"Das größte Problem zwischen Hund und Mensch sind Missverständnisse", sagt Ute Horbach. Darum versucht die zertifizierte Verhaltensberaterin, zwischen beiden Parteien zu übersetzten. Dafür muss sie manchmal auch in die Knie gehen.
Ute Horbach ist nichts Tierisches fremd. Die gelernte Arzthelferin (für Menschen) arbeitet seit 2004 mit Natascha Hahn in einer Tierarztpraxis in Altershausen zusammen. "Natascha sorgt für das leibliche und ich für das seelische Wohl", sagt Ute Horbach.
Sie hat sich über die Ethologischen Seminare Bayern zur Verhaltensberaterin und Hundeerzieherin zertifizieren lassen und beim Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV) eine ähnliche Ausbildung absolviert.
Hund-Mensch, Mensch-Hund Die 56-Jährige kümmert sich seit bald 13 Jahren um die Marotten von Herrchen, Frauchen und Hund. Oder besser noch: um die Kommunikation zwischen Mensch und Tier. Da gibt es nämlich ganz schön viele Missverständnisse.
Da der Begriff "Verhaltenstherapeut" nicht geschützt ist, hat Ute Horbach viel Konkurrenz, die autodidaktisch arbeitet.
Jeder kann sich "Tiertherapeut" nennen. Durch Fernsehsendungen wie "Der Hundeflüsterer" oder "Hundeprofi Martin Rütter" glauben außerdem viele Hundehalter, schon zu wissen, wie es geht. Wenn es dann doch nicht klappt, kommen sie zu Ute Horbach und sind enttäuscht, weil eine Verhaltensänderung viel Geduld braucht.
"Bei dem Fernsehzuschauer bleibt meistens nur hängen, dass der Mensch im Fernsehen zwei Mal schnippt und der Hund gehorcht", sagt Ute Horbach und seufzt. Die Realität sieht anders aus: 200 bis 500 Wiederholungen braucht es, bis ein neuer Verhaltensmechanismus sitzt. Das erfordert von Mensch wie Tier gleichermaßen Disziplin. Und da wären da eben noch die Missverständnisse in der Kommunikation, für die Ute Horbach gleich Dutzende Beispiele auf Lager hat.
Beispiel Nummer eins: Der Hund bettelt am Tisch.
Kleine niedliche Hunde bekommen schnell - auch von Fremden - ein Bröckchen zugeworfen. "Weil er so lieb schaut und bestimmt Hunger hat." Große Hunde "brauchen" natürlich viel Nahrung, die ihnen ihre Herrchen und Frauchen oft zu freimütig geben. Würden diese großen Tiere bei Fremden betteln, kann die Situation auch schnell bedrohlich werden. Doch dazu später mehr.
Ute Horbach rät, das Betteln der Hunde konsequent zu ignorieren. Mehr noch: "Wir interpretieren das Verhalten als Betteln. Aber das ist kein Betteln, sondern ein Fordern", sagt sie. Die Klienten reagierten auf ihren Rat fast immer gleich: "Es wird nicht besser, sondern schlimmer!" - "Klar", weiß Ute Horbach. Das Fordern am Tisch laufe in drei Phasen ab. Erzielt der Hund in Phase eins keinen Erfolg mehr, schaltet er einen Gang höher.
In Stufe eins fixiert der Hund sein Gegenüber mit den Augen.
Reagiert der Mensch nicht, legt er ihm die Pfote auf den Oberschenkel oder kratzt am Bein. Versteht Herrchen immer noch nicht, dass er endlich Futter herausrücken soll, kläfft der Hund. "Nur die Erfahrung, dass das alles nichts hilft und dass der Mensch entscheidet, wann sein Hund Futter bekommt, hilft", sagt Ute Horbach.
Keine Faxen machen Sie selbst hat drei Hunde im Haus. Die drei Fellbündel Hannes, Emma und Lotte dürfen sich im Haus frei bewegen. "Aber wenn ich mich aufs Sofa legen möchte, müssen sie sofort runter", sagt sie.
