Wie Rettungskräfte mit belastenden Situationen umgehen, war Thema des Landkreisinformationsabends in der Adam-Riese-Halle.
Schwere Unfälle wie das Zugunglück von Bad Aibling oder der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin hinterlassen Bilder, die den Betrachter unter Umständen nicht mehr so schnell wieder loslassen. Doch wie gehen die Einsatzkräfte damit um? Auch die Hilfsorganisationen im Landkreis Lichtenfels werden mit schwierigen Ereignissen konfrontiert, dann, wenn die Helfer zwar helfen wollen, aber das Schicksal dem entgegensteht, wenn bei einem Unfall oder Brand nur noch Tote zu bergen sind.
Dann ist es wichtig, nicht zu schweigen, sondern das Erlebte richtig zu verarbeiten. Denn auch Feuerwehrleute sind nur Menschen und brauchen Hilfe, um die Bilder, die sich im Gedächtnis oder in der Seele eingebrannt haben, zu verarbeiten.
Der diesjährige Landkreisinformationsabend für die Einsatzkräfte der Hilfsorganisationen in der Adam-Riese-Halle in
Bad Staffelstein beschäftigte sich mit dem Thema "Wenn Helfer Hilfe brauchen".
Rund 300 Besucher
Den Informationsabend besuchten rund 300 Mitglieder der Hilfsorganisationen. Referent des Abends war Professor Dr. Stephan Eitner, Leitender Oberarzt am Uni-Klinikum Erlangen und Leiter des Fachbereichs 13 - Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) beim Bezirksfeuerwehrverband Oberfranken.
Als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Reuth (bei Forchheim) kennt Eitner die Realität der Einsätze. Mit jedem Einsatz verbinden sich Schicksale, sei es bei den Einsatzkräften oder den Opfern. Dann stellt sich die Frage nach dem Warum.
Eine Frage, die sich auch die 22-jährige Isobel Bowdery stellte, die die Terror-Nacht vom 13. November im Bataclan in Paris erlebte. Jene Location, die von Terroristen gestürmt wurde und in der mehr als 80 Menschen den Tod fanden. Doch statt Antworten ergeben sich oft weitere Fragen. In seinem mehr als dreistündigen Vortrag nennt Eitner viele Beispiele von Großschadensereignissen, die an den Helfern nicht spurlos vorübergegangen sind, sondern schwere traumatische Schäden hinterließen. Viele Betroffene könnten die schrecklichen Bilder, die Schreie und die Gerüche nicht vergessen. Als Beispiel nennt der Referent jenen Feuerwehrmann, bei dem die schrecklichen Bilder des Love-Parade-Unglücks von Duisburg (damals starben 21 Menschen) eine posttraumatische Belastungsstörung auslöste.
Kein Erfolg vor Gericht
Allerdings hatte dessen Klage auf Schadensersatz vor dem Landgericht Duisburg keinen Erfolg, Der Richter sprach von einem "typischen Berufsrisiko". Auch ein Jahr nach dem Zugunglück von Bad Aibling gibt es noch Kameraden, die nicht mit den Erlebnissen fertig geworden sind.
Jeder reagiert anders
Der Referent wirbt für Verständnis, dass die am Einsatz beteiligten Helfer oft ihre eigene Form finden, um mit den Erlebnissen vor Ort fertig zu werden. Wie der junge Feuerwehrmann, der nach einem Zugunglück, noch während die Bergung und Erstversorgung der Verletzten lief, anfing, die Koffer der Reisenden außerhalb des Zuges aufzustapeln. Dies sei seine Form gewesen, mit den schrecklichen Ereignissen fertig zu werden. Einsatzkräfte bräuchten Rückzugsräume, wo sie sich erholen und das Erlebte verarbeiten können, sagt Eitner. Dies dürfe nicht unter den Augen der Öffentlichkeit geschehen, da dies schnell zu Missverständnissen führen könnte. Traumatische Ereignisse verarbeite jeder Mensch anders. Doch wie hoch ist das Risiko, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken? Laut einer Studie haben junge Männer bei den Feuerwehren ein dreimal höheres Risiko (2,35 Prozent) als die männliche Normalbevölkerung (0,4 Prozent).
Oft werde eine posttraumatische Belastungsstörung erst sechs Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome erkannt. Wichtig sei daher eine gute Einsatzdokumentation, um das Ereignis später noch zuordnen zu können.