Getötete Elfjährige: Trauer und Wut in Unterschleichach
Autor: Andreas Lösch, Sabine Weinbeer
Unterschleichach, Sonntag, 03. Januar 2016
Bei einer Silvesterfeier in Unterschleichach ist eine Elfjährige von einem Geschoss aus einer Kleinkaliberwaffe getötet worden. In der Gemeinde Oberaurach herrscht großes Entsetzen. Die Polizei befragte Anwohner, insbesondere Waffenbesitzer. Auf Facebook wird getrauert, geschimpft und spekuliert.
+++ 11-Jährige Janina an Silvester erschossen: Urteil im Mordprozess
Update: Fall Janina - mutmaßlicher Todesschütze gefasst
Die Bewohner von Unterschleichach sind schockiert. Das Unglück in der Silvesternacht, bei dem ein elfjähriges Mädchen getötet wurde, ist das Gesprächsthema Nummer eins in dem kleinen 450-Einwohner-Ort in der Gemeinde Oberaurach.
Eine Mischung aus Trauer und Wut lässt die meisten Dorfbewohner ratlos zurück, die das Geschehene noch nicht einordnen können. Vor allem, seit die Kriminalpolizei Schweinfurt bekannt gab, dass das Kind durch eine Waffe ums Leben kam, herrscht große Fassungslosigkeit. "Wenn ein Böller eine rostige Blechdose zerrissen hätte, dann wäre das ein Unfall mit schrecklichen Folgen gewesen - aber wenn hier einer in der Öffentlichkeit mit einer scharfen Waffe schießt, dann ist das ja wirklich unglaublich", sagt eine Unterschleichacherin, die namentlich nicht genannt werden möchte.
Schuss hätte jeden treffen können
Bei der Jahresauftakt-Veranstaltung des RSV Unterschleichach am Samstagabend war das schreckliche Unglück zentrales Thema. Ein stilles Gedenken galt dem Kind und seinen Eltern. Außerdem wurde der Wunsch ausgesprochen, dass sich der Schuldige melden möge.Aus Gesprächen mit den Anwesenden ergab sich der allgemeine Tenor, dass es kaum vorstellbar sei, dass jemand gezielt auf ein Kind schießen würde. Den Unterschleichachern wird inzwischen bewusst, dass eigentlich jeder, der sich in der Silvesternacht im Freien aufhielt, hätte getroffen werden können.
Die Kirchengemeinde kommt am heutigen Montag um 18.30 Uhr in der Kapelle in Unterschleichach zum Rosenkranzgebet zusammen. "Wir beten für die Seele des getöteten Kindes, um Kraft für die Familie und um Aufklärung des schrecklichen Geschehens", heißt es in der Einladung.
Nach Angaben der Polizei wurde die elfjährige Janina am Neujahrstag gegen 1 Uhr während andauernder Silvesterfeierlichkeiten im Freien von einem Projektil aus einer Kleinkaliberwaffe am Kopf getroffen. Das Mädchen starb wenige Stunden später im Krankenhaus.
Spekulationen und Vermutungen
Inwiefern der Schuss gezielt abgegeben wurde oder ob es sich bei der Kugel um einen Querschläger oder ein herabfallendes Geschoss gehandelt hat, dazu konnte die Polizei (noch) keine Angaben machen. Die Möglichkeit besteht aber durchaus, dass ein herabfallendes Projektil zu einer tödlichen Gefahr wird.Nach Experimenten der Bundeswehr sowie unabhängig davon angestellten Berechnungen der amerikanischen Waffen-Lobby National Rifle Assocication (NRA) kann ein stromlinienförmiger, massiver Gegenstand wie eine Gewehrkugel, die in die Luft abgefeuert wurde, beim Herabfallen Geschwindigkeiten von über 500 Stundenkilometern erreichen und beim Auftreffen auf eine Schädeldecke tödliche Kopfverletzungen verursachen.
Nach einer gemeinsamen Mitteilung des Polizeipräsidiums Unterfranken und der Staatsanwaltschaft Bamberg laufen die Ermittlungen "auf Hochtouren", um die genauen Umstände des Tötungsdelikts aufzuklären. Nach derzeitigem Ermittlungsstand habe das Projektil einer Kleinkaliberwaffe die tödlichen Verletzungen des Kindes verursacht, die Umstände dahinter seien aber unklar.
