Die Offenbarung des Johannes und die Gemälde von Anne Olbrich - Das Publikum in Haßfurt erlebt eine gelungene Symbiose aus bildhafter Sprache und beredten Bildern
Bilder sagen oft mehr als Worte. Aber auch die Sprache kann mit Bildern spielen, um ihre Intention zu verdeutlichen. Insofern war der Themenabend "Die Offenbarung des Johannes in Theologie und Kunst" im Rahmen des Landkreisprojekts "Kunststück" im Bibliotheks- und Informationszentrums (BIZ) in Haßfurt eine gelungene Veranstaltung. Denn dabei ging die Sprache des letzten Buches des Neuen Testaments mit den Bildern der Künstlerin Anne Olbrich aus Ebern eine faszinierende Symbiose ein.
Prophetische Visionen
Das Zauberwort des Abends, zu dem die Leiterin des BIZ, Annelie Ebert, und die Leiterin des "Kunststück", Sibylle Kneuer, geladen hatten, war "Apokalypse". Ein Wort, mit dem die Offenbarung des Johannes bezeichnet wird. Mit dem aber auch in der Umgangssprache eine Art Schreckensvision bezeichnet wird, die angesichts des Terrors durch den IS eine neue Bedeutung erfahren hat.
Anne Olbrich wiederum hat die Offenbarung des Johannes in 30 Bildern unter dem Titel "Prophetische Visionen in apokalyptischen Zeiten" umgesetzt. Was aber hat es nun mit der Apokalypse auf sich?
Pfarrer Stephan Eschenbacher gelang es sehr gut, "Licht in das Dunkel" zu bringen. "Die Offenbarung des Johannes beschreibt keine Endzeit-Katastrophe, sondern ein Ereignis, das die Christen vor 2000 Jahren erlebt haben, nämlich die Unterdrückung durch die Macht Roms", sagte er. "Doch sie ist nicht als Tatsachenbericht verfasst worden, sondern wird mit wuchtigen und kraftvollen Bildern beschrieben." Doch die Offenbarung bleibe nicht bei der Schilderung der Katastrophe stehen, sondern wolle den Menschen Hoffnung und Trost durch den Glauben und die Frohe Botschaft schenken.
Sieben Briefe
Der Verfasser der Apokalypse, der um die Zeit 90 bis 95 nach Christus geschrieben habe, kann laut dem Pfarrer weder mit dem
Apostel noch mit dem Verfasser des vierten Evangeliums identisch sein. Er schreibt sieben Briefe mit prophetischem Inhalt an sieben christliche Gemeinden in der heutigen Türkei, die zu den bedeutendsten der römischen Provinz Asia zählten.
Der Verfasser charakterisiert sein Buch mit den Briefen als "Apokalypsis", zu Deutsch "Enthüllung". Doch er wollte nicht den Fahrplan des Weltenendes, sondern die Zustände der gegenwärtigen Welt, die als katastrophal erfahren wurden, enthüllen. "Diese Zustände hatten mit der Weltmacht Rom zu tun und mit dem Kaiserkult", erklärte der Pfarrer. "Der römische Kaiser Domitian ließ sich als "Unser Herr und Gott" anreden und in allen Städten mussten die Bewohner das Standbild des Kaisers anbeten.
Wer sich dem verweigerte, musste Angst haben, verhaftet und zum Tode verurteilt zu werden."
Daher seien viele Bilder, wie das von dem "Tier aus dem Meer, mit zehn Hörnern und sieben Köpfen, das auf seinen Hörnern zehn Diademe trug und auf seinen Köpfen Namen, die eine Gotteslästerung waren", eine Anspielung auf die Bedrohung "Rom" mit seinen zehn Kaisern und seinen sieben Hügeln. Auch mit der "Hure Babylon" sei Rom gemeint, genauer die Stadtgöttin Dea Roma als Hure Babylons.
