In den "Heiligen Ländern" wehrt sich eine Bürgerinitiative gegen die (zu) nahen Standorte auf dem Tonberg im Eberner Bürgerwald.
Die Umstände sorgen dafür, dass er sich derzeit an seinem Namen kaum erfreut: Klaus Sorgenfrei hat momentan viel um die Ohren. Er sorgt sich, wie fast alle Einwohner von
Kirchlauter und Goggelgereuth um ein Idyll und seine Gesundheit. Der geplante Windpark im Bürgerwald umtreibt ihn und rund 20 weitere Aktivisten der Bürgerinitiative (BI) "ProNatur Tonberg".
80 Prozent der Kirchlauterer sprechen sich auf Unterschriftenlisten gegen diesen Windpark aus, der von der Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Enerigieprojekt (GUT) projektiert wird. Diese Gesellschaft, an der u.a. die Gemeinden des Landkreises beteiligt sind, hat schon den Windpark Sailershausen gebaut und forciert die Energiewende mit dem Ansatz, die Wertschöpfung durch die Stromerzeugung im Landkreis zu halten. Soll heißen: Heimische Einleger sollen von künftigen Gewinnen profitieren.
Der Gesamtertrag der vier Anlagen wird von der GUT mit 35 Millionen Kilowattstunden pro Jahr angegeben.
Seit die Kirchlauterer von den Plänen zum Bau von vier Monster-Rotoren im Eberner Bürgerwald, also direkt vor der Nase, im Januar erfahren haben, sitzen sie fast jeden Abend zusammen, sammeln Informationen und Unterschriften für Beschwerdelisten, suchen Verbündete und juristische Ansatzpunkte, schreiben Leserbriefe und Eingaben, wie zuletzt einen Brief an Landrat Wilhelm Schneider (CSU), und planen Protestaktionen. Am Dienstagabend stand ein Pressegespräch auf dem Programm, am Mittwoch ein Besuch beim Bürgermeister.
Messungen laufen schon
Dass die Zeit drängt, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass erst dieser Tage wieder Messungen mit überdimensionalen Teleskop-Stangen vorgenommen wurden, während sich manche Mitglieder der Bürgerwald-Körperschaft ob der
unerwarteten Zusatz-Einnahmen die Hände reiben. Von fünfstelligen Beträgen pro Windrad ist die Rede.
Der Vorsitzende der Eberner Bürgerwald-Körperschaft, Altbürgermeister Robert Herrmann, verweist in einer Stellungnahme auf die vom Gesetzgeber gewollte Energiewende und die Topografie. "Es ist nicht unser Verdienst, dass der Tonberg ausgewählt wurde. Eine landkreisweite Überprüfung möglicher Standorte und deren Wirtschaftlichkeiten durch die GUT hat den Tonberg und den Bereich Lichtenstein/Buch als beste Lösungen ergeben."
"Wir sind keine Windradgegner, weil wir generell nichts gegen die Nutzung der Windkraft haben, wenn die Abstände eingehalten werden", nimmt Gerhard Schnitzer im Gespräch mit unserer Redaktion pauschalen Vorurteilen gegen die Bürgerinitiative gleich mal den Wind aus den Segeln.
Für das Pochen auf die H10-Abstandsregel der Kirchlauterer, die sich bislang zu 80
Prozent in Unterschriftenlisten eingetragen haben, führen Ralph Bremicker, Klaus Sorgenfrei und Michael Siegl gute Gründe ins Feld. "In Bayern gilt, dass die Entfernung zur nächsten Wohnbebauung zehn Mal so weit sein muss, wie die Höhe des Windrades (an der Spitze eines Rotorblattes gemessen).
Spielzeug auf dem Bretzenstein
Diese Vorgabe wird mit den aktuellen Planungen Bürgerwald mit den 230 Meter hohen Windmühlen bei weitem nicht eingehalten (siehe Skizze unten). Die Bürgerinitiative fordert, dass die Abstandsvorgabe auch für Nachbar-Gemarkungen zu gelten hat. Nach Angaben des Herstellers Enercon sind die neuen Windräder mit ihrer Höhe von 230 Metern noch nicht im Einsatz. "Es fehlen also Erfahrungswerte. Außerdem sind die Windräder am Bretzenstein mit ihren 97 Metern dagegen ein Spielzeug", stellen die BI-Aktivisten fest.
