gegründet. Wer meint, dass Wiendl selbst aus der Branche kommt, der irrt: "Ich bin gelernter Diplom-Betriebswirt und war 32 Jahre lang in der Finanzdienstleistung tätig", sagt er. Doch die Familie des dreifachen Vaters und achtfachen Großvaters ist groß - und so auch die Schnittpunkte zum Pflegebereich: "Meine Mutter lebt seit sieben Jahren im Heim, meine Schwiegermutter lebte drei Jahre im Heim, meine Tante lebt mit 100 Jahren im Heim, meine andere Tante ist mit 95 Jahren im Heim und ich habe noch zwei Tanten, die zuhause gepflegt werden", holt Wiendl lange aus. "Dadurch hatte ich ziemlich viele Einblicke."
Kosten fürs Pflegeheim klettern immer weiter
Einblicke in eine Branche voller Stress, Personalnot und Überstunden. Laut der Verbraucherzentrale Bayern werden 62 000 Pflegekräfte im Jahr 2030 im Freistaat fehlen. "Ich dachte, da lässt sich doch bestimmt etwas unternehmen." Anfang 2018 hat Wiendl es selbst in die Hand genommen und die Pflegedank-Stiftung ins Leben gerufen. "Gerade in unserer Region soll die Stiftung mithelfen, dass es dauerhaft genügend Pflegekräfte gibt, damit es uns gut geht, wenn es uns einmal nicht mehr so gut geht."
Mehrere Landkreise profitieren
"Ich wende mich an Einrichtungen in den Landkreisen Haßberge, Bamberg und Schweinfurt und frage, plump gesagt, mit was ich ihnen eine Freude machen könnte", sagt Wiendl. Zum Jahresende sammelt er die Anträge. Die müssen die Personenanzahl, die Kosten und die gewünschte Aktivität beinhalten. So ist ihm zum Beispiel ein Gauditurnier mit 110 Pflegekräften auf dem Golfclub Schweinfurt sehr gut in Erinnerung geblieben. Bis vor zwei Jahren war er dort Präsident. Heute hat er das Amt abgegeben, um sich ausschließlich der Stiftung widmen zu können. "Aber Golfen gehe ich immer noch gerne", sagt er und lacht. Zwar geht es bei seiner Stiftung auch um Gaudi und ums Miteinander, doch über all dem stehen drei große Ziele.
Das erste Ziel ist es, so Wiendl, mitzuhelfen, dass eine positive Berichterstattung über den Beruf erfolgt. Denn oft werde nur dann berichtet, wenn ein Pflegeskandal aufgedeckt wird - die positiven Neuigkeiten werden meist gar nicht an die Presse weitergeleitet.
Schulbesuche für Imagepflege
Das zweite Ziel ist es, mehr Menschen für den Beruf zu begeistern. "Aktuell bin ich dabei, in den Schulen zusammen mit jungen Pflegekräften für den Beruf zu werben", sagte Wiendl noch vor wenigen Wochen gegenüber dem FT. So war er in den achten und neunten Klassen an den Mittelschulen in Hofheim, Haßfurt, Knetzgau, Maroldsweisach und in Ebern. Die Resonanz sei überwiegend positiv ausgefallen.
Zuvor habe es an den Schulen zwar auch Veranstaltungen gegeben, an denen sich Berufsgruppen vorgestellt haben, doch da seien nur zwei bis drei Schüler zu den Pflegekräften gegangen. Deshalb hat Wiendl die einzelnen Schulbesuche, ausschließlich von Pflegekräften und in Zusammenarbeit mit Schulrätin Susanne Vodde organisiert.
"Ich wollte 100 Prozent der Schüler ansprechen. Es bestehe eine Barriere, dass sich junge Menschen outen und sagen: Ich will Pflegekraft werden", weiß Wiendl. Der Grund: das schlechte Image. "Da wird das Thema Körperpflege in den Vordergrund gestellt, was in der Praxis nur 20 Prozent ausmacht." Vielmehr wird oft vernachlässigt, dass Pflegekräfte eine Art Ersatzfamilie darstellen. "Der Familienanteil bei Besuchen im Heim ist gering." Zum Großteil bilden die Pflegekräfte die Ersatzfamilie, die sich mit all den Sorgen, Nöten und Erzählungen der Betreuten auseinandersetzten. "Das wird viel zu wenig gewürdigt", sagt Wiendl.