Das Tor zur Freiheit öffnete sich

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Die Grenze ist auf: Die ersten Fahrzeuge rollen durch den Eisernen Vorhang (Feuerwehr bei Ermershausen).
Die Grenze ist auf: Die ersten Fahrzeuge rollen durch den Eisernen Vorhang (Feuerwehr bei Ermershausen).
Nach der Grenzöffnung wurden die Minenfelder geräumt - Ende einer unmenschlichen Grenze. Fotos: gsch/Archiv
Nach der Grenzöffnung wurden die Minenfelder geräumt - Ende einer unmenschlichen Grenze.  Fotos: gsch/Archiv
 
Sogar im Bundestag in Berlin liegt Grenzlanderde: Bundestagsabgeordnete Susanne Kastner, der damalige Maroldsweisacher Bürgermeister Werner Thein, der heutige Kreisrat Willy Schütz, der nun amtierende stellvertretende Landrat Bernhard Ruß sowie Gerd-Peter Schmidt und Arno Welz (von links) hatten bei Hellingen einen Sack mit Boden gefüllt.
Sogar im Bundestag in Berlin liegt Grenzlanderde: Bundestagsabgeordnete Susanne Kastner, der damalige Maroldsweisacher Bürgermeister Werner Thein, der heutige Kreisrat Willy Schütz, der nun amtierende stellvertretende Landrat Bernhard Ruß sowie Gerd-Peter Schmidt und Arno Welz (von links) hatten bei Hellingen einen Sack mit Boden gefüllt.
 
Eine Baumpflanzung mit den Bürgermeistern aus Maroldsweisach, Wilhelm Schneider (links), und Norbert Wirsching (Hellingen), dokumentieren die neuen Kontakte.
Eine Baumpflanzung mit den Bürgermeistern aus Maroldsweisach, Wilhelm Schneider (links), und Norbert Wirsching (Hellingen), dokumentieren die neuen Kontakte.
 
So sah die Grenze zur DDR bei Ermershausen nach dem Krieg aus. Damals war sie noch ohne Lebensgefahr zu überwinden.
So sah die Grenze zur DDR bei Ermershausen nach dem Krieg aus. Damals war sie noch ohne Lebensgefahr zu überwinden.
 
Begrüßung der Käßlitzer Gäste in Wasmuthhausen, allen voran (von links) Fritz Schmaus (Wasmuthhausen), Bürgermeisterin Ilse Steinert (Käßlitz) und Werner Höhn (Wasmuthhausen).
Begrüßung der Käßlitzer Gäste in Wasmuthhausen, allen voran (von links) Fritz Schmaus (Wasmuthhausen), Bürgermeisterin Ilse Steinert (Käßlitz) und Werner Höhn (Wasmuthhausen).
 
Das Archäologische Grenzdenkmal zwischen Ermershausen und Schweickershausen.
Das Archäologische Grenzdenkmal zwischen Ermershausen und Schweickershausen.
 
Solche Mahnmale entlang der ehemaligen Grenze zur DDR erinnern an eine Aufbruchsstimmung, wie hier bei Eckartshausen.
Solche Mahnmale entlang der ehemaligen Grenze zur DDR erinnern an eine Aufbruchsstimmung, wie hier bei Eckartshausen.
 
Dieses Denkmal an der Landkreisgrenze Haßberge, Hildburghausen und Coburg bei Dürrenried.
Dieses Denkmal an der Landkreisgrenze Haßberge, Hildburghausen und Coburg bei Dürrenried.
 

Am morgigen Donnerstag jährt sich zum 23. Mal der Tag der deutschen Wiedervereinigung. Am 10. November 1989 hatte sich zum ersten Mal eine Lücke in der unmenschlichen Grenze zwischen Haßberge und Hildburghausen aufgetan.

Es war ein eisiger Tag im November 1989, als erstmals zwischen Allertshausen (Bayern) und Hellingen (Thüringen) sich wie von Geisterhand das sonst so streng bewachte Eisentor öffnete und damit die deutsche Wiedervereinigung für den Kreis Haßberge Wirklichkeit wurde. Die Glocken der umliegenden Ortschaften läuteten dazu.
Am 9. November 1989 war in Berlin die Mauer gefallen. Nach und nach bröckelte die Grenze auf ganzer Länge. Auch die Anlagen zwischen dem Landkreis Haßberge und dem thüringischen Landkreis Hildburghausen wurde durchlässig.

Als die Grenze das erste Mal am 10. Dezember 1989 für acht Stunden geöffnet wurde, rollten Besucherwellen mit Autos, Bussen oder zu Fuß ungehindert durch den offenen Sicherungszaun, durch das Niemandsland über die Grenze, bis sich der Eiserne Vorhang um 21 Uhr wieder schloss und jeder von "hüben nach drüben" hinter seinen Zaun zurück musste. Aber die Grenze ließ sich nicht mehr auf Dauer schließen.