Interessanterweise wurde das Bild von der Frau, die mit der Sonne bekleidet und unter deren Füßen der Mond und auf deren Haupt ein Kranz von zwölf Sternen war, und die das Volk Israel symbolisiert, von der EU aufgegriffen. "Denn die 12 Sterne der europäischen Flagge stammen aus diesem Bild", teilte Stephan Eschenbacher mit.
Im weiteren Verlauf des Abends erläuterte er noch weitere "Bilder" der Apokalypse, um schließlich das Fazit zu ziehen: "Nach all den Schreckensmeldungen setzt sich letztlich das Gute durch, symbolisiert durch das himmlische Jerusalem: eine neue Welt, vom Himmel, also von Gott her." Dabei sei das himmlische Jerusalem keine Stadt im eigentlichen Sinn, sondern der Ort, wo sich Himmlisches, also Gottes Liebe, erfülle.
"Heute sagen wir: Wir dürfen uns dem Terror, wie ihn beispielsweise der IS verbreitet, nicht beugen; wir müssen zu unseren freiheitlichen Werten stehen, dann werden sie sich durchsetzen. Wenn wir uns an Gott ausrichten, wenn wir die Liebe Gottes weiterschenken, dann wird sich diese Liebe letztlich durchsetzen, weil sich schon mit der Auferstehung Jesu gezeigt hat, dass sie stärker ist als der Tod.
Das ist das himmlische Jerusalem."
Nach diesem interessanten und "offenbarenden" Vortrag von Stephan Eschenbacher, erläuterte Michael Koller, Mitarbeiter des Kunstreferats der Diözese Würzburg, einige Bilder von Anne Olbrich. Sie hatte 2014 einen Zyklus von 30 Bildern zur Offenbarung des Johannes gemalt, der im Frühjahr dieses Jahres in einem Buch erschienen ist. "Ich bin christlich erzogen worden und beschäftige mich immer wieder mit theologischen Themen", erzählte die Künstlerin. Die Apokalypse sei ihr schon lange am Herzen gelegen; doch es habe einer langen Zeit der Vorbereitung bedurft, um ihre Interpretation der Offenbarung umzusetzen. "Ich habe mich mit dem Buch und mit den Konflikten, Kriegen und Leiden der heutigen Zeit auseinandergesetzt und all dies durch meinen ganzen Körper gehen lassen, um dann die Bilder zu gebären", so die Künstlerin.
Dass ihre Arbeiten von großartiger Ausdruckskraft sind, starke
energetische Impulse ausstrahlen und einen Sog entfalten, der den Betrachter quasi in die Bilder zieht, musste Michael Koller nicht eigens betonen. Immerhin hatten die Besucher an diesem Abend viele ihrer Bilder vor Augen und konnten diese während der Vorträge auf sich wirken lassen.
Andererseits war es beeindruckend, wie er Details wie die Farbenauswahl, die figurativen und abstrahierenden Elemente, den Pinselschwung, die Verwendung von Licht und Schatten sowie die Erzeugung von Atmosphäre erklärte. "Anne Olbrich ist beseelt von einer tiefgründigen Leidenschaft zur Malerei. Sie führt einen inneren Dialog mit der Welt, der sich schließlich in einer zarten Poesie oder unruhigen Dramatik der Linien und Farben Bahn bricht", zitierte er aus seinem eigenen Vorwort zu Anne Olbrichs Buch: "Es ist ihre persönliche ästhetische Sensibilität, die dem Betrachter den Zugang zu den Bildern ermöglicht."
Gerade dies war den
Zuhörern und Betrachtern natürlich auch ins Auge gefallen. "Anne Olbrich bringt eine Atmosphäre zum Ausdruck, die mir gefällt", sagte eine Besucherin, die wie alle weiteren Gäste der Meinung war: "Erst die Kombination aus den theologischen und geschichtlichen Erklärungen zur Offenbarung des Johannes und aus den Erläuterungen zu den Bildern von Anne Olbrich hat diesen Abend zu einem besonderen Erlebnis werden lassen".