Beispiel Nummer zwei: Ein Hund bellt jeden Tag den Briefträger an. Als der eines Tages ein Paket ins Haus bringt, beißt er dem Zusteller in die Wade.Ute Horbach meint: "Der Hund hat den Job übernommen, das Revier gegen Eindringlinge zu verteidigen.
Das Kommen des Briefträgers empfindet er als übergriffig: Er kommt jeden Tag auf das Grundstück und fasst an die Tür. Der Hund bellt, der Briefträger geht. Das wertet der Hund als Erfolgserlebnis. Denn er weiß nicht, dass der Bote ohnehin wieder gegangen wäre. Wenn der Zusteller das Haus mit einem Paket betritt und das Bellen, das normalerweise reicht, ihn nicht vertreibt, kann der Hund zubeißen."
"Um problematisches Verhalten zu vermeiden, muss man den Grund dafür kennen", erklärt Ute Horbach. Wenn der Hund Aufgaben wie das Bewachen des Grundstücks übernehme, sage er seinem Herrchen damit eigentlich: "Du bist wohl nicht in der Lage, also übernehme ich das für Dich." Wenn der Besitzer dieses Verhalten nicht mehr kontrollieren könne, hänge der Rudelsegen ganz schön schief.
"Die Hierarchie muss klar sein und der Hund muss wissen, wo sein Platz ist", unterstreicht Ute Horbach.
Beispiel Nummer drei: Der Hund springt sein Herrchen oder andere Menschen an. Auf Pfotenabdrücke auf der Hose legen die meisten Menschen keinen gesteigerten Wert. Wenn ein großer Hund Alte, Kranke oder gar Kinder anspringt, bekommt das Ganze eine bedrohliche Komponente.
Eigentlich will der Hund mit diesem Verhalten aber etwas ganz anderes bezwecken. Er will freundlich "hallo" sagen und die Mundwinkel der Person lecken. Das bedeutet so viel wie: "Ich bin ganz klein und tue nichts."
Aus genannten Gründen ist es sinnvoll, dem Hund ein alternatives Verhalten beizubringen. Ute Horbach rät: "Wenden Sie sich ab, so dass der Hund es nicht schafft, hochzuspringen. Wenn er ablässt, kann man ihm die Hand zum Lecken hinhalten und ihn kraulen.
So werden die Bedürfnisse des Hundes befriedigt, ohne dass er dem Menschen seinen Willen aufzwingt."
Wenn große Hunde auf kleine Kinder treffen, kennt Ute Horbach nur einen Weg: Deeskalation. "Wenn ein Kind ein Eis hat, der Hund es haben will und das Kind seinen Arm schreiend in die Luft streckt, geht das selten gut aus." Bei solchen Konflikten siegt in der Regel der Hund. Hier ist es ungefährlicher für das Kind, auf das Eis zu verzichten. "Die Erziehung eines Hundes kann nicht in der Hand von Kindern liegen, sondern muss von den Eltern geleistet werden", sagt Ute Horbach.
Einsatz auf allen Vieren Als Dolmetscherin zwischen Hund und Mensch ging Ute Horbach schon mehr als einmal auf die Knie - zuletzt vor dem aggressiven Hund einer Familie.
"Das Tier war am Heizkörper festgebunden, und keiner traute sich in seine Nähe", erinnert sie sich . Auch sie wurde mit wütendem Bellen und Zähnefletschen begrüßt.
Die 56-Jährige ließ sich also auf den Boden nieder, begann sich über die Lippen zu lecken, zu gähnen und mit den Augen zu blinzeln. Alles aus Hundesicht Signale für ihre friedlichen Absichten. Der Trick funktionierte, der Hund ließ sich nieder und beantwortete die Beschwichtigungsgesten. Nur die Familie brauchte ein wenig, um sich von dem seltsamen Gebaren der Hundeerzieherin zu erholen.