Sowohl Altbürgermeister Herrmann wie auch sein Nachfolger Jürgen Hennemann führen eben die guten Erfahrungen mit den Anlagen auf dem Bretzenstein als Pro-Argument für weitere Windparks ins Feld. Laut dem Kaltenbrunner Bürgermeister Werner Thomas warfen sie auch Renditen ab: Zuletzt 5,11 Prozent.
Aus der Größe der neuen Monster-Mühlen mit 230 Metern leiten die BI-Mitglieder viele Argumente ab, die sie nachdenklich stimmen: So müssen laut Gunther Häckner vom Projektanten GUT 6,5 Hektar Wald gerodet werden. "Und irgendwie müssen diese Riesenteile ja in den Wald geschafft werden und wir befürchten, dass dies von Kirchlauter aus passiert", meint Otmar Dirauf.
Welche Auswirkungen die drehenden Rotorblätter auf die Tierwelt und Artenvielfalt im Naturpark Haßberge hat, sei vollkommen unklar. Genauso, wo die Ersatz-Aufforstungen des Bürgerwaldes geplant sind.
"Das geht bestimmt weiter in Richtung Kirchlauter und unsere Immobilien verlieren an Wert."
Vollkommen überzeugt sind die BI-Sprecher von schädlichen Auswirkungen des Infraschalls, also der Töne, die das menschliche Ohr bewusst nicht mehr wahrnimmt. Unerhört, löse er gesundheitliche Beeinträchtigungen aus, weswegen dafür sogar schon eine Kennziffer der Krankenkassen für Hausärzte gibt, wie die BI anhand eines Rundschreibens des Deutschen Ärzteforums und diverser Studien belegt.
"Die Gefahren von Infraschall sind kein Hokus-Pokus. Dazu werden in Dänemark Studien erstellt, die auf der ganzen Welt so ernst genommen werden, dass auf Milliarden verzichtet werden, nur im Landratsamt in Haßfurt nicht", klagt Bremicker und Dirauf weiß von 37 Fällen aus Kleinmünster, die über Einschlafprobleme, Ruhelosigkeit und Kopfschmerzen klagen.
"Das ist auch im Landratsamt bekannt." Weiter fürchten die Kirchlauterer um ihre Kinder. "Die Grundschule kriegt bis zur Mittagszeit die volle Breitseite ab und das führt bestimmt zu Konzentrationsproblemen", wurde das Problem des Schattenwurfes nur angerissen.
Schattendiskussion
Den Schattenwurf ist nach Überzeugung von Robert Herrmann aber gar kein Problem. "Denn die Anlagen stehen im Norden von Kirchlauter im Wald. Es wird also keinen Schlagschatten auf die Ortslage von Kirchlauter geben. Die Hauptwindrichtung bei uns ist West, Süd-West, auch von daher wird zum Beispiel das Strömungsgeräusch von Kirchlauter weggetragen, soweit man es in einem Kilometer Entfernung überhaupt noch störend wahrnehmen würde. Windräder geben keine sonstigen Emissionen ab, beanspruchen nur wenig Fläche und werden nach ihrer Nutzungsdauer wieder vollständig zurückgebaut.
Insofern hoffen wir nach wie vor, dass es mit den Kirchlauterern zu einem guten Einvernehmen kommen wird."
Außer der "optischen Präsenz" wird man nach Herrmanns Überzeugung in Kirchlauter kaum messbare Beeinträchtigungen finden. GUT-Projektleiter Gunther Häckner sieht auch kaum Störungen, wie er bei einer Informationsveranstaltung darlegte. Häckner erklärte, die Schallimmission bei Wind sei in Richtung Kirchlauter niedriger als 35 Dezibel (Grenzwert für Kurgebiete). Nur im Bereich Goggelgereuth werde dieser Wert um zwei Dezibel überschritten. Von Lärm könne deswegen aber noch lange keine Rede sein.
Auch werde es keinen Schattenwurf der Rotorblätter aufs Siedlungsgebiet geben, versicherte Häckner. Die Anlagen würden sich bei entsprechendem Sonnenstand automatisch abschalten.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschall (niederfrequenter Schall unterhalb der menschlichen Hörschwelle) seien nicht zu befürchten, da die Werte in besiedelten Gebieten nicht mehr messbar seien, da sie den Wert des allgegenwärtigen Infraschalls nicht überschreiten.
Der Eberner Stadtrat wird sich als zuständiges Gremium erstmals in seiner Sitzung am 28. April öffentlich mit dem Projekt befassen. Für eine notwendige Herausnahme dieses Bereiches aus dem Naturpark Haßberge wäre der Kreistag zuständig.