Der Verein für Heimatgeschichte Eltmann hatte in einen Luftschutzkeller eingeladen. Bei den älteren Teilnehmern wurde die Beklemmung wieder spürbar.
"Da war mei Platz" - Bärbel Reuther setzt sich im hinteren Teil des Gewölbekellers. Sie war ein Kind, als 1944 das Kugelfischer-Werk
Eltmann Ziel alliierter Bomber war und die Bevölkerung immer wieder in den Kellern Schutz suchte. In einen solchen Keller hatte der Verein für Heimatgeschichte Eltmann am Sonntag eingeladen, und über 60 Interessierte aller Altersklassen nahmen die Gelegenheit wahr, die Berichte von Zeitzeugen zu hören und Fragen zu stellen.
An der Schlosssteige in Eltmann liegen viele Keller-Eingänge. Sie gehören zu Privathäusern; die meisten dienten früher den Eltmanner Gaststätten als Bierlager. Das sieht man auch im "Schneiders-Keller" an den parallelen Mäuerchen, auf denen die Fässer gerollt wurden.
In Kriegszeiten saßen da ängstliche Menschen, die draußen Bomben fallen hörten und nicht wussten, ob ihr Haus noch steht, wenn die Sirenen Entwarnung gaben. Diese Stimmung konnte man am Sonntag nachfühlen.
Viele Mitglieder des Vereins für Heimatgeschichte haben ein ganz spezielles Interessengebiet. Bei Walter Bauer sind es die vergangenen 100 Jahre mit den beiden Weltkriegen. Mit Freunden suchte er an bekannten Absturzstellen von Flugzeugen und sammelte dazu Erfahrungsberichte. So hat ihm Eleonore Kastner in Koppenwind erzählt, dass beim nächtlichen Absturz eines deutschen Nachtjägers 1945 der Bordschütze Paul Rothaber leicht verletzt überlebte. Nicht mehr zu helfen war hingegen dem amerikanischen Jäger-Piloten, der bei Goggelgereuth eine Bruchlandung machte.
Die Personifizierung dieser Funde brachte Walter Bauer auch zu der Frage, wie es den Menschen ging, die vor den Luftangriffen Schutz suchten. Deshalb schlüpfte er zu Beginn der Veranstaltung am Sonntag in die Rolle des Luftschutzwarts und verlas die Verhaltensmaßregeln für den Luftschutzkeller.
30 Kubikmeter Luft pro Person waren "sparsam zu verbrauchen". Eine Original-Rundfunkdurchsage von der Flak-Batterie Schweinfurt gab "Fliegeralarm für den gesamten Gau Mainfranken mit Schwerpunkt Schweinfurt und Eltmann". Große feindliche Verbände im Raum Frankfurt ließen einen Angriff auf die hier angesiedelte kriegswichtige Industrie erwarten.
Während die Jüngeren im Keller den folgenden Sirenenalarm nur von Probealarmen kennen, ist bei den Älteren die Beklemmung wieder spürbar. Erich Klarmann war ein Kind, als es immer wieder in den Luftschutzkeller an der Schlosssteige ging - durch die stockdunkle Stadt, denn als Schutz vor den Bombern war jedes Fenster abgedunkelt.
"Abends haben meine Eltern schwarzes Papier an den Fenstern angebracht", erzählt er. Neben dem Bett stand ein kleiner Koffer, der mit in den Luftschutzkeller genommen wurde. "Der Alarm hat mich regelrecht aus dem Bett gehoben", berichtet Erich Klarmann. Der Achtjährige war für sich selbst verantwortlich, die Mutter mit den beiden jüngeren Geschwistern beschäftigt.
Einmal sei der Aufenthalt in dem 50 Meter langen Keller besonders lang gewesen. Als Kinder wegen Sauerstoffmangels ohnmächtig wurden, öffnete der Luftschutzwart die Tür, bevor Entwarnung gegeben war. "Dann hat man ein Lüftungsrohr eingebaut und eine Verbindung zu den Nachbarkellern geschaffen", sagt Erich Klarmann und zeigt auf die inzwischen wieder zugemauerte Stelle im Gewölbe.