Hinweise aus der Bevölkerung
Die Kripo Schweinfurt hofft auf Hinweise aus der Bevölkerung. Zeugen werden gebeten, sich unter der kostenlosen Telefonnummer 0800/101-1611 zu melden. Bereits am Freitag wurde laut Pressemitteilung der Polizei intensiv an der Aufklärung der Umstände, die zu dem Tod des Mädchens geführt haben, gearbeitet. So erfolgte unter anderem am Nachmittag die Obduktion des Leichnams des Mädchens.Eine Anwohnerbefragung in dem kleinen Ort wurde nach Angaben des Polizeipräsidiums Unterfranken in Würzburg am Sonntag abgeschlossen. Der Druck auf den gesuchten Schützen ist laut Polizei hoch, weil eine Überprüfung der registrierten Waffen und deren Besitzer stattfindet. Auf die Frage, ob sich der gesuchte Schütze oder ein wichtiger Zeuge aufgrund des hohen Ermittlungsdrucks bereits bei der Polizei gemeldet habe, antwortet ein Sprecher des Polizeipräsidiums am Sonntagmittag: "Leider noch nicht. Bis jetzt hat sich noch niemand gemeldet."
Eine Einwohnerin aus Unterschleichach berichtete zudem, dass in den vergangenen Tagen über 100 Einsatzkräfte der Polizei im Dorf unterwegs waren, um die Bewohner ausführlich zu befragen. Dabei seien gezielt registrierte Waffenbesitzer überprüft worden. Die Frau konnte davon berichten, weil ein Familienmitglied selbst Sportschütze sei und deswegen auch in ihrem Haus eine Befragung stattgefunden habe.
Landesweite Aufmerksamkeit
Während in Unterschleichach nach Angaben der Polizei am Sonntag nach Beendigung der Anwohnerbefragung zumindest etwas Ruhe eingekehrt ist, wird der Vorfall, der landesweit mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht, im sozialen Netzwerk Facebook äußerst emotional diskutiert. Eine große Mehrheit der Kommentatoren drückt ihre Trauer und Fassungslosigkeit aus. Auf der Facebookseite von infranken.de finden sich unter einem Artikel zu dem tragischen Ereignis viele Kommentare, in denen den Angehörigen der getöteten Elfjährigen Beileid ausgesprochen wird. "Unfassbare Tragödie. Ich hoffe der Täter wird schnell gefasst. Der Familie gilt mein tiefstes Mitgefühl", schreibt etwa eine Nutzerin.
Wütende Facebook-Kommentare
Auch wütende Kommentare sind darunter, darin wird unter anderem der Täter beschimpft beziehungsweise die Tat scharf verurteilt. Auch zahlreiche Spekulationen gibt es darüber, ob der Schütze mit Absicht auf Menschen geschossen hat oder ob es sich um ein tragisches Unglück handelt. Teils wird von Mord gesprochen, obwohl hierzu keinerlei gesicherte Erkenntnisse vorliegen, wie die Polizei offiziell erklärt."Mein aufrichtiges Beileid der Familie und den Angehörigen. Hoffentlich wird diese Tragödie schnell aufgeklärt", schreibt ein Nutzer unter einen Beitrag auf der Facebook-Seite "Spotted: Haßfurt und Umgebung".
Angehörige starten Zeugenaufruf
Der Beitrag ist konkret der getöteten Janina gewidmet. Es ist ein Bild des Mädchens zu sehen, auf dem es mit einem Teddybär kuschelt. Unter das Bild wurde folgender Text eingefügt (im Wortlaut): "Was ist mit unserer Janina passiert? So plötzlich und tragisch wurde sie aus unserem Leben gerissen. Wer hat in der Silvesternacht etwas beobachtet? Wer hat jemanden mit Waffe gesehen? Jemand muss diese Person doch gesehen haben?! Um die genauen Umstände des Vorfalls zu klären, bat die Polizei auch die Bevölkerung um Mithilfe - mögliche Zeugen, die Hinweise zum Geschehen geben könnten, sollten sich bei der Kriminalpolizei in Schweinfurt melden. BITTE HELFT UNS!"Der Beitrag war am Sonntagabend (3. Januar) bereits rund 4200 Mal geteilt worden. Nach Angaben der Betreiber hat sich eine Familienangehörige des Opfers mit dem Aufruf an die Seite "Spotted: Haßfurt und Umgebung" gewandt.