Der Kreis Haßberge hat eine Gänse-Studie vorgestellt - und sich damit selbst entlastet. Die wachsende Vogelpopulation sei, so heißt es, nicht auf das "Life Natur Projekt Mainaue" zurückzuführen, das die Lebensbedingungen der Zugvögel entscheidend verbessert hat. Das ändert aber nichts daran, dass die Gänsescharen weiterhin für Ernteausfälle sorgen.
Wildgänse machen den Landwirten im Kreis Haßberge das Leben schwer und waren deshalb beim Umwelt- und Werkausschuss im Wonfurter Pfarrsaal Thema. Die gefräßigen Tiere fressen Raps- und Getreidefelder kahl und den Landwirten dadurch ein Loch in den Geldbeutel. Allein im Raum Sand am Main liegt der landwirtschaftliche Schaden nach Angaben des Bayerischen Bauernverbands bei 10 000 Euro im Jahr. Dieses Defizit kann auch der Landkreis nicht ausgleichen. Denn im Gegensatz zu anderen Wildtieren - wie Wildschweinen - fallen von Gänsen verursachte Ernteausfälle nicht unter die Rubrik Wildschaden.
Um gegen das Vogelvieh gezielt vorgehen zu können, hat der Landkreis das Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München mit der Brutvogelkartierung von Gänsen und Schwänen beauftragt. Bernd Janik von der Naturschutzbehörde stellte die Ergebnisse vor.
Derzeit sind etwa 200 Gänse im Landkreis heimisch. Insgesamt wurden 98 Nester kartiert: 70 davon gehören der Kanadagans, zwölf der Nilgans, elf der Graugans und fünf haben Schwäne gebaut. Die Tiere brüten ausschließlich auf Inseln.
"Die Kartierung belegt, dass das Life-Projekt die Gänseproblematik nicht bedingt hat", betonte Bernd Janik. Denn die Vögel nisteten bevorzugt auf natürlichen Inseln und nicht auf den von Menschenhand geschaffenen Rückzugsorten, die im Rahmen des "Life Natur Projekts" gebaut wurden. 2003 bis 2008 waren mit Fördermitteln der EU neue Vogel-Lebensräume in der Mainaue zwischen Haßfurt und Eltman gestaltet worden.
Seit der Jahrtausendwende hätte sich der Zahl der Wildgänse in ganz Bayerin invasiv vermehrt, erklärte Janik.
Auch die Nachbarlandkreise Bamberg, Schweinfurt und Lichtenfels suchten nach einer Lösung.
Zusammenrottungen "Bei einer Mainlänge von 34 Kilometern sind 98 Brutplätze objektiv gesehen nicht die Welt", relativierte der Fachmann. Das eigentliche Problem sei die Zusammenrottung der Tiere über Landkreisgrenzen hinweg. "Dann haben wir anstelle von 200 schnell 400 Gänse bei uns", so Janik. Klaus Merkel, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (CSU) und Parteifreund Willi Sendelbeck, Bürgermeister von Rentweinsdorf, drängten angesichts dieser Zahl auf eine schnelle Lösung.
Ein möglicher Ansatz ist die intensive Bejagung der Wildgänse. Martin Schrauder von der Jagdbehörde lieferte Vorschläge für ein neues Bejagungskonzept. Die Tiere sollten vor der Aussaat der Wintergerste geschossen und die Schonzeit verkürzt werden.
Zeitgleich könne man Ruhezonen an Plätzen schaffen, an denen die Vögel nicht viel Schaden anrichten könnten wie in Natur- und Vogelschutzgebieten, auf beweideten Flächen am Main oder auf Flächen mit Zwischenfrucht.
Sinnvoll wäre Schrauders Meinung nach auch eine revierübergreifende Bejagung zwischen August und Oktober. Allein entlang der gesamten Mainachse seien 24 Reviere betroffen. Desweiteren schlug er eine Abstimmung mit den Nachbarlandkreisen vor. "Es gibt leider keine Patentlösung. Wir müssen weiter experimentieren, Maßnahmen bündeln und geeignete Jagdmethoden finden", sagte Schrauder. Eventuell könne man den Einsatz von Greifvögeln erproben.
Geht Artenschutz vor? Eine weitere Herausforderung sei, dass Grau- und Kanadagans zwar dem Jagdrecht unterlägen.
Für die Nilgans müsse allerdings eine artenschutzrechtliche Erlaubnis eingeholt werden. "Es kann nicht sein, dass wir immer mehr Ausnahmen im Naturrecht machen", wandte Janik ein, wurde von Landrat Rudolf Handwerker aber unterbrochen. "Es ist nicht sinnvoll darauf zu warten, dass der Gesetzgeber reagiert." Man müsse rasch handeln und im Landkreis Lösungen finden.
400 Gänse eine Invasion?
Am Niederrhein tummeln sich im Winter viele tausend Gänse - und von großen Schäden ist nicht die Rede. Wenngleich die Vögel oberirdische Triebe abfressen, werden die Kulturpflanzen meist nicht nachhaltig geschädigt. Mir drängt sich der Eindruck auf, hier reichen sich Agrar- und Jagdlobby die Hand: Die einen wollen Entschädigungen über das angemessene hinaus abgreifen - und die anderen ihrem Hobby noch ausgiebiger frönen.
Wurden eigentlich unabhängige Naturschutzexperten (nicht die in vielerlei Freundes- und sonstigen Kreisen verflochtenen Behördenfunktionäre) befragt?