In der Nacht zum 31. März 1944 kam der Alarm spät. Auf dem Weg zum Keller "haben wir schon das Heulen am Himmel gehört und das Leuchten gesehen - wie Christbäume, die im Himmel hingen". Eltmann blieb damals verschont, in Stettfeld starben elf Menschen.
Meist waren die Industrieanlagen vollkommen vernebelt. Das bedeutete aber auch, dass die Bomben im Umfeld fielen. Die Nebelfässer am Main und an der Wallburg wurden von Kriegsgefangenen bedient, die im Reichsarbeitsdienst-Lager Eltmann untergebracht waren. Am 21. Juli jedoch kreisten die Flieger so lange, bis sich der Nebel verzogen hatte. Viele Häuser und Scheunen in Eltmann gingen in Flammen auf.
Am 8. April 1945 war Erich Klarmanns Erstkommunion. Trotz Fliegeralarms "sind wird in die Kirche gerannt", beim Mittagessen hat die Familie zwei versprengte Wehrmacht-Soldaten mitverköstigt. Zwei Tage später habe der Großvater im Hof auf einen deutschen Kampftrupp eingeredet, es sei doch Wahnsinn, die Mainbrücke zu sprengen. "Wenn er jetzt nicht still ist, dann würde er erschossen, sagte der Kommandant, und die Großmutter hat ihn dann ins Haus gezerrt", erzählt Erich Klarmann.
Trotz der schlimmen Kriegserlebnisse sei seine Kindheit "nicht so schlecht" gewesen, meint Klarmann. Wirklich Hunger leiden habe man auf dem Land nicht müssen, "und wir hatten viele Freiheiten, ganz anders als die heutigen Kinder".
"Den Kriegsdienst allerdings hätte ich verweigert", erklärt er kategorisch - er gehörte jedoch zu den sogenannten weißen Jahrgängen, die bei Einführung der allgemeinen Wehrpflicht der Bundeswehr außen vor blieben. "Ich bin dankbar, in dieser langen friedlichen Zeit leben zu dürfen", stellt er am Ende seines Vortrags fest.
Auch Helene Frey berichtet, als wäre es gestern gewesen. Die 90-Jährige wuchs in Theres auf, lebt seit 1965 in Eltmann und war als 16-Jährige dienstverpflichtet bei der Post in Schweinfurt. Ihr Original-Dienstbuch von damals hat sie als Anschauungsobjekt dabei. Sie erlebte den Luftangriff am 17. August 1944 auf den Schweinfurter Bahnhof, überlebte mit einer Rauchvergiftung. Sie berichtet auch von einem Beschuss des Zuges bei Obertheres, bei dem am Karfreitag vor Kriegsende elf Menschen ums Leben kamen. Sie wurden zunächst in einem Massengrab in Obertheres bestattet und später überführt. Und sie erinnert sich detailreich an eine Begegnung bei der Getreideernte mit einem jungen Mann, der wohl ein abgestürzter amerikanischer oder englischer Flieger war.
Lorenz Dümpert hatte offizielle Zahlen zu den Luftangriffen am 19. und 21. Juli 1944 dabei. Drei Tage vorher war die Flugabwehr an die Ostfront abtransportiert worden und daher das Kugelfischerwerk ungeschützt. 83 Maschinen warfen am ersten Tag 122 Tonnen Sprengstoff und 70 Tonnen Phosphor- und Brandbomben ab. Zwei Tage später, die Nebelfässer waren fast leer, kamen 54 Flugzeuge mit 130 Tonnen Bomben, die das Kugelfischer-Werk stark beschädigten.
Viele Gespräche entwickeln sich im Anschluss an die Zeitzeugen-Berichte, und Reiner Reitz bittet darum, den Verein bei seinen Forschungen mit alten Bildern aus der Zeit vor, während und nach dem Krieg zu unterstützen. Mit dem Signal "Entwarnung" endet eine sehr eindrucksvolle Veranstaltung.