In Berlin fiel die Mauer

Plötzlich waren Schilder mit der Aufschrift "Weg mit dem Zaun zwischen Hellingen und Maro" oder "Krenz, mach die Grenze auf" zu sehen - und es entwickelte sich ein Freudenfest im Niemandsland. Und niemand schämte sich seiner Tränen, wenn er Verwandten, Bekannten oder Fremden in den Armen lag.

Nachdem die erste Lücke in die Grenze geschlagen war, öffneten sich täglich neue Fußwege zwischen Bayern und Thüringen. Und die Wiedervereinigungsfeste lösten sich wöchentlich ab. Damit diese Augenblicke nicht vergessen werden, wurden am ehemaligen Eisernen Vorhang Monumente der DDR-Staatsgrenze erhalten, die das Deutsche Kuratorium zur Förderung von Wissenschaft, Bildung und Kultur für nachfolgende Generationen sicherte. Ein Monument wurde vom Kuratorium zwischen Ermershausen und Schweickershausen gesichert. Das Grenzdenkmal, das heute noch steht, dokumentiert den Wert der Freiheit, die nach Meinung der Bürger mehr gilt als alles Geld dieser Welt.

Hüben und drüben

Mit der Grenzöffnung im Jahr 1989 wurden die unterfränkischen Dörfer des Marktes Maroldsweisach wie Allertshausen, Eckartshausen, Wasmuthhausen und Dürrenried sowie die Gemeinde Ermershausen mit ihren thüringischen Nachbarn Schweickershausen, Hellingen und Käßlitz wieder vereint. Die Dörfer in der Gemeinde Maroldsweisach sowie Ermershausen bilden die nördliche Grenze des Landkreises Haßberge.

Wie ein Lauffeuer hatte sich damals herumgesprochen, dass der Zaun fällt, und tausende Menschen strömten zur Grenze. Die Allertshäuser begrüßten ihre Hellinger Nachbarn mit dem Lied "Ein Tag so wunderschön wie heute", die Ermershäuser und Schweickershäuser begrüßten sich mit Blasmusik, und die Wasmuthhäuser begleiteten die Käßlitzer mit dem Marsch "Mein Heimatland" durch das Dorf.

Nach einem Treffen von Vertretern aus den Landkreisen Hildburghausen und Haßberge wurde am 7. Dezember 1989 der Ausbau der Straße Allertshausen-Hellingen von einer westdeutschen Firma auf DDR-Gebiet vorgenommen. Bereits am 26. Januar 1990 konnte die neue Straße ihrer Bestimmung übergeben werden. Damit war auch die Voraussetzung gegeben, dass sich die unsägliche Grenze nie wieder schließen ließ.

"Sonntag der Begegnung"

In Ermershausen zum Beispiel trafen sich Einheimische mit freudestrahlenden Schweickershäusern aus Thüringen zum "Sonntag der Begegnung", um bei Kaffee und Kuchen zu plaudern und zu diskutieren. In allen Grenzgebieten herrschte Ausnahmezustand, jeder wurde bewirtet, man feierte und schloss Freundschaften über die Grenzen hinaus.

Als insgesamt 22 Grenz-Tore im unterfränkischen Raum aus den Angeln gehoben und abtransportiert wurden, war man sich der Grenzöffnung endgültig sicher. Bei vielen Menschen haben sich Freundschaften bis heute erhalten.

Wie war das zuvor? Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die Welt in den Westen und den Ostblock aufspaltete, war die bayerisch-thüringische Grenze noch durchlässig. Die Bewohner pflegten verwandtschaftliche, freundschaftliche und wirtschaftliche Beziehungen. Käßlitzer Gäste leerten bei der Wasmuthhäuser Kirchweih manche Maß Bier, und ein Eckartshäuser Bauer durfte noch seine Obstbäume in der Käßlitzer Flur abernten.

Strengere Kontrollen

Am 30. Juni 1946 verfügte der Kontrollrat auf Ansuchen der sowjetischen Militäradministration die Sperrung der Demarkationslinie für den freien Verkehr. Der Landtag von Thüringen beschloss, durch den Einsatz von Grenzpolizei den Schutz der Zonengrenze zu verstärken. Im Gegenzug betraute auch das bayerische Innenministerium die neuformierte Grenzpolizei mit der Bewachung und Sicherung der Nordgrenze. Maroldsweisach bekam im Zuge dieser Maßnahme eine Dienststelle zugeteilt, der die Posten in Ermershausen, Allertshausen, Eckartshausen, Dürrenried, Merlach und Autenhausen unterstanden.

Im August 1961 baute die damalige DDR die Mauer. Die Grenze wurde dicht. Die Anlagen wurden immer stärker befestigt und bewacht.

Vor 23 Jahre

Alle Maßnahmen nutzen der DDR nichts. Der Freiheitswille der Bürger war stärker. Am 9. November 1989 fiel die Mauer und mit ihr die unmenschliche Grenze. Am 3. Oktober, morgen vor 23 Jahren, feierten die Deutschen die Wiedervereinigung.