Schön, dass der Laden brummt, wenn Helga Siebert mit "Swingin' Easy" vorerst das letzte Mal zusammen auftritt. Und besonders schön ist das herrliche Ambient...
Schön, dass der Laden brummt, wenn Helga Siebert mit "Swingin' Easy" vorerst das letzte Mal zusammen auftritt. Und besonders schön ist das herrliche Ambiente im Garten vor dem Stadtschloss, mit Blick auf Stadtmauer und Altstadt in lauer Sommernacht.
Stimmungsvoll wird zunächst ein "Love is in the Air" geswingt, als Einstimmung sozusagen. Das Publikum genießt die ausgefeilten Klänge von Swingin' Easy, Harald Fischer am Piano und Axel Keilhack am Saxophon. Es hat auch Substanz, wenn die Musiker bewusst in schräge Sounds abdriften - einhergehend mit Sieberts scharfzüngigen Wortspielereien. Die drei verstehen sich wirklich blind.
Da wird nicht lange gefackelt, wenn Helga ihr eigenes Gedicht über die menschlichen Triebe zum Besten gibt und klarstellt "Neeeein, wir gehen nicht in Rente!", dass der letzte gemeinsame Auftritt lediglich eine kreative Atempause sei. Nach "Liebe und Genusslust" "Blue Moon" und "Reisefreuden" wird ungezügelt gelästert, was das Zeug hält. Aber auch Nachdenkliches von Heine und Goethe, Uhland und Ringelnatz wird eingewebt in den ironischen Satire-Teppich - und immer lacht sie sich ins Fäustchen und kringelt sich innerlich vor Lachen - sichtbar an ihrem schelmischen Gebaren.
Gedanken laufen ins Leere
Wenn sie mitten im Text stoppt, das Gedicht oder Lied nicht beendet und die Gedanken ins Leere lässt. Diese diebische Lust und Freude, dem Publikum höchste Verblüffung und eigenes Gripseinschalten zuzumuten, ist ihr schlaues Markenzeichen.
Für Männlein und Weiblein hat sie ein eigenes Gedicht parat "Manchmal sieht's man an den Nasen, wenn die Männer auswärts grasen." Siebert, die während der Woche in Hamburg lebt, ihr Mann aber in Bad Staffelstein, kokettiert immer wieder mit der Empfehlung für Paare: "Seit 20 Jahren getrenntes Wohnen ist so erfrischend, dass man sich immer neu kennenlernt."
Das Englische von Axel Keilhack ist zu drollig, wenn er "I Found A New Baby" schmachtet und sein Saxophon vibrieren lässt. Und Fischer haut äußerst exaltiert in die Tasten bei Musiktiteln wie "Dobbs Boogie" und "It's Only A Papermoon". Das Kirchweihlied "Wo ist denn das Görchla, Görchla ist heut net daham, er ist auf der Kerwa, frisst die ganzen Bratwöschd zamm" muss Helga zwar außerplanmäßig über sich ergehen lassen, belustigt jedoch mit ihrer hanseatisch-eleganten Übersetzung.
Bei Anekdoten über Unwegbarkeiten der Deutschen Bundesbahn, als die sich tatsächlich mal verfahren hat, bleibt kein Auge trocken. Sie philosophiert über Krötenwanderungen, E-Bikes und Breitsattelfahrer genauso wie über Diätenwahn. Gerne würde sie eine eigene Partei mit Namen "Rund & Gesund" gründen. Und untermalt das Ganze mit dem Lied frei umgetextet "Du bist nicht allein vor dem Kühlschrank heute Abend". Auch Blutdruckmessen als weitere Variante von Sex im Alter ist nur einer ihrer geistreichen abstrusen Gedanken. "Warum schickt man über 70-Jährige im eisigen Winter aufs Schiff?", sinniert sie. "Haben die Erben da zugeredet?" "Nimm uns mit auf die Reise, Schettino, Schettino" , trällert sie. Bei "La Paloma Ade", "Ich war noch niemals in New York" und "Über den Wolken" singt das Publikum lauthals mit. Und alle schwofen und jubeln bei der allerletzten Zugabe "Gigolo".
"Das war ein Abend für mich, für Euch, für Sie - mit ganz viel Poesie!", verabschiedet sie sich lachend mit gespielter Melancholie.