Wer will was am Judenberg?

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Das fragliche Gebiet aus der Luft (Aufnahme vom Juli). Foto: Volkmar Franke/www.hochbild-design.de
Das fragliche Gebiet aus der Luft (Aufnahme vom Juli). Foto: Volkmar Franke/www.hochbild-design.de
Noch laufen Erschließungsarbeiten vom Judenberg her. Foto: Simone Bastian
Noch laufen Erschließungsarbeiten vom Judenberg her. Foto: Simone Bastian
 

Der bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärt den Bebauungsplan für unwirksam, die Stadt lässt aber weiter erschließen. Erst ein weiterer Gerichtsbeschluss stoppt die Arbeiten - doch worum geht es dabei eigentlich?

1. November 2014: Die Stadt Coburg will die Freifläche "Westlich der Pommernstraße, zwischen Judenberg und Himmelsacker" zum Baugebiet machen. Das ist im Integrierten Stadtentwicklungskonzept auch so vorgesehen. Anlass für das Bebauungsplanverfahren ist ein Investor, der das Grundstück Judenberg 51 gekauft hat, um dort vier Mehrfamilienhäuser zu bauen. Deshalb beschließt der Bau- und Umweltsenat in seiner Sitzung am 12. November 2014, einen Bebauungsplan aufstellen zu lassen. Der Vorentwurf wird ein Jahr später, am 18. November 2015, gebilligt. Gleichzeitig beschließt der Senat, das Bebauungsplanverfahren nach Paragraf 13a Baugesetzbuch durchzuführen, das sogenannte beschleunigte Verfahren. Dabei kann auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden, und die Öffentlichkeit muss erst mit der Auslegung der Pläne informiert werden, nicht schon vorher.

2. Die Pläne liegen ab Ende November öffentlich aus. Die unmittelbar betroffenen Anwohner am Judenberg protestieren: Zum einen befürchten sie Wertverluste für ihre Grundstücke, zum anderen verweisen sie auf ein registriertes Biotop, das vernichtet werden würde. Aufgrund der Einwendungen wird der Bebauungsplan in einigen Punkten geändert. So wird keine durchgehende Straße vom Judenberg bis in die Pommernstraße geplant, die künftigen Häuser müssen einen größeren Abstand zu den vorhandenen einhalten, und statt der vier großen Mehrfamilienhäuser soll es sechs kleinere geben. Im April 2016 genehmigt der Bau- und Umweltsenat die überarbeiteten Pläne.

3.Im November 2016 wird der Bebauungsplan verabschiedet, trotz zahlreicher Einwände der Anwohner und des Bundes Naturschutz. Im Februar 2017 sollte eigentlich der Satzungsbeschluss folgen. Doch kurz vorher geht eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Regierung von Oberfranken ein. Wolfgang Simon hat sie eingereicht mit folgender Begründung: Der Paragraf 13a hätte nicht angewendet werden dürfen, denn die fragliche Fläche liegt im Außenbereich. Dass sie an drei Seiten von Bebauung umgeben ist, ändert daran nichts. Obwohl Simon auch an Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD), den Landtag und die Regierung von Oberfranken schreibt, geschieht nichts. Die Baugenehmigung für sechs Mehrfamilienhäuser wird sogar noch vor der Veröffentlichung des Bebauungsplans erteilt; der Investor übernimmt mit einer Partnerfirma auch die Erschließung des gesamten Baugebiets. Ein Beamter des baye-rischen Innenministeriums weist in seiner Antwort an Simon darauf hin, dass es jetzt ohnehin einen neuen Paragrafen 13b im Baugesetzbuch gebe: Damit wird Planung kleinerer Baugebiete im Außenbereich direkt im Anschluss an vorhandene Baugebiete erleichtert.

4.
Ein Anwohner klagt gegen die Baugenehmigung für die sechs Mehrfamilienhäuser: Die Antragsunterlagen hätten vor der Genehmigung den Nachbarn zur Unterschrift vorgelegt werden müssen. Das sei aber nicht erfolgt, sagt Wolfgang Simon, so etwas wie der Sprecher der Gegner. Außerdem wird eine Normenkontrollklage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen den Bebauungsplan eingereicht. Per Beschluss verfügt der BVerfG am 4. Juli, dass der Bebauungsplan unwirksam ist. Die Gegner werten das als Indiz, dass sie auch im Hauptsacheverfahren gewinnen könnten. Denn das Beschlussverfahren geht dem eigentlichen Normenkontrollverfahren voraus. Trotzdem laufen die Erschließungsarbeiten weiter. Die Stadt stellt sie auch dann nicht ein, als Wolfgang Simon erneut die Regierung als Rechtsaufsichtsbehörde einschaltet. Auch die Baugenehmigung für die sechs Häuser mit je acht Wohnungen wird nicht aufgehoben, obwohl Simon mehrmals darauf hinweist, dass diese mit der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes nichtig seien und erneut böse Briefe an alle zuständigen Stellen schreibt, von Bürgermeisterin Birgit Weber bis Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz.

5. Erst das Verwaltungsgericht Bayreuth setzt die Erschließungsarbeiten am 25. August außer Vollzug. Darauf kündigt die Stadt an, die Arbeiten einzustellen. Ausgenommen bleiben die Erschließungsmaßnahmen für die Mehrfamilienhäuser - zumindest vorläufig. Die Stadt erklärt, dass sie die Entscheidung des Verwaltungsgerichts akzeptieren werde. Gleichzeitig kündigt sie an, dass sie das Bebauungsplanverfahren erneut starten wird, diesmal gemäß dem neuen Paragrafen 13b Baugesetzbuch. Die Gegner des Bebauungsplans kündigen an, dass sie auch gegen die Erschließungsarbeiten für die Mehrfamilienhäuser klagen werden. Wolfgang Simon geht noch weiter: Er greift Bürgermeisterin Weber an, die "für das Amt der Baubürgermeisterin weder fachlich noch persönlich geeignet